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07.11.18
15:38 Uhr
SPD

Kathrin Wagner-Bockey zu TOP 9: Wir brauchen eine differenzierte Debatte, wenn es um den Einsatz von Elektroschockgeräten geht

Es gilt das gesprochene Wort!


Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden:
http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

Kiel, 7. November 2018



TOP 9: Änderung des Allgemeinen Verwaltungsgesetzes (19/1000)



Kathrin Wagner-Bockey:
Wir brauchen eine differenzierte Debatte, wenn es um den Einsatz von Elektroschockgeräten geht

Es gibt eine Tendenz in unserer Gesellschaft, bei unterschiedlichsten Themen in hohe Begeisterung oder tiefe Ablehnung zu verfallen. Zwischentöne zu hören, ist in der heutigen Zeit etwas unmodern geworden. Es scheint zwischen Fluch oder Segen häufig nichts mehr zu geben. Wenn es um das sogenannte DistanzElektroImpulsGerät (DEIG) und die Einführung bei der Polizei geht, so wird hier stellenweise der Eindruck erweckt, dass alle Beamten der Republik schon immer auf diese tolle Waffe, - denn nichts anderes als eine Waffe ist es - gewartet haben. Dem ist aber nicht so, denn in meinen zahlreichen Gesprächen mit Polizisten gab es durchaus nachdenkliche Stimmen zu diesem Thema. Die angebliche Begeisterung ist nicht überall zu spüren, die Suche nach dem richtigen Weg schon. Die Funktionsweise des DEIG ist von meinen Vorrednern bereits dargestellt worden. Die Begeisterung für dieses Gerät ist deutlich, öffentlich wird das DEIG fast schon als menschenfreundliche Wunderwaffe gehypt. Man könnte den Eindruck gewinnen, den Kolleg*innen sei die Erleichterung ins Gesicht geschrieben „nun endlich nicht mehr töten zu müssen“! So einfach ist es aber nicht!
Es ist unstrittig: Es gibt eine Lücke zwischen den Einsatzmitteln Mehrzweckstock und Reizstoffsprühgerät einerseits und der Schusswaffe. Heute ist es so, dass Sie als Polizist*in in 2



eine Situation kommen können, von der Sie annehmen müssen, dass Leib oder Leben gefährdet sind. Wenn Schlagstock und RSG keinen Erfolg versprechen, haben Sie das Recht/die Pflicht, zu schießen. Das sogenannte Auswahlermessen reduziert sich gegen „Null“. Das ändert sich, je mehr Handlungsoptionen zur Verfügung stehen. Mit dem DEIG käme eine weitere Waffe hinzu und das bedeutet, in einer extremen Stresssituation zu prüfen, ob es ein geringeres, milderes Mittel gibt. Es ist eine Entscheidung mehr, die in Zehntelsekunden getroffen werden muss. Um es auf den Punkt zu bringen: Es gibt Einsätze, bei denen die Anwendung eines DEIG die Lage in der Tat bereinigt. Dann ist alles gut. Es wird Einsätze geben, bei denen das DEIG eingesetzt wird, aber am Ende, aus welchen Gründen auch immer, der Schusswaffeneinsatz steht. Was ist mit Einsätzen, bei denen der eine Kollege schießt, der andere gleichzeitig das DEIG verwendet? Hat der Beamte mit Schusswaffengebrauch dann automatisch rechtlich falsch gehandelt? Vom warmen Schreibtisch aus zu beurteilen, ob ein Auswahlermessen richtig angewendet wurde, ist relativ einfach. In der Hektik eines unübersichtlichen Einsatzes ist es deutlich schwieriger. Es wird belastender für die, die tatsächlich dann doch schießen mussten. Es käme zu psychischen Belastungen bei denen, die das DEIG in einer gefährlichen Situation nicht erfolgreich nutzen konnten, die vielleicht sogar darauf angewiesen waren dass der Kollege / die Kollegin schießt.
Deshalb kann ich die Behauptung, das DEIG führe zur moralischen bzw. psychologischen Entlastung von Polizisten, nicht gelten lassen. Verstehen Sie mich nicht falsch: Das bedeutet nicht automatisch, dass die Einführung eines DEIG ein Fehler sein muss. Aber ich verwehre mich gegen den Druck, der öffentlich aufgebaut wird. Dieses Einsatzmittel für die Polizei ist kein Heilsbringer. Insofern ist der offene Brief der GdP von heute Morgen eine gute Ergänzung einer differenzierten Debatte.
Lassen Sie mich zum Schluss folgendes anmerken: Ich sehe die Behauptung, dass Elektroschockgeräte deeskalierend wirken, kritisch. Derjenige, dem der Gebrauch eines DEIG angedroht wird und der sich davon beeindrucken lässt, der hätte möglicherweise genauso auf die Androhung eines Schusswaffengebrauchs reagiert. Hier einen Nachweis zu führen, ist nahezu unmöglich.
Wir lehnen die Einführung des DEIG nicht kategorisch ab. Nur muss auch klar sein, dass die Ausbildung an diesem Gerät im praktischen wie theoretischen Sinne aufwändig sein wird und gründlich für ALLE Einsatzkräfte erfolgen muss, wenn die DEIG nicht Spezialkräften vorbehalten sein sollen.