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16.05.19
10:34 Uhr
B 90/Grüne

Bernd Voß zu Missständen in der Paketbranche

Presseinformation

Landtagsfraktion Es gilt das gesprochene Wort! Schleswig-Holstein TOP 27 – Missstände in der Paketbranche beseitigen Pressesprecherin Claudia Jacob Dazu sagt der wirtschaftspolitische Sprecher der Landeshaus Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Bernd Voß: Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 211.19 / 16.05.2019


Das Umgehen gesetzlicher Vorgaben ist Gift für eine soziale Marktwirtschaft
Sehr geehrte Damen und Herren,
es gibt auch in Schleswig-Holstein prekäre Arbeitsverhältnisse, und das nicht nur bei den Paketbot*innen, sondern auch in anderen Branchen, wie der Fleischindustrie, den Werften, in der Logistikbranche, der Saisongastronomie oder bei den Erntehelfer*innen.
Nach wie vor finden sich immer wieder Schlupflöcher für prekäre Beschäftigungsver- hältnisse. Viele von diesen Arbeitenden kommen aus den europäischen, insbesondere dem osteuropäischen EU-Mitgliedsländern zu uns. Die Entsenderichtlinie und ihre Um- setzung sind kein vollständiger Garant für gerechte Lebensbedingungen. Welche Fol- gen diese Arbeitsmigration für die Familien hat und was das für die sozialen und wirt- schaftlichen Strukturen bedeutet, hat der Ausschuss des Landtages vor einigen Jahren am Beispiel Lettland vor Ort erfahren.
In einem EU-Mitgliedsland wie Rumänien sind bis zu fünf Millionen der 22 Millionen Einwohner*innen ganz oder zeitweise als Wanderarbeiter*innen im europäischen Aus- land. In der Folge gibt es dort unter anderem 300.000 Arbeits-Vollweisen. Selbst wenn eine faire Bezahlung durch den landesüblichen Mindestlohn über die EU-Richtlinie ga- rantiert ist, wird das Einkommen der Arbeiter*innen hier oft durch zum Beispiel unan- gemessene Nebenkosten oder unbezahlte Überstunden geschmälert.
Ein Aufenthalt in einem anderen Land unter drei Tagen gilt nicht als Entsendung, da fährt ein LKW über Nacht schon mal gern über die Grenze ins Nachbarland zum Schla- fen und fährt am nächsten Tag zurück, um hier weiter zu arbeiten. Hinzu kommt, dass
Seite 1 von 2 die Umsetzung der Entsenderichtlinie von der zuständigen Fachbehörde, dem Zoll, als schwer praktikabel angesehen wird. Ob es das richtige Papier, beispielsweise aus Ru- mänien, ist, lässt sich hier manchmal schlecht ermitteln. Und eine schnelle Kooperation mit regionalen Behörden in Osteuropa gestaltet sich besonders durch Sprachbarrieren häufig schwierig – allein in der EU gibt es 24 Sprachen. „Faire Mobilität“ ist ein wertvol- les Informationsangebot in der jeweiligen Muttersprache für Mitarbeiter *innen aus EU- Ländern. Es wird von der jetzigen ebenso wie von der vorherigen Landesregierung un- terstützt.
Von den schwierigen Bedingungen im Niedriglohnsektor sind natürlich nicht nur Men- schen aus anderen Ländern betroffen. Im Postkurier und Express- Dienstleistungsbereich in Schleswig-Holstein sind nur 31 Prozent der Beschäftigten so- zialversicherte Vollzeitkräfte, 24 Prozent sozialversicherte Teilzeitler*innen, 31 Prozent machen das als Minijob und 14 Prozent als Minijob im Nebenjob.
Um wie viele Arbeitnehmer*innen es sich aber wirklich handelt, darüber gibt es keine genauen Zahlen, denn die Selbstständigen sind nicht erfasst. Denn genau so funktio- niert ja das Prinzip: Es werden Werksverträge vergeben und wie diese wiederum erfüllt werden, verschwimmt. Jüngste Kontrollen in Niedersachsen bestätigen den Handlungs- bedarf. Die Hauptzollämter in Schleswig-Holstein, Lübeck und Kiel, klagen über Perso- nalmangel. Die vorgeschriebenen Kontrollen über die Einhaltung sozialversicherungs- rechtlicher Verpflichtungen erfolgen meist risikoorientiert, das heißt nach Branchen, die besonders betroffen sind. Oder eben auf Grund von Hinweisen.
Schleswig-Holstein will mit dieser Regierung das mittelstandsfreundlichste Bundesland werden. Es darf nicht sein, dass fair wirtschaftende kleine und mittelständische Unter- nehmen am Markt Nachteile haben, weil große Konzerne ihre Verantwortung an Subun- ternehmen abgeben, die ihrerseits das wieder weitergeben und die auch wieder und so weiter. Das sind keine legalen Praktiken. Und dagegen müssen wir gesetzlich vorgehen können. Die Nachunternehmerhaftung nimmt insbesondere die großen Player in die di- rekte Mitverantwortung. Sie erleichtert und verkürzt die behördlichen Kontrollen.
In der Baubranche gibt es eine Nachunternehmerhaftung für Sozialversicherungsbeiträ- ge bereits seit 2002, die Fleischwirtschaft hat 2018 nachgezogen. Die Große Koalition in der Bundesregierung hat im Koalitionsausschuss beschlossen, die gesetzliche Vo- raussetzung für die Nachunternehmerhaftung auch für die Zusteller*innen-Branche auf den Weg zu bringen. Das ist aus unserer Sicht eine richtige und gute Entscheidung.
Wir können in unserer sozialen Marktwirtschaft nicht hinnehmen, dass sogar namhafte Unternehmen Schlupflöcher suchen und nutzen, um die gesetzlichen Vorgaben zu um- gehen. Das ist Gift für eine soziale Marktwirtschaft.
Wir bitten um Überweisung beider Anträge in den Wirtschaftsausschuss.
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