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01.07.11
11:11 Uhr
SSW

Flemming Meyer zu TOP 51 - Situation von Älteren auf dem Arbeitsmarkt

Presseinformation Kiel, den 01. Juli 2011

Es gilt das gesprochene Wort



Flemming Meyer
TOP 51 Situation von Älteren auf dem Arbeitsmarkt Drs. 17/1427

Ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind nach dem vorliegenden Bericht bei der
Weiterbildung unterrepräsentiert. Offenbar denken viele Arbeitgeber, dass sich die
Weiterbildung bei den Älteren nicht mehr rechnet. Wer allerdings nicht am Ball bleibt, wird
abgehängt. Kein Wunder also, dass 2010 jeder fünfte neue Arbeitslose 50 Jahre und älter war.
Jeder fünfte Arbeitslose ist in Schleswig-Holstein über 55 Jahre.


Die Gründe sind ganz offensichtlich. Die Unternehmen mussten sich bislang keine Gedanken
über Nachwuchs oder Fachkräfte machen, denn die Auswahl war groß. Ältere Beschäftigte
wurden aussortiert und konnte umgehend durch vermeintlich leistungsfähigere, jüngere
Beschäftigte ersetzt. Dieses Verhalten mutierte in den letzten Jahren regelrecht zu einem
Automatismus, so dass das Durchschnittsalter in den Betrieben sank und die Zahl der älteren
Arbeitslosen stieg. Diese Entwicklung wurde durch Frühverrentungsmodelle unterstützt und
auch seitens der Gewerkschaften über viele Jahrzehnte mitgetragen. 2
Konsequenterweise bildete Deutschland das Schlusslicht unter seinen europäischen Nachbarn,
was die Beschäftigungsquote der über 55-Jährigen betrifft. In Schweden, aber auch in
Dänemark haben Ältere gute Chancen auf eine Vollzeitbeschäftigung auf dem 1. Arbeitsmarkt
– in Deutschland nicht.


So geht es allerdings nicht mehr weiter, weil die Zahl der Älteren steigt. Jetzt wird hektisch an
verschiedenen Stellschrauben gedreht, so wurde das Renteneintrittsalter erhöht und die
Frühverrentung fast unmöglich gemacht. Das Durchschnittsalter in den Betrieben steigt und
die Rentenabschläge machen vielen Älteren das Leben schwer. Aber auch in der Wirtschaft
ändert sich langsam etwas. Man muss in den Personalbüros schmerzhaft lernen, dass man
auch mit dem Produktionsfaktor Arbeit sorgfältiger umgehen muss. Wer seine älteren
Beschäftigten von der Weiterbildung ausschließt, verliert nämlich insgesamt als Betrieb den
Anschluss und damit wichtige Aufträge. Dumm nur, dass die Unternehmen nicht die einzigen
sind, die diese Wettbewerbsnachteile erfahren, sondern die gesamte Wirtschaft in
Mitleidenschaft gezogen wird.


Die entsprechenden Klagen der Wirtschaftsverbände haben jetzt auch die Bundesregierung
erreicht und zum Handeln veranlasst. Die Bundesregierung überlegt laut „Spiegel“ ernsthaft,
eine Quote für ältere Fachkräfte einzuführen. Danach sollen in einem Betrieb ab 2020
mindestens jeder zweite Arbeitsplatz von einem älteren Facharbeiter besetzt werden. Auf diese
Weise hofft die Bundesregierung, den derzeitigen Brain Drain zu stoppen. Beschäftigte sollen
nicht mehr nur aufgrund ihres Alters aussortiert werden. Stattdessen sollen ihre Kompetenz
und Erfahrung in den Betrieben genutzt werden. Und zwar nicht ehrenamtlich beim „Senioren
Experten Service“, sondern unter knallharten Marktbedingungen.


Aktuell zeigen einzelne Beispiele, dass man mit älteren Beschäftigten sogar regelrecht punkten
kann. Es zahlt sich aus, wenn ein Unternehmen auf die Älteren setzt. Immer noch gelten die
Älteren als defizitär, langsam und weniger belastbar. Dagegen haben die 45+-Märkte des 3
Discounters „Netto“ gezeigt, dass Ältere sogar belastbarer sind. Der Krankenstand bei den
Filialen, in denen nur 45Jährige und Ältere arbeiten, liegt unter dem der Filialen mit
altersgemischter Belegschaft.


Ich warne allerdings davor, ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer lediglich als Stille
Reserve zu verstehen. Menschen sind keine Maschinen, die geparkt und reaktiviert werden
sollen. Ältere Beschäftigte haben das gleiche Recht auf Qualifizierung und gesunde
Arbeitsbedingungen wie jüngere. Wer einem Bewerber aufgrund seines Lebensalters ablehnt,
diskriminiert den Betreffenden: Das ist kein Kavaliersdelikt. Die Beschwerden nehmen zu, wie
die Antidiskriminierungsstelle des Bundes verzeichnet. Sie empfiehlt Bewerbungsunterlagen
ohne Altersangaben, denn sie hat klar nachgewiesen: Je höher das Alter, desto niedriger die
Chance auf eine Einladung zum Bewerbungsgespräch.


Der Altersdiskriminierung ist nicht per Dekret oder Quote beizukommen. Wir sollten daher
beginnen, die Altersdiskriminierung als Problem wahrzunehmen. Im vorliegenden Bericht
sucht man danach allerdings vergeblich.