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28.09.18
10:41 Uhr
B 90/Grüne

Burkhard Peters zur Stärkung des Justizvollzugs

Presseinformation

Landtagsfraktion Es gilt das gesprochene Wort! Schleswig-Holstein TOP 25 – Justizvollzug den Rücken stärken, menschenwürdi- Pressesprecherin gen Strafvollzug sichern Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 Dazu sagt der innen- und rechtspolitische Sprecher der 24105 Kiel Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Burkhard Peters: Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 358.18 / 28.09.2018


In den Justizvollzugsanstalten wird gesellschaftlich notwendige und wertvolle Arbeit geleistet
Der vorliegende Antrag der AfD ist kalter Kaffee. Es reicht nicht, einmal kurz mit dem Petiti- onsausschuss eine Stippvisite in einer Justizvollzugsanstalt zu machen und dann unbe- schwert von Detailkenntnissen ein paar wohlfeile Sätze rauszuhauen.
Die geforderte Anhebung im Eingangsamt für den allgemeinen Vollzugsdienst auf A8 gilt bereits seit 2017. Weitere Verbesserungen in der Besoldungsstruktur laufen derzeit. Die Personalbedarfsanalyse wurde am 17.11.2017 hier beschlossen und ist im vollen Gange. Ein solches Vorhaben macht man angesichts der hochkomplexen Struktur unserer Gefäng- nislandschaft nicht mal auf die Schnelle nebenbei.
Es ist bekannt, dass die Betreuung psychisch kranker Strafgefangener eine große Baustelle ist und wir auf Dauer eine stationäre Einrichtung für diese wachsende Klientel innerhalb ei- ner Justizvollzugsanstalt brauchen. Zurzeit werden in mehreren Anstalten zumindest weite- re sozialtherapeutische Abteilungen aufgebaut. Um den personellen Bewachungsaufwand bei der stationären Behandlung außerhalb der Justizvollzugsanstalt zu minimieren, ist aller- dings eine psychiatrische Abteilung innerhalb einer Justizvollzugsanstalt im Lande erstre- benswert.
Die Verbesserung der sportlichen Angebote in den Justizvollzugsanstalten ist von der Ja- maika-Koalition schon längst angegangen worden. 500.000 Euro werden wir im kommen- den Jahr über Impuls den Vollzugsanstalten für neue Sportgeräte, aber auch für mentale Trainingsgeräte wie die sogenannte „Memore Box“ zur Verfügung stellen.
Der AfD-Antrag hinkt also in allen Punkten den Entwicklungen hinterher. Der Alternativan- trag greift dagegen ein wirklich drängendes Problem auf. Wie schaffen wir es, genügend
Seite 1 von 2 Menschen dazu zu bringen, sich für den anspruchsvollen, manchmal gefährlichen und da- bei wenig angesehenen aber gesellschaftlich wichtigen Job in den Strafvollzugsanstalten zu entscheiden? Dazu hatte ich schon in meiner Rede zur Personalbedarfsanalyse vor zehn Monaten einiges grundsätzliches gesagt.
Die Anforderungen an die im Justizvollzug Beschäftigten sind ebenso widersprüchlich wie komplex. Einerseits ist das Personal einer Justizvollzugsanstalt dienstlich beauftragt, den Inhaftierten ein staatlich dosiertes Übel in Form der Freiheitsstrafe angedeihen zu lassen. Sie müssen also gesetzlich legitimierte Freiheitsberaubung praktizieren. Gleichzeitig sollen alle Bediensteten den Behandlungsvollzug und das Ziel der Resozialisierung umsetzen. Al- so eine Rolle einnehmen, bei der Zuwendung, Freundlichkeit und Achtsamkeit gefragt sind, um die bei den einzelnen Gefangenen vorhandenen Ressourcen für ein straffreies Leben zu erkennen, abzurufen und zu fördern. Schon dieser Spagat ist alles andere als einfach.
Hinzu kommt, dass die Menschen, mit denen die Beschäftigten der Justizvollzugsanstalt tagtäglich konfrontiert sind, meist kompliziert und oft gewalterfahren sind. Es gibt hochprob- lematische Subkulturen und Hierarchien unter den Inhaftierten. Der Anteil psychisch auffäl- liger, ja kranker Gefangener ist zunehmend hoch. Alle Bediensteten einer Justizvollzugsan- stalt brauchen daher auf der einen Seite ein hohes Maß an Toleranz und auf der anderen Seite ein großes Fingerspitzengefühl im Umgang mit Menschen.
Ein Drittes kommt hinzu: Die Justizvollzugsanstalt ist ein hinter hohen Mauern versteckter, geradezu verdrängter Ort. Wenn es überhaupt Nachrichten aus Gefängnissen gibt, sind es in aller Regel schlechte. Über Ausbrüche, Drogenmissbrauch, Gewalt oder Suizide. Eine positive Konnotation gibt es nicht. Gleichzeitig ist der „Knast“ Objekt von Fehlvorstellungen in der Gesellschaft. Das Stigma eines gesellschaftlich geächteten Ortes färbt ab auf die Menschen, die beruflich in diesem Feld unterwegs sind.
Wenn wir für dieses Berufsfeld auf dem zunehmend leergefegten Arbeitsmarkt ausreichend viele Interessent*innen finden wollen, müssen wir dort zu allererst Arbeits- und Sozialbedin- gungen bieten, unter denen die Beschäftigten die ihnen aufgebürdeten Anforderungen erfül- len können, ohne selbst Schaden zu nehmen. Daran arbeiten wir ständig.
Aber wir brauchen vor allem Menschen mit Lebenserfahrung, die auch persönlich so gefes- tigt sind, dass sie sich in diesem denkbar problembehafteten Berufsfeld behaupten können. Sie müssen nicht nur hervorragend ausgebildet werden, sondern wir brauchen Menschen, die neugierig auf den Job sind, sozial kompetent und mitfühlend, dazu auch körperlich fit.
Solche Menschen wachsen nicht an Bäumen. Um sie zu gewinnen, müssen wir unbedingt die Öffentlichkeit über die anspruchsvolle Arbeit in einer modernen Strafvollzugsanstalt mehr informieren und sensibilisieren. Wir brauchen eine Imagekampagne für den modernen Strafvollzug und für die in diesem Berufsfeld tätigen Menschen. Wir müssen viel mehr als bisher damit werben, dass eine Justizvollzugsanstalt ein Ort ist, an dem eine anspruchsvol- le, befriedigende, gesellschaftlich äußerst notwendige und wertvolle Arbeit geleistet wird. Denn wir wollen dort keine „Schließer“, sondern engagierte soziale Entwicklungshel- fer*innen.
Zum Schluss noch eine Klarstellung: Wir haben zurzeit 903 Vollzugsbedienstete im Land. Fünf Stellen kommen nächstes Jahr hinzu. Die Gefangenenzahl liegt bei ungefähr 1.120. Das ist ein Betreuungsschlüssel von 1,24. Damit stehen wir im Bundesvergleich äußerst gut da. Unter diesen Umständen sehe ich wenig Veranlassung, wegen angeblichem Personal- mangel essentielle Verbesserungen durch unser Landesstrafvollzugsgesetz zurückzuneh- men. Über einige Details lässt sich reden, aber im Kern ist das Gesetz hervorragend. ***
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