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22. September 2021 – September-Plenum

Ziel: mehr Verkehrssicherheit – auch durch Tempolimit?

Die Abgeordneten machen sich für mehr Sicherheit auf Schleswig-Holsteins Straßen stark. Angestoßen von den Grünen flammt in dieser Diskussion der Disput um ein Tempolimit wieder auf.

Verkehrssicherheit Verkehrskontrolle Polizei Wohnmobil
Mit Schwerpunktkontrollen, hier im Bereich von Wohnwagenanhängern und Wohnmobilen, will die Polizei zur Verkehrssicherheit beitragen. Foto: dpa, Bodo Schackow

Ein Straßenverkehr ohne Schwerverletzte und Tote sei eine „Vision“ – aber eine, die anzustreben lohnt. Das betont Verkehrsminister Bernd Buchholz (FDP) in seinem Bericht über die vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat aufgelegte Strategie „Vision Zero – Null Verkehrstote“.

Der Minister nannte drei Ansatzpunkte: Die Ausbildung der Verkehrsteilnehmer müsse verbessert werden, beginnend bei den Kleinsten, aber auch bei den besonders gefährdeten Radfahrern. Techniken wie Abbiegeassistenten bei Lkw oder automatisiertes Fahrens könnten helfen. Und: Die Infrastruktur müsse nachgerüstet werden, etwa durch den dreispurigen Ausbau von Bundesstraßen, die Nachbesserung von Kurven oder höherwertige Radwege. Die SPD warf der Landesregierung Passivität vor, und die Grünen stritten sich mit den Jamaika-Partnern CDU und FDP über ein Tempolimit auf Autobahnen.

SSW prangert langes Ringen mit der Verwaltung an

„Die Möglichkeiten sind vielfältig“, so Kai Vogel (SPD), aber die Landesregierung nutze sie nicht. Schleswig-Holstein belege bei den Unfallstatistiken oft einen hinteren Platz. Vogel forderte zusätzliche Leitplanken auf Landstraßen, mehr Geschwindigkeitskontrollen und Zäune für Wildwechsel – bei diesen Punkten sei jedoch „nichts von der Landesregierung zu hören“. Vor Ort drohe Bürgern häufig „ein langes Ringen mit der Verwaltung“, sagte Christian Dirschauer (SSW), wenn sie Zebrastreifen oder 30er-Zonen durchsetzen wollten.

Andreas Tietze (Grüne) forderte ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen. „71 Prozent der Deutschen“ sprächen sich laut einer Umfrage dafür aus. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung sei „einfach eine Frage der Vernunft“, so Tietze: „Je schneller Sie fahren, desto höher das Risiko.“ Dem widersprach Minister Buchholz: Tödliche Unfälle geschähen zu 66 Prozent auf Bundesstraßen, Landstraßen und Kreisstraßen außerhalb geschossener Ortschaften, zu 24 Prozent innerorts und lediglich zu zehn Prozent auf Autobahnen. „So viel zum Thema Tempolimit als Argument für Verkehrssicherheit.“

FDP sieht Problem durch E-Bikes und Pedelecs

Auch Kay Richert (FDP) bezeichnete die Forderung nach einem Tempolimit als „reine Symbolpolitik“. Ein großes Problem sei die wachsende Zahl an E-Bikes und Pedelecs, so Richert. „Die sehen aus wie Fahrräder aber sind viel schneller.“ Grundsätzlich herrsche sowohl bei Autofahrern als auch bei Radlern und Fußgängern eine „Ich-darf-das-Mentalität“ vor: „Gegen Rücksichtslosigkeit hilft kein Straßenbau und keine Radwegeverbreiterung.“

Diesen Punkt unterstrich Hartmut Hamerich (CDU) und zitierte Paragraf 1 der Straßenverkehrsordnung: „Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht. Wer am Verkehr teilnimmt, hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.“

Die Koalitionsfraktionen verlangen von der Landesregierung einen mündlichen Bericht zur Verkehrssicherheit im Land. Schwerpunktmäßig wollen CDU, Grüne und FDP wissen, wie die Sicherheit auf Schleswig-Holsteins Straßen verbessert und wie diesbezüglich die Präventionsarbeit verstärkt werden kann. Es gelte, die „Vision Zero – Null Verkehrstote“ zu erreichen und den von der Bundesregierung angeschobenen „Pakt für Verkehrssicherheit“ zu unterstützen, heißt es in der Begründung des Antrags.

Derzeit arbeitet das Bundesverkehrsministerium am nächsten Verkehrssicherheitsprogramm bis 2030. Insbesondere auf die Städte und Gemeinden komme es an, wenn es zum Beispiel um mehr Schutz für Fußgänger und Radfahrer gehe, hieß es in Berlin Anfang des Jahres. Daher sei der „Pakt für Verkehrssicherheit“ geschlossen worden.

Mehr Verkehrstote in 2020 im Norden

Im Corona-Jahr 2020, als wegen der Pandemie auf deutschen Straßen deutlich weniger Kilometer zurückgelegt wurden, hat die Zahl der Verkehrstoten in Schleswig-Holstein gegen den Bundestrend zugenommen. Sie stieg von 100 auf 107, während es in Deutschland insgesamt einen Rückgang um 322 Todesopfer auf 2724 gab. Außer in Schleswig-Holstein gab es nur in Brandenburg, Berlin und Bremen 2020 mehr Verkehrstote als 2019.

Auch die Zahl der Verletzten sank bundesweit gegenüber dem Vorjahr deutlich – um 14,7 Prozent auf rund 328.000 Personen. In Schleswig-Holstein war das Minus nicht ganz so stark. Hier fiel die Zahl der Schwerverletzten um 11,5 Prozent auf 1989 und die der Leichtverletzten um 12,6 Prozent auf 11 881. Insgesamt nahm die Polizei 2020 in Deutschland 2,3 Millionen Unfälle auf, das waren 15,8 Prozent weniger als im Vorjahr.

Abnahme im ersten Halbjahr 2021

Einer neuen Statistik zufolge sind im ersten Halbjahr dieses Jahres in Schleswig-Holstein deutlich weniger Menschen bei Verkehrsunfällen getötet worden als in den ersten sechs Monaten des Vorjahres. 38 Menschen kamen ums Leben, 26 weniger als im Vorjahreszeitraum, wie das Statistische Bundesamt letzten Freitag unter Berufung auf vorläufige Ergebnisse mitteilte. Insgesamt verunglückten im Norden im ersten Halbjahr 5652 Menschen, 11 Prozent weniger als im ersten Halbjahr 2020. Auch die bundesweiten Zahlen waren rückläufig. Wegen Corona seien weiterhin deutlich weniger Verkehrsteilnehmer unterwegs, lautet eine Erklärung.

Das Risiko, bei einem Verkehrsunfall getötet zu werden, war in den ersten sechs Monaten 2021 in Schleswig-Holstein etwas geringer als im Bundesdurchschnitt. Im Norden starben 13 Menschen je eine Million Einwohner, bundesweit waren es 14.

Raser bereiten Sorgen

Eine aktuelle Meldung der Landespolizei: In der Woche vom 9. bis 15. August seien bei landesweiten Kontrollen insgesamt 70.641 Tempoverstöße festgestellt worden. „Die Zahl der Geschwindigkeitsverstöße hat sich damit, im Vergleich zur Kontrollwoche im April dieses Jahres, fast verdoppelt. Das ist ein bitteres Ergebnis und eine traurige Entwicklung, die Sorge bereitet“, sagte der Pressesprecher des Landespolizeiamtes, Marcel Schmidt, vergangenen Mittwoch. Nicht angepasste und überhöhte Geschwindigkeit sei bei schweren Verkehrsunfällen eine der Hauptunfallursachen. Die Landespolizei setzt eigenen Aussagen zufolge auf fortlaufende Überwachungs- und Aufklärungsarbeit, um Unfallzahlen zu senken und Unfallfolgen zu reduzieren.

(Stand: August 2020)

Vorherige Debatte/Meldung zum Thema:
März 2021 („Section Control“/ohne Aussprache)
September 2020 (spez. A7)

Antrag

„Vision Zero – Null Verkehrstote“ – Mündlicher Bericht zur Verkehrssicherheit
Antrag der Fraktionen von CDU, B´90/Die Grünen, FDP – Drucksache 19/3213