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11. März 2019 – Untersuchungsausschuss

„Es ging um Leib und Leben“

Bei der Aufklärung des sogenannten Subway-Verfahrens räumt der Ex-Leiter der Soko Rocker ein, eine Aktennotiz zu einer entlastenden Aussage verboten zu haben. Der Schutz von „Leib und Leben“ des Informanten habe Vorrang gehabt.

Kurz vor Beginn des Untersuchungsausschusses werden die im halbrund sitzenden Abgeordneten gefilmt und fotografiert.
Der Untersuchungsausschuss im Kieler Landtag kurz vor Sitzungsbeginn. Foto: Landtag

Bei der vierten Zeugenbefragung im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss hat der ehemalige Leiter der Soko Rocker Mathias E. den Umgang mit einem brisanten Vermerk bei den Ermittlungen zu einem Messerangriff in einem Schnellrestaurant (Subway) in Neumünster im Jahr 2010 verteidigt. Der 53-Jährige hatte damals die Verschriftlichung eines entlastenden Hinweises im Falle eines damals in Untersuchungshaft sitzenden Rockers durch einen Ermittler abgelehnt. Der Tipp soll von einer vertraulichen Quelle gekommen sein, die nicht in den Akten auftauchen sollte. Der Ermittler beharrte jedoch darauf, den Hinweis zu dem Messerangriff zu den Akten zu geben.

Es habe sich um „eine intensive Abwägung zu Gunsten von Leib und Leben“ gehandelt, sagte der Kripo-Beamte im Ausschuss. Stattdessen habe er darauf gedrängt, dass die für Quellen und den Vertrauensschutz zuständige Abteilung selbst die Information in das Verfahren einbringe. Der Kriminalbeamte verwies auf einen Grundsatz der Polizeiarbeit: „Die Sachbearbeitung soll nicht wissen, wer die Quelle ist“, sagte er. Leib und Leben seien das höchste Rechtsgut.

„Es ging ihnen nicht immer nur um die Sache“

Wenn die Identität einer Quelle aus dem Rocker-Milieu bekannt werde, seien für diese schlimmste Vergeltungen zu erwarten, „bis hin zum Tod“. Einer der beiden damaligen Ermittler hatte später jedoch weisungswidrig einen schriftlichen Vermerk zu dieser Information gefertigt. Diese Urkunde habe er, so Mathias E., aber nicht unterdrücken wollen. Die beiden Ermittler waren 2010 gegen ihren Willen aus der Soko Rocker versetzt worden, nachdem sie ihren Aussagen zufolge unter anderem Vorgaben von Vorgesetzten zu Aktenvermerken nicht akzeptieren wollten. Sie hatten darauf beharrt, dass auch der entlastende Hinweis zu einem damals in Untersuchungshaft sitzenden Rocker zu den Akten genommen wird. Dieser stammte von einem V-Mann-Führer. Der von dem Beamten später geschriebene Vermerk habe jedoch schlicht nicht gestimmt. 

Grundsätzlich könne er die Behauptung der erwähnten Ermittler nicht teilen, in der Soko habe es keine gute Zusammenarbeit gegeben, sagte der Zeuge weiter. So habe es zu seiner Zeit – er stieß erst zwei Wochen nach dem Überfall in Neumünster zu der Soko dazu – jeden Morgen eine Lagebesprechung gegeben. Auf Nachfragen von Abgeordneten, sagte er, dass die beiden Beamten, die von Beeinträchtigungen ihrer Ermittlerarbeit gesprochen hatten, die Frühbesprechungen in Frage gestellt hätten. Ich habe das Gefühl gehabt, dass sie das von Anfang an als Einmischung in ihre Arbeit betrachteten, so der ehemalige Soko-Leiter: „Es ging ihnen nicht immer nur um die Sache.“

Staatsanwaltschaft soll Polizeiarbeit gerügt haben

SPD-Obmann Kai Dolgner fühlte sich in seiner Einschätzung durch Inhalte eines am Montag im Untersuchungsausschuss der Öffentlichkeit bekannt gewordenen Gesprächs im Mai 2011 zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei bestätigt. „Die versammelte Spitze der Kieler Staatsanwaltschaft hat es auch für geboten gesehen, dass die beiden Ermittler diese Information zu verschriftlichen hatten“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Dies hätten diese dem damaligen LKA-Chef und dem stellvertretenden Polizei-Abteilungsleiter bei dem Treffen mitgeteilt.

Gleichzeitig hätten die Staatsanwälte der Polizei „Führungskultur wie in den 20er Jahren“ vorgehalten, sagte Dolgner. Es stelle sich die Frage, „warum trotz dieser scharfen Kritik für uns nichts erkennbar unternommen wurde, um den angerichteten Schaden bei den beiden Ermittlungsbeamten schon damals wiedergutzumachen“.

Druck „von oben“ und Mobbing

Der Untersuchungsausschuss will mögliche Missstände im Zusammenhang mit den „Subway“-Ermittlungen in der Polizeiführung aufklären. In der Öffentlichkeit wird von der „Rocker-Affäre“ gesprochen. Es geht um Vorwürfe der Aktenmanipulation, der Unterdrückung von Beweismitteln, Druck „von oben“ und Mobbing. Die beiden Kripo-Beamten im Subway-Ermittlerteam, die Ende Januar und Anfang Februar im Ausschuss ausgesagt hatten, wurden ihren Angaben zufolge von Vorgesetzten massiv bedrängt, zu unkorrekter Arbeit gedrängt und schließlich versetzt, nachdem sie bei der polizeilichen Aufarbeitung Aktenvermerke in der von Vorgesetzten eingeschränkten oder geänderten Form nicht akzeptieren wollten. Sie hatten im Ausschuss von einem „Lügenvermerk“ sowie von mangelnder Führung und weiteren Merkwürdigkeiten bei den Ermittlungen berichtet.

Der Untersuchungsausschuss war im Februar vergangenen Jahres vom Parlament eingesetzt worden. Es ist der 28. derartige Sonderausschuss seit 1946. Neben der Aufklärung zu den Vorgängen um die Rocker soll der Ausschuss insbesondere auf Betreiben der Sozialdemokraten publik gewordene Negativschlagzeilen an der Polizeischule Eutin beleuchten; hier standen mehrmals Verdachtsfälle von Sexismus und Fremdenfeindlichkeit im Raum.

Im Anschluss an die Sitzung teilte der Ausschuss mit, in seiner nächsten Sitzung kommenden Montag „voraussichtlich“ einen Staatsanwalt vernehmen zu wollen.

Mehr Informationen:

Zeugenvernehmung am 25. Februar
Zeugenvernehmung am 28. Januar
Zeugenvernehmung am 4. Februar
Auftrag und Einsetzung des Ausschusses (23. Februar 2018)
Der Erste Parlamentarische Untersuchungsausschuss (in der 19. Wahlperiode)