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26.09.18
18:00 Uhr
SSW

Flemming Meyer: Geschlechtliche Selbstbestimmung für alle Menschen verwirklichen

Presseinformation Kiel, den 26.09.2018

Es gilt das gesprochene Wort



Flemming Meyer TOP 15 Geschlechtliche Selbstbestimmung für alle Menschen verwirklichen Drs. 19/929

„Vor dem Hintergrund dieser gemischten Signale wünschen wir uns ein
deutliches Zeichen!“


Für mich ist es nach wie vor besonders wichtig, endlich voranzukommen, wenn es um
die Rechte von transidenten und intersexuellen Menschen geht. Nun dachten wir ja
erst, wir könnten uns freuen, als das Bundesverfassungsgericht mit einem Urteil im
Oktober 2017 so deutlich entschieden hat, dass das Grundgesetz explizit auch die
Rechte derjenigen Menschen schützt, die nicht der Einordnung in ein binäres
Geschlechtersystem entsprechen. Also die sich dauerhaft weder dem männlichen noch
dem weiblichen Geschlecht zuordnen. Wenn nach dem Personenstandsgesetz die
Kategorie „Geschlecht“ erhoben wird, ohne dass ein weiterer positiver 2
Geschlechtseintrag neben männlich und weiblich möglich ist, dann werden damit
Grundrechte verletzt.
Nun hat das Bundeskabinett im August den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
Personenstandsgesetzes beschlossen, der zwar nicht auf die Registrierung des
Geschlechts verzichtet, aber eben auf den ersten Blick Besserung verspricht, indem er
den dritten Eintrag „Divers“ vorsieht. Damit waren ja schon, nach dem ersten öffentlich
gewordenen Referentenentwurfs, der noch „anderes“ als dritte Kategorie vorsah,
Verbesserungen eingeflossen.
Und dann wurde sehr schnell klar, dass bei diesem Gesetz immer noch nicht von
Selbstbestimmung gesprochen werden kann.
Weil es den dritten Eintrag eben nur für diejenigen Personen öffnet, die mit einer
medizinischen Diagnose dokumentieren können, dass bei ihnen eine sogenannte
„Variante der Geschlechtsentwicklung“ vorliegt. Damit hätten wir ein Gesetz, das
körperliche Merkmale wie beispielsweise Hormone oder Chromosome als
ausschlaggebend für die Kategorie Geschlecht festschreibt und eben nicht die
selbstbestimmte Entscheidung der Menschen. Hier wollen wir aber hin. Die
Attestpflicht muss aus dem Gesetz gestrichen werden.



Natürlich ist jeder Eintrag eines Geschlechts bei der Geburt fremdbestimmt. Im Zweifel
entscheiden hier nun einmal die Eltern im Sinne dessen, was sie für richtig halten und
bleiben damit auch einem hohen Druck ausgesetzt, denn sie können auch ein
ungewolltes Outing und damit einhergehende Diskriminierung fürchten. 3
Der SSW schließt sich der Auffassung an, dass dieser Vorgang nicht der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gerecht wird und unterstützt die
Forderung, die Landesregierung möge sich auf Bundesebene für eine bessere Lösung
einsetzen.
Das haben wir in der Vergangenheit auch deutlich gemacht, zuletzt mit dem Beschluss
im Juni-Plenum, sich der Bundesratsinitiative für ein Gesetz zur Anerkennung der
Geschlechtsidentität von Transsexuellen und Intersexuellen Menschen anzuschließen.



Nun ist unser Sozialminister ausgerechnet nicht der, bei dem ich mir Sorgen mache,
dass er sich ziert, sich für die Rechte trans- und intergeschlechtlicher Menschen
einzusetzen. Ich habe seine Wortbeiträge in dieser Hinsicht immer als engagiert und
empathisch empfunden und erinnere mich, wie er sich in der Plenardebatte enttäuscht
über die vorgesehene medizinische Untersuchung zeigte. Und er hatte zugesagt, in den
Gesundheitsausschuss des Bundesrates einen Präzisierungsvorschlag einzubringen,
der vor nicht selbstbestimmten Zuweisungen zum männlichen oder weiblichen
Geschlecht schützen und medizinisch nicht indizierte Operationen an intersexuellen
Kindern verbieten sollte. Das fanden wir richtig.



Aber wir sehen eben auch, dass die Aufnahme der Merkmale "sexuelle und
geschlechtliche Identität" in den Gleichbehandlungsartikel 3 des Grundgesetzes im Juli
vorerst gescheitert ist und es keine Mehrheit für eine Verfassungsänderung gab. Und
wir konnten lesen, dass unser FDP-Sozialminister zwar für Zustimmung geworben hat,
er das CDU-geführte Justizministerium aber nicht überzeugen konnte und letztlich
kein CDU-regiertes Bundesland den Antrag offiziell mitgezeichnet hat. Außerdem 4
scheint die Bundesregierung die Reform des Transsexuellengesetzes weiter
aufzuschieben.



Vor dem Hintergrund dieser gemischten Signale, wünschen wir beim SSW uns ein
erneutes deutliches Zeichen für die Unterstützung all derer, die nicht der Vorstellung
eines binären Geschlechtersystems entsprechen und stimmen mit voller Überzeugung
für den Antrag, die geschlechtliche Selbstbestimmung für alle Menschen zu
verwirklichen.


Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden:
http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html