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19. November 2020 – November-Plenum

„Herrenlose“ Euros für Start-ups und Gedenkkultur

Milliarden Euro liegen in Deutschland auf „nachrichtenlosen“ Bankkonten. Der Landtag will, dass dieses Geld für das Gemeinwohl verwendet wird – nach dem Vorbild anderer Länder.

Geldscheine
Auf Bankkonten, deren Eigentümer nicht ermittelbar sind, ruhen Euros in Millarden-Höhe. Foto: Andreas Hermsdorf, pixelio.de

Das Geld von verwaisten Bankkonten soll der Allgemeinheit zugutekommen. Darüber besteht breite Einigkeit im Landtag. Umstritten ist, welche Zwecke gefördert werden sollen. Jamaika will die „sozialökologische Innovation“ und Start-ups fördern, die SPD bringt eine Stiftung zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus ins Spiel. Im Finanzausschuss geht die Diskussion jetzt weiter. Ziel ist eine Bundesratsinitiative.

Es geht um schätzungsweise zwei bis neun Milliarden Euro, die in Deutschland auf etwa 250.000 Konten liegen, deren Eigentümer nicht bekannt sind. Der Kontakt zur Bank ist in einigen Fällen nach einem Umzug abgebrochen, oder das Konto gehört Erben, die nichts von dieser Hinterlassenschaft wissen. Bislang geht das Geld an die Bank, wenn 30 Jahre lang keine Bewegung auf dem Konto verzeichnet wurde.

Eigentümer sollen ihre Ansprüche behalten

Das Geld könne sinnvoller ausgegeben werden, als dass es in der Bank „versinkt“, so Lasse Petersdotter (Grüne). Nach den Vorstellungen von Jamaika soll es ein Register geben, in dem die betroffenen Konten erfasst werden. Damit sei es auch leichter, möglicherweise noch bestehende Ansprüche abzuklären. Denn die Eigentümer behielten ihr Anrecht auf das Geld, auch wenn sie erst nach Jahrzehnten davon erführen, wie Ole Plambeck (CDU) betonte: „Daran wollen wir nicht rütteln.“

Die Zahl der „nachrichtenlosen Konten“ nehme in jüngster Zeit zu, so Annabell Krämer (FDP), und das liege auch an der Digitalisierung im Bankwesen: „Den Erben fällt kein physisches Sparbuch mehr in die Hände.“ Es sei immer schwierig, Investoren für Sozialprojekte zu finden, meinte Lars Harms (SSW). Das herrenlose Geld könne dazu dienen, „um in unsere Zukunft zu investieren“.

„Oftmals jüdisches Vermögen“

Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) nannte es „eigenartig“, dass bei den Banken zuletzt die Bereitschaft gestiegen sei, über dieses Thema zu reden. Das liege am Negativzins und daran, dass die Konten nur noch Arbeit machten aber keinen Profit mehr abwürfen, argwöhnte Heinold.

Von einem „brisanten Schatz“ sprach Stefan Weber (SPD). Vielfach gehe es um jüdisches Vermögen, das den Besitzern in der NS-Zeit abhandengekommen sei. Dies dürften die Banken „nicht stillschweigend einbehalten“. Alle Redner beklagten, dass Deutschland, anders als zahlreiche andere Länder, noch kein Register für das herrenlose Geld habe. In den USA werde das Konto bereits nach einem Jahr ohne Buchung für allgemeine Zwecke verwendet, in der Schweiz, Japan und Korea seien es zehn bis 15 Jahre.

Große Geldsummen liegen in Deutschland auf verwaisten Bankkonten, denen kein Eigentümer zuzuordnen ist. Die Rede ist von 250.000 solcher Konten, und einigen Schätzungen zufolge lagern dort rund zwei Milliarden Euro. Andere gehen sogar von neun Milliarden aus. Bislang geht dieses Geld an die Bank, wenn 30 Jahre lang keine Bewegung auf dem Konto verzeichnet wurde. Die Jamaika-Fraktionen im Landtag wollen das nun ändern.

Sie fordern, die „nachrichtenlosen Konten“ in einem Register zu erfassen, um die Eigentümer leichter ermitteln zu können. Sollte niemand Ansprüche auf das Geld haben, dann soll es nach Willen von CDU, Grünen und FDP an die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gehen. Das Förderinstitut des Bundes soll das Geld je zur Hälfte für gemeinnützige Zwecke und zur Förderung von Start-ups verwenden. Die Ansprüche möglicher Kontoeigentümer sollen aber weiterhin Bestand haben. Diese Praxis folge dem Beispiel anderer Länder wie Großbritannien, den USA oder den Niederlanden, betonen die Jamaika-Partner. Die Landesregierung soll sich im Bundesrat für diese Neuregelung stark machen.

Banken sind skeptisch

Diese Forderung erhebt auch das „Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland“. Die Bankbranche reagiert laut Medienberichten dagegen verhalten. Es sei eine Vorgabe der Finanzverwaltung, dass Konten, die 30 Jahre nicht bewegt wurden, „ausgebucht“ werden sollen. Die Ansprüche der Kunden würden aber weiterhin gelten. „Eine Verfügung über solche Guthaben zugunsten Dritter wäre ein Eingriff in das Rechtsverhältnis zwischen Kunde und Institut, unabhängig vom Zweck des Eingriffs“, heißt es demnach bei der Deutschen Kreditwirtschaft.

(Stand: 16. November 2020)

Antrag

Mittel aus nachrichtenlosen Bankkonten für gemeinnützige Zwecke sowie Start-ups nutzen
Antrag der Fraktionen von CDU, B´90/Die Grünen und FDP – Drucksache 19/2335
Alternativantrag der Fraktion der SPD – Drucksache 19/2578