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05.07.18
18:12 Uhr
SPD

Martin Habersaat zu TOP 17: Wehret den Anfängen!

Es gilt das gesprochene Wort!


Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html



Kiel, 5. Juli 2018



TOP 17: Wertevermittlung stärken – Kopfnoten einführen


Martin Habersaat:
Wehret den Anfängen!

Die AfD möchte die Wertevermittlung an unseren Schulen stärken und deshalb Kopfnoten einführen. Und welches sind nun die vier Werte, die der AfD die wichtigsten sind? Ordnung, Mitarbeit, Fleiß und Betragen. Genau diese vier Kopfnoten gab es schon einmal, im Schulsystem der DDR. Und es ist ja auch nicht das erste Mal, dass westdeutsche Rechte gerade die besonders autoritären Elemente in der DDR reizvoll finden. In Ihrer Antragsbegründung verknüpfen Sie die Vermittlung von Werten mit der Vermittlung von Verhaltensweisen. Oder anders: Sie setzen Primärtugenden und Sekundärtugenden gleich. Wie stellte einst schon Oskar Lafontaine fest? Allein mit Sekundärtugenden könnte man auch prima ein KZ betreiben.
• Der kleine Bernd zitiert gerne Goebbels und ist ein Rassist, aber er ist immer pünktlich und hat sein Federmäppchen aufgeräumt. Eins.
• Der etwas ältere Alexander nennt den Holocaust einen Vogelschiss und vergleicht die Bundeskanzlerin mit Hitler. Allerdings sitzt seine Hundekrawatte tadellos und er trägt häufig ein Tweed-Jackett. Auch eins. 2



• Nicht so gut sieht es hier im Landtag aus: Doris ist zwar immer adrett angezogen und stört selten, fehlt aber unentschuldigt in Fraktions- und Ausschusssitzungen. Sechs. Aber keine Bange: Die vollen Diäten werden ja trotzdem ausbezahlt.
Wenn Sie das Sozialverhalten der Schülerinnen und Schüler mit Ziffernnoten in diesen Kategorien erfassen wollen, ist das ein Schritt um etwa vier Jahrzehnte zurück, weil die meisten Bundesländer die Kopfnoten in den 70er Jahren aufgegeben haben. Auch das ist ein Verdienst der so vielgeschmähten 68er-Bewegung. Den Relaunch hatten wir vor zehn Jahren in NRW unter einer schwarz-gelben Regierung mit verheerendem Echo. Die Schülervertretungen erhoben gegen die „Schleimnoten“ den Vorwurf, dass kritisches Nachfragen im Unterricht als Insubordination und Disziplinlosigkeit mit einer entsprechenden Kopfnote abgestraft wurde. Das Ganze wurde dann 2010 unter Rot-Grün wieder eingesammelt. Natürlich ist das soziale Verhalten von Kindern und Jugendlichen einer Dokumentation und Rückmeldung an die Schüler und ihre Eltern wert, ja, sogar unerlässlich. Aber das kann doch nicht in sechs Zeugnisnoten (früher waren es sogar nur vier) geschehen. Die christlichen Kirchen kritisierten am Vorgehen der schwarz-gelben Regierung in NRW übrigens damals, dass es mit dem christlichen Menschenbild nicht vereinbar sei, Persönlichkeit in Schulnoten zu messen. Sind es wirklich saubere Fingernägel und ordnungsgemäßes Melden durch Handaufheben, die Sie meinen, wenn Sie von Werten sprechen? Wie wäre es denn mit Glaube, Liebe, Hoffnung, wenn wir kurz beim Christentum bleiben? Die Chinesen nennen Menschlichkeit, Wahrhaftigkeit und Güte als wesentliche Werte. Ein chinesisches Sprichwort sagt allerdings auch: „Narren wissen nie etwas von Barmherzigkeit.“ Was ist mit Weisheit und Besonnenheit? Wie steht es um Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität? Es gibt viele Werte, die wir den jungen Menschen an unseren Schulen hoffentlich vermitteln können. Keinen dieser Werte würde ich durch Schulnoten messen wollen und nichts von dem Menschenbild, das hinter den von mir zuletzt genannten Werten steckt, findet sich in den von Ihnen vorgeschlagenen Kopfnoten wieder.
Ich bin ja nur froh, dass die AfD nicht auch noch eine Kopfnote für Schönschrift gefordert hat. Meine Fraktionskolleginnen und -kollegen und vor allem unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vermitteln mir regelmäßig den Eindruck, dass ich in dieser Disziplin nicht mit herausragenden Noten rechnen dürfte. Deshalb komme ich schon aus Eigeninteresse zu dem Schluss: Wehret den Anfängen!