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21. März 2018 – Top 1: Aktuelle Stunde

„Diesel-Skandal“: Landtag lehnt Fahrverbote ab

Der Landtag spricht sich in einer erneuten Debatte zum „Diesel-Skandal“ grundsätzlich gegen Fahrverbote aus. Die Landesregierung will verschiedene Modelle zur Luftreinhaltung prüfen.

Abgasnorm Diesel Euro-6-Norm
In Kiel werden an einem rund 180 Meter langen Stück des Theodor-Heuss-Rings die Stickoxid-Grenzwerte der EU nicht eingehalten. Foto: dpa, Marcus Führer

Die AfD lehnt die zuletzt öffentlich diskutierte Plaketten-Kennzeichnung von Diesel-Fahrzeugen ab. Sie sieht darin eine „pauschale Benachteiligung von Verkehrsteilnehmern“. Nun fordert die Oppositionsfraktion die Landesregierung auf, sich im Bund dagegen zu positionieren und damit ein „grundsätzliches Signal zur Sicherung der Diesel-Kraftfahrzeugmobilität“ zu setzen.

In einem Alternativantrag setzt sich die SPD für eine Entlastung der Diesel-Fahrzeugbesitzer und der von mit verschmutzter Luft belasteten Kommunen ein. Sie dürften mit den Folgen der „durch die Manipulationen der Automobilindustrie erhöhten Schadstoffbelastung nicht alleine gelassen werden“, heißt es in ihrem Antrag. So sollen Kommunen mit hohen Stickoxid-Werten unter anderem bei der „Fortschreibung der Luftreinhaltepläne“ und der Entwicklung „alternativer Mobilitätskonzepte“, etwa in den Bereichen ÖPNV und Elektromobilität, unterstützt werden. Außerdem müsse die Autoindustrie zu kostenlosen Nachrüstungen bei Diesel-Fahrzeugen verpflichtet werden, fordern die Sozialdemokraten.

Umweltschützer wollen blaue Plakette

Als Reaktion auf ein im Februar ergangenes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Diesel-Fahrverboten hatten Umweltschützer und einige Kommunen eine neue blaue Plakette gefordert, mit der saubere Diesel-Autos von Fahrverboten in bestimmten Stadtbereichen ausgenommen werden könnten. Die Bundesregierung hat dagegen deutlich gemacht, dass sie nur punktuelle Fahrbeschränkungen etwa für Straßen mit hoher Luftbelastung ermöglichen will. Diese könnten über Schilder oder digitale Anzeigen geregelt werden – ohne neue Plakette.

Das Leipziger Gericht hatte entschieden, dass Fahrverbote für bestimmte Diesel-Autos zulässig sind. Solche Fahrverbote hatte die Deutsche Umwelthilfe zuletzt vehement eingefordert, da in vielen deutschen Großstädten die Grenzwerte für das in Diesel-Abgasen enthaltene, gesundheitsschädliche Stickoxid überschritten werden – unter anderem auch in Kiel. Im Jahresdurchschnitt 2016 lag die Stickoxidbelastung an einer viel befahrenen Straße bei 65 Mikrogramm pro Kubikmeter, 40 Mikrogramm sind erlaubt.

Kiel will Fahrverbote vermeiden

Auch nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts will die Stadt Kiel Diesel-Fahrverbote vermeiden. Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) befürchtet, dass dies auf der am stärksten von der Luftverschmutzung betroffenen Strecke am Theodor-Heuss-Ring ein Verkehrschaos auslösen könnte. Umweltminister Robert Habeck (Grüne) spricht sich ebenfalls gegen Fahrverbote aus. Habeck sagt jedoch auch, dass Einschränkungen nicht ausgeschlossen werden könnten. Ebenso wie die SPD im Landtag sieht auch er die Hersteller in der Pflicht – sie sollten seiner Ansicht nach für Umrüstungen an Diesel-Fahrzeugen aufkommen.

Die „blaue Plakette“ 

Es gibt rote, gelbe und grüne Plaketten fürs Auto – bisher. Sie zeigen an, welche Autos in die Umweltzonen einfahren dürfen. Schon seit Jahren liegt der Vorschlag einer blauen Plakette auf dem Tisch, die nach noch strengeren Kriterien vergeben wird. Sie könnte vor allem ältere Dieselfahrzeuge aus Innenstädten mit schlechter Luft heraushalten – in Städten sind Dieselmotoren die Hauptquelle für gesundheitsschädliches Stickstoffdioxid. Die bisherigen Umweltzonen haben vor allem zum Ziel, die Feinstaubbelastung in Städten und Ballungsräumen zu verringern.

Befürworter der blauen Plakette argumentieren, dass die Kommunen mit so einem bundesweiten Instrument Fahrverbote gut regeln und überprüfen könnten. Unter anderem die geschäftsführende Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, das Umweltbundesamt und die Grünen sind dafür. Schon vor knapp zwei Jahren haben sich außerdem die Umweltminister der Bundesländer dafür ausgesprochen. Gegner der Plakette setzen sie dagegen mit Fahrverboten gleich.

(Stand: 19. März 2018)

Vorherige Debatte zum Thema:
plenum-online September 2017

Abgasnorm Diesel Euro-6-Norm
In Kiel werden an einem rund 180 Meter langen Stück des Theodor-Heuss-Rings werden die Stickoxid-Grenzwerte der EU nicht eingehalten. Foto: dpa, Marcus Führer

Umweltminister Robert Habeck (Grüne) kündigte mit Blick auf Kiel an, verschiedene Alternativmaßnahmen zu prüfen, die dann in einen Luftreinhalteplan münden sollen. Da die Deutsche Umwelthilfe gegen das Ministerium klage, dränge die Zeit, sagte der Minister.

In Kiel werden an einem rund 180 Meter langen Stück des Theodor-Heuss-Rings werden die Stickoxid-Grenzwerte der EU nicht eingehalten. Die Luftbelastung an diesem Streckenabschnitt liegt bundesweit mit an der Spitze. Habeck forderte die Bundesregierung auf, Regelwerke mit differenzierten Lösungen zu schaffen, um pauschale Fahrverbote zu verhindern.

Die AfD, die die Debatte auf die Tagesordnung gesetzt hatte, lehnt eine Plaketten-Kennzeichnung von Diesel-Fahrzeugen, wie sie seit einiger Zeit öffentlich diskutiert wird, ab. „Ein Feldzug gegen die deutsche Automobilindustrie ist unverantwortlich“, erklärte Volker Schnurrbusch. Die Mobilität müsse auch für Dieselfahrer gesichert sein. Der Deutschen Umwelthilfe hielt Schnurrbusch „Lobbyismus“ vor. Der AfD-Antrag wurde von allen anderen Fraktionen abgelehnt.

SPD klagt Automobilindustrie an

Die SPD forderte die Automobilindustrie zu kostenfreien Soft- und Hardware-Nachrüstungen bei den Fahrzeugen auf. Verantwortung müssten „die Betrüger, nicht die Betrogenen“ tragen, erklärte Fraktionschef Ralf Stegner. „Die logische Folgerung daraus ist, dass es die Pflicht der Automobilindustrie ist, sich entweder um eine vernünftige, kostenfreie Nachrüstung zu kümmern, oder aber das mangelhafte Fahrzeug zu ersetzen“, fügte er an. Der Änderungsantrag der Sozialdemokraten fand jedoch ebenfalls keine Mehrheit.

CDU-Fraktionschef Tobias Koch mahnte eine sachliche Debatte und sprach sich gegen Fahrverbote aus. An Industriearbeitsplätzen gelte ein Grenzwert von 950 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter Luft für mehrere Arbeitsstunden am Tag. „Da ist also ein um das 24-fache höherer Wert zulässig. Selbst für Büroräume ist mit 60 Mikrogramm eine höhere Belastung erlaubt als auf dem Fußweg am Theodor-Heuß-Ring“, machte er deutlich. Auch für den liberalen Fraktionschef Christopher Vogt ist die Dieseltechnologie besser als ihr Ruf. Er forderte für Kiel eine Stärkung des ÖPNV und eine Verbesserung des Verkehrsflusses.

Grüne ziehen Oslo als Vorbild heran

Kiel könnte von Oslo lernen, regte Andreas Tietze (Grüne) an. „100.000 E-Fahrzeuge, freie Schnell-Ladeinfrastruktur in der Stadt, E-Autos fahren auf Busspuren und sind von der City-Maut ausgenommen. Bis 2030 will Oslo den Verbrennungsmotor im gesamten Stadtgebiet verbieten.“ Das sei innovative und kluge Politik für eine moderne Stadt- und Mobilitätspolitik im 21. Jahrhundert, konstatierte er. Davon sei die Landeshauptstadt „meilenweit entfernt“.

Flemming Meyer (SSW) sieht die Bundesregierung in der Pflicht. Sie dürfe Kommunen und Länder nicht alleine lassen. Ein Dieselfahrverbot auf dem Theodor-Heuss-Ring lehnt er ab. Das würde das Problem nicht beheben, sondern nur auf andere Straßen verlagern, so Meyer. 

Umweltschützer und einige Kommunen hatten eine neue blaue Plakette gefordert, mit der saubere Diesel-Autos von Fahrverboten in bestimmten Stadtbereichen ausgenommen werden könnten. Die Bundesregierung hat dagegen deutlich gemacht, dass sie nur punktuelle Fahrbeschränkungen etwa für Straßen mit hoher Luftbelastung ermöglichen will. Diese könnten über Schilder oder digitale Anzeigen geregelt werden – ohne neue Plakette.

Antrag

Mobilität erhalten, Wertverlust verhindern: Keine neue Kennzeichnungspflicht für Diesel-Kraftfahrzeuge

Antrag der Fraktion der AfD – Drucksache  19/584
Alternativantrag der Fraktion der SPD – Drucksache  19/601
Alternativantrag der Fraktionen von CDU, Grünen und FDP – Drucksache 19/619