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26.09.18
14:08 Uhr
Landtag

Zuwanderungsbeauftragter mahnt Politik zur Umsicht: Abschiebehaft ist keine Lösung

Nr. 150 / 26. September 2018

Zuwanderungsbeauftragter mahnt Politik zur Umsicht: Abschiebehaft ist keine Lösung
Der Landtag hat in der heutigen Plenarsitzung (Mittwoch) über den Regierungsentwurf zur Einrichtung einer Abschiebehaftanstalt in Glückstadt diskutiert. Mit Blick auf die Debatte wies der Beauftragte für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen des Landes Schleswig-Holstein, Stefan Schmidt, darauf hin, dass Abschiebehaft ein schwerer Eingriff in die persönlichen Rechte der Betroffenen sei: „Laut europäischem Recht (EU-AufnahmeRL) darf das nur das letzte Mittel in einer Kette von Instrumenten sein, um Aufenthaltsbeendigungen voranzutreiben.“
„Von den geplanten 60 Haftplätzen sind 20 für Schleswig-Holstein vorgesehen. Das führt dazu bei einem unterstellten Verbleib von zwei Wochen in der Hafteinrichtung zu 520 Haftmöglichkeiten pro Jahr“, rechnete der Beauftragte vor. Würde man von der durchschnittlichen Haftdauer in Rendsburg der Jahre 2012 bis 2014 mit 27 Tagen ausgehen, käme man immer noch auf 270 Haftmöglichkeiten. „Diese hohe Zahl darf nicht dazu führen, dass die Ausländerbehörden oder das Landesamt für Ausländerangelegenheiten nach Fertigstellung der Abschiebehafteinrichtung in Glückstadt inflationär Anträge stellen, Abschiebungshaft anzuordnen oder diese sogar in unzulässiger Weise als getarnte Beuge- beziehungsweise Erzwingungshaft einsetzen“, warnte Schmidt. „Auch wenn Richter und Richterinnen letztendlich über die Haft entscheiden – die Ausländerbehörden haben es in der Hand, wann und wie viele Haftanträge sie stellen wollen.“
Er lehne das Instrument der Abschiebungshaft grundsätzlich ab und halte es für unverhältnis- mäßig, stellte der Zuwanderungsbeauftragte klar. Außerdem wolle er darauf aufmerksam machen, dass es zahlreiche Gründe gebe, warum abgelehnte Asylbewerber vorerst in Deutschland blieben und nicht sofort in ihr Herkunftsland zurückgeführt werden könnten. „Eine Duldung bedeutet zwar grundsätzlich nur eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung, trotzdem stehen bei weitem nicht alle Geduldeten unmittelbar vor einer Aufenthaltsbeendigung“, erklärte Schmidt. Das könne beispielsweise an gesundheitlichen oder familiären Gründen liegen oder an einer begonnenen Berufsausbildung – in etlichen Fällen sei es gerechtfertigt, geduldete Menschen nicht abzuschie- ben, sondern zumindest vorübergehend weiterhin in Schleswig-Holstein leben zu lassen. Er 2

appelliere, diesen Menschen mit ebenso viel Respekt und Wohlwollen zu begegnen wie allen anderen Menschen im Lande, so der Beauftragte. „Egal ob mit humanitärem Aufenthaltstitel, sonstigem Aufenthaltsrecht, oder weil sie Unionsbürger oder deutsche Staatsangehörige sind.“ Besonders wichtig sei aber, dass die Diskussion nicht zur „Kriminalisierung“ der geduldeten Ausländer beitragen dürfe, betonte Schmidt. Die aktuelle Debatte über das Abschiebehaftvollzugs- gesetz solle genutzt werden, um die Erlasslage des Landes zu modifizieren, damit so wenige Haftanträge wie möglich gestellt werden.
Als Beispiel führte der Zuwanderungsbeauftragte auf, dass von Ausländerbehörden in Schleswig- Holstein keine Haftanträge für Minderjährige gestellt werden sollten – unabhängig davon, ob diese Familienangehörige in Deutschland haben oder nicht. „Auch schwangere Frauen ab der zwölften Schwangerschaftswoche und Mütter innerhalb der gesetzlichen Mutterschutzfristen, ebenso wie Alleinerziehende von Kindern, unabhängig vom Alter der Minderjährigen, sollten grundsätzlich nicht inhaftiert werden dürfen.“ Das gelte auch für einzelne Elternteile von Kindern unter zwölf Jahren, selbst wenn sie diese gemeinsam erziehen würden. „Haftanträge bei geduldeten Menschen mit Behinderung von einem Grad von mindestens 50 Prozent und Menschen mit akuten oder chronischen Erkrankungen, die auch auf äußerlich sichtbare Hilfsmittel angewiesen sind, sollten ebenfalls nicht gestellt werden.“
Schmidt wies zudem auf die Alternativen zur Unterbringung in Abschiebungshaft hin. Unter dem Leitgedanken auch der Landesregierung „freiwillige Rückkehr habe Vorrang vor der zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht“ müsse intensiv auf die unabhängige Rückkehrberatung gesetzt werden. Nach seiner Einschätzung sei die unabhängige Rückkehrberatung engagiert, qualitativ hochwertig und sehr erfolgreich dabei, Ausreisepflichtige umfassend zu beraten. „Das führt oft zu freiwilligen und vertretbaren Ausreisen.“