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26. September 2018 – Top 1: Bluttat in Boostedt

Nach Messerattacke: Grote verspricht offenen Umgang

Bluttat mit politischem Nachspiel: Die Messerattacke eines Asylbewerbers in der Landesunterkunft Boostedt und das Schweigen des Innenministers darüber auf einer Bürgerversammlung empört die AfD.

Flüchtlinge Landesunterkunft Boostedt
Einfahrt zur Landesunterkunft für rund 1200 Flüchtlinge in Boostedt im Kreis Segeberg. Foto: dpa, Frank Molter

Die Debatte um die Informationspolitik von Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) angesichts der Messerattacke eines Asylbewerbers in der Landesunterkunft für Flüchtlinge in Boostedt (Kreis Segeberg) hat jetzt auch den Landtag erreicht. In einer Aktuellen Stunde warf die AfD dem Minister vor, den Vorfall bei der jüngsten Bürgerversammlung, in der es auch um das Thema Kriminalität ging, bewusst verschwiegen zu haben. Von allen Fraktionen wurde die AFD scharf kritisiert: Sie nutze die Aktuelle Stunde einzig um populistische Politik zu betreiben.

Innenminister Grote, der gestern bereits im Innen- und Rechtausschuss ausführlich zu dem Fall Stellung bezogen hatte, bedauert im Plenum erneut sein jüngstes Vorgehen und bekräftigte, er habe nichts verschleiern wollen. Zugleich wehrte sich auch inhaltlich gegen die Anschuldigung der AfD. Ihm sei „ein offener Umgang mit dem Thema Kriminalität insgesamt wichtig“, betonte er.

AfD: Jamaika will beschönigen

Hintergrund der Debatte: Am vergangenen Freitag (21. September) war bekannt geworden, dass Staatsanwaltschaft, Polizei und Politiker die Öffentlichkeit tagelang nicht über ein am 14. September verübtes Gewaltverbrechen in der Landesunterkunft informiert haben. Wenige Tage nach der Tat fand eine Bürgerversammlung in Boostedt über die Flüchtlingssituation in der Gemeinde statt. Hier wurde der Vorfall von anwesenden Politikern, darunter Innenminister Grote, nicht erwähnt. Bei dem Gewaltakt soll ein Mann während eines familiären Streits mit einem Küchenmesser mehrfach in Tötungsabsicht auf seine von ihm getrennt lebende Frau eingestochen haben.

Claus Schaffer (AfD) nutzte die Aktuelle Stunde für einen Frontalangriff auf die Flüchtlingspolitik der Jamaika-Koalition. „Die Landesregierung hält bewusst Fakten zurück, um ein geschöntes Bild von der Flüchtlingssituation in Schleswig-Holstein zu zeichnen“, sagte er. Dies sei angesichts der Bedeutung solcher Informationen für die Bevölkerung ein Skandal.

CDU: Keine Frage im Ausschuss, aber Plenardebatte

Der Innenminister und die zuständigen Behörden hätten im Innen- und Rechtsausschuss deutlich gemacht, dass es keinerlei Absprachen gegeben habe, konterte Claus Christian Claussen (CDU). Sämtliche Fragen seien nachvollziehbar beantwortet worden. Offensichtlich auch für die AfD, die im Ausschuss keine einzige Frage gestellt habe.

Es sei nicht immer leicht zu entscheiden, welche Straftaten öffentlich zu machen seien und welche nicht, konstatierte Christopher Vogt (FDP). Mit Blick auf die Bürgerversammlung in Bootstedt sei es „falsch“ gewesen, den Vorfall zu verschweigen. Grote habe, weil er das eingestanden habe, „Größe“ gezeigt, sagte Vogt und warf der AfD eine „perfide Strategie“ vor. Die Instrumentalisierung des Vorfalls ziele darauf ab, „Verunsicherung zu stiften, um das Misstrauen gegenüber Regierenden zu schüren“.

SSW: Hetze und gegen Ausländer

In dieselbe Richtung argumentierten Eka von Kalben (Grüne) und Kai Dolgner (SPD). Der AfD gehe es nicht um den tragischen Vorfall, sondern darum ihn politisch zu nutzen, betonte von Kalben. „Die gute Nachricht ist, dass das Opfer das Krankenhaus inzwischen wieder verlassen konnte“, rief Dolgner der AfD süffisant zu. Angesichts der Ausführungen des Ministers im Innen- und Rechtsausschuss bezweifelte Lars Harms (SSW) die Notwendigkeit der Aktuellen Stunde. Sie diene der AfD einzig dazu, „zu hetzen und gegen Ausländer vorzugehen“.

In der weiteren Debatte lobten CDU, SPD, Grüne, FDP und SSW unisono die Hilfsbereitschaft und Toleranz der Boostedter Bürger im Umgang mit den Flüchtlingen. Innenminister Grote stellte in diesem Zusammenhang klar, dass er die Sorge der Bürger „sehr ernst nehme“. Sein Ministerium habe mittlerweile aufgrund einiger Vorfälle „außerhalb und innerhalb“ der Flüchtlingsunterkunft reagiert und das Personal verstärkt.

Vergangenen Freitag (21. September) war bekannt geworden, dass Staatsanwaltschaft, Polizei und Politiker die Öffentlichkeit tagelang nicht über ein am 14. September verübtes Gewaltverbrechen in der Landesunterkunft für Flüchtlinge in Boostedt (Kreis Segeberg) informiert haben. Wenige Tage nach der Tat fand eine Bürgerversammlung in Boostedt über die Flüchtlingssituation in der Gemeinde statt. Auch hier wurde der Vorfall von anwesenden Politikern, darunter Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU), und einem Polizeivertreter nicht erwähnt. Die AfD will diese Angelegenheit jetzt im Plenum diskutieren und hat hierfür eine Aktuelle Stunde beantragt.

Bei dem Gewaltakt soll ein Mann während eines familiären Streits mit einem Küchenmesser mehrfach in Tötungsabsicht auf seine von ihm getrennt lebende Frau eingestochen haben. Laut Staatsanwaltschaft sei gegen den 34-Jährigen Haftbefehl erlassen worden wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Das Opfer befinde sich nicht in Lebensgefahr.

„Das werden wir in Zukunft anders machen“

Nach Bekanntwerden des Vorfalls hatte Innenminister Grote zunächst das Informationsverhalten verteidigt und auf die Gewaltenteilung verwiesen. Der Staatsanwaltschaft obliege die Entscheidung über die Öffentlichkeitsarbeit zu sogenannten herausragenden Straftaten. „Daran hält sich das Innenministerium, daran hält sich unsere schleswig-holsteinische Polizei“, sagte er.

Wenig später bezeichnete der Minister diese Aussage als rechtlich korrekt, äußerte aber zugleich Bedauern. „Das wollen und werden wir in Zukunft anders machen. Ich betone nochmals, dass wir der Öffentlichkeit und der Gemeinde Boostedt keine Informationen vorenthalten wollten“, so Grote. Auf der Bürgerversammlung hatten weder er noch Vize-Landespolizeidirektor Joachim Gutt oder Innenstaatssekretär Torsten Geerdts die Bluttat erwähnt.

Boostedts Bürgermeister prangerte Überforderung an

Der Kieler Oberstaatsanwalt Axel Bieler Bieler wies die Behauptung zurück, die Staatsanwaltschaft habe die Tat verschwiegen. Es habe bislang keine Medieninformation gegeben, „da es sich um eine reine Beziehungstat handeln dürfte“, hieß es in einer Pressemitteilung. Eine aktive Information der Medien erfolge „nicht regelmäßig in Fällen allein familiärer Streitigkeiten“.

Die Gemeinde Boostedt hat 4600 Einwohner. Bürgermeister Hartmut König (CDU) hatte mehrmals von einer Überforderung mit 1200 Flüchtlingen in der Landesunterkunft gesprochen. In der Einwohnerversammlung vergangen Mittwoch berichtete er zudem von Frust und ungebührlichem Benehmen insbesondere von Flüchtlingen ohne Bleibeperspektive. Deren Zahl liegt inzwischen bei 800 von 1200 Flüchtlingen.

Polizei berichtet über Kriminalitätsentwicklung

Bei der Bürgerversammlung hatte ein Polizeisprecher über eine nicht signifikant gestiegene Kriminalitätsentwicklung in Boostedt berichtet. 2016 gab es laut Polizei zwei Sexualstraftaten, 2017 vier. Die Zahl der Ladendiebstähle stieg von 18 auf 43. In der Landesunterkunft nahm die Zahl der registrierten Straftaten von 33 im Jahr 2015 auf 126 im vergangenen Jahr zu. Die Zahl der Körperverletzungen stieg von 19 auf 36.

Vorherige Debatten zum Thema Flüchtlinge/Asylrecht:
September 2018
Juli 2018
Juni 2018
Ausschusssitzung zum Thema:
Innen- und Rechtsausschuss am 29. August 2018


Stichwort: Aktuelle Stunde

Über eine bestimmte Frage von allgemeinem Interesse kann eine Aktuelle Stunde von einer Fraktion oder von mindestens fünf Abgeordneten beantragt werden. Der Antrag muss spätestens zwei Tage vor Sitzungsbeginn gestellt werden.

Bei einer Aktuellen Stunde beraten die Abgeordneten ohne feste Rednerliste über einen landespolitischen Gegenstand von aktueller Bedeutung. Die Redezeit ist auf fünf Minuten pro Beitrag begrenzt. Die Reden sollen frei gehalten werden. Die Gesamtredezeit der Abgeordneten darf 60 Minuten nicht überschreiten; hinzu kommt das Zeitkonto der Landesregierung von maximal 30 Minuten. Werden zwei Anträge ein einer Aktuellen Stunde behandelt, ist die Dauer auf  eineinhalb Stunden beschränkt.

Mit einer Aktuellen Stunde wird kein konkreter Beschluss herbeigeführt; sie dient vorrangig dem Meinungsaustausch und der Darstellung der unterschiedlichen Standpunkte gegenüber der Öffentlichkeit.

Aktuelle Stunde

Informationspolitik des Innenministers hinsichtlich des versuchten Tötungsdelikts in der Landesunterkunft in Boostedt am 14. September 2018
Beantragt von der Fraktion der AfD - Drucksache 19/973