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05.09.18
11:38 Uhr
B 90/Grüne

Aminata Touré zum Spurwechsel im Asylrecht

Presseinformation

Landtagsfraktion Es gilt das gesprochene Wort! Schleswig-Holstein TOP 23 – Wer Fachkräfte abschiebt, gefährdet Deutschlands Pressesprecherin Zukunft! Claudia Jacob Landeshaus Dazu sagt die migrationspolitische Sprecherin Düsternbrooker Weg 70 der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, 24105 Kiel
Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Aminata Touré: Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 307.18 / 05.09.2018



Spurwechsel im Asylrecht ermöglichen! Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleg*innen, liebe Gäste auf der Tribüne,
wir schreiben das Jahr 2018 und die Bundesregierung schafft es erst jetzt sich ernsthaft mit einem Einwanderungsgesetz auseinanderzusetzen. Ein erster Grüner Entwurf lag bereits 1994 vor. Was ist das eigentlich für ein Zeichen, dass man sich nicht zu der Ge- schichte dieses Landes bekennt und Einwanderung nicht nur als Versehen, sondern auch als gewollt und organisiert versteht?
Ich weiß, einige Debatten brauchen ihre Zeit, gerade in Koalitionen – aber über 20 Jah- re? Während man Asylverschärfungen in Windeseile in Gesetze gießen kann? Das ist politisch gewollt und ein Armutszeugnis. Ich kann den Grundgedanken des SPD- Antrages nachvollziehen, einen Abschiebestopp für Menschen zu fordern, die sich in Ausbildung befinden.
Aber abgesehen davon, dass sich bei den Koalitionspartnern bei dem Wort Abschiebe- stopp die Nackenhaare aufsträuben, bin ich nicht der Meinung, dass es immer die Ant- wort auf die Fragen in der Flüchtlingspolitik sein kann. Natürlich ergibt es Sinn, wenn wir über einen Abschiebestopp in Kriegsgebiete sprechen. Das ist für mich indiskutabel.
Aber wir sprechen immer über diese Instrumente, wenn Gesetze fehlen oder nicht weit- reichend genug formuliert sind. Aber unsere politische Antwort muss mehr sein als die aufschiebende Wirkung. Man muss sich mit der Situation der Menschen auseinander- setzen, die es betrifft. Kinder, die hier verwurzelt sind. Erwachsene, die hier arbeiten und ihren Kindern immer wieder sagen müssen, ja, die nächsten sechs Monate können wir bleiben, danach musst du vielleicht in ein Land, das du noch nie gekannt hast, aber als deine Heimat bezeichnen sollst. Ich kann Ihnen da aus erster Hand sagen, dass ist kein schönes Gefühl und es wird nicht besser, wenn man zwölf Jahre lang in einem sol-
Seite 1 von 3 chen Zustand lebt. Was Menschen brauchen, ist eine Politik, die sich ernsthaft damit auseinandersetzt, wie eine langfristige Lösung aussehen kann.
Und wir haben als Koalition vor der Sommerpause einen Antrag eingebracht zur Ver- besserung von Bleibeperspektiven. Wir sind da politisch nicht inaktiv. Wir wollen ja ge- rade bestehende Regelungen ausweiten und verbessern, damit man Menschen Per- spektiven geben kann. Wir sind als flüchtlingspolitische Sprecher*innen der Koalition in enger Zusammenarbeit mit dem Innenministerium, was wir hier im Land verbessern können, um mehr Menschen ein Bleiberecht zu ermöglichen.
Es leben hier Menschen, die kein Anrecht auf Asyl haben, aber andere Gründe aufwei- sen können, weshalb sie nicht in ihr Herkunftsland zurück können und inzwischen in Deutschland verwurzelt sind. Und man erlebt das ja immer wieder, dass Leute dann immer die Härte des Rechtsstaats einfordern und sagen: „Ja, dann haben die hier nichts zu suchen!“ Das sind dieselben, die meinen, dass sie allein schon durch das Be- nennen des Wortes „Rechtsstaat“ das Recht auf ihrer Seite haben.
Die Definition, die hier aber zu Grunde liegt, ist aber in der Regel die konsequente Ab- schiebung oder Grenzen in Europa dicht machen. Ich halte diese vereinfachte Sicht der Dinge für brandgefährlich. Und es sind oftmals dieselben, die dann Einzelfälle mitbe- kommen und dann rufen: „Mein“ Afghane darf hier keine Ausbildung machen! „Mein“ Flüchtling wird bald abgeschoben. Das kann nicht sein!
Und es macht an der Stelle natürlich deutlich, dass es an Regelungen fehlt, die Perso- nen das Hierbleiben ermöglichen, die versuchen sich einzubringen. Unser Rechtsstaat gilt für alle Bürger*innen. Auch für die ohne deutschen Pass. Umso wichtiger ist es, dass wir nach Lösungen gucken, die auch ihnen helfen. Und da kommt der Spurwech- sel ins Spiel. Warum Menschen nicht ermöglichen, dass sie über die Kriterien des Ein- wanderungsgesetzes bleiben können, selbst wenn sie ursprünglich Asyl beantragt ha- ben. Warum sollten wir das nicht ermöglichen?
Mal ganz offen gesprochen: Man muss sich Rassismus schon auch leisten können. Wenn man allein für Schleswig-Holstein womöglich in zwölf Jahren einen Fachkräfte- mangel von 100.000 Personen verzeichnen kann, dann bin ich gespannt, wie Sie von der AfD Ihr Wahlversprechen „Deutsche Kinder machen wir selbst!“ erfüllen wollen und damit dem Fachkräftemangel entgegenwirken wollen. Ich wünsche Ihnen da eine fröhli- che Vermehrung. Aber selbst wenn Sie da so eifrig wären, müssten Sie immer noch er- klären, wie sie dann mit Zwölfjährigen den Fachkräftemangel auffangen wollen.
Wir brauchen allein schon unseres Wohlstands wegen ein Zuwanderungsgesetz. Aber ich wehre mich gegen eine reine Verwertungslogik. Weil es auch nach Inkrafttreten ei- nes Einwanderungsgesetzes noch Menschen geben wird, die weder einen Anspruch auf Asyl, noch die hohen Kriterien des Einwanderungsgesetzes erfüllen werden.
Deshalb sind wir Grüne der Meinung, dass man sich politisch langfristig mindestens auf drei Aspekte stützen muss: das unbestreitbare Anrecht auf Asyl, ein Einwanderungsge- setz und die Bereitschaft, Kontingente Schutzsuchender aufzunehmen. Gerade jetzt, wo der größte Partner des UNHCRs, die USA, nicht mehr bereit sind, viele Menschen aufzunehmen.
Ich bin froh, dass wir als Koalition alle drei Aspekte politisch unterstützen und dies in Berlin einfordern. Und dort, wo wir es selbst in der Hand haben, wie mit dem humanitä- ren Aufnahmeprogramm für 500 Personen, selbst umsetzen. Ich bitte um Zustimmung
2 zu unserem Antrag. ***



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