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13.06.19
10:45 Uhr
Landtag

Tätigkeitsbericht der Bürgerbeauftragten für das Jahr 2018: Inklusion und Digitalisierung in der Schule, Entlastungsbetrag in der Pflege und Rückforderungen beim Kindergeld im Fokus

Nr. 12 / 13. Juni 2019

Tätigkeitsbericht der Bürgerbeauftragten für das Jahr 2018: Inklusion und Digitalisierung in der Schule, Entlastungsbetrag in der Pflege und Rückforderungen beim Kindergeld im Fokus
Die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein, Samiah El Samadoni, hat heute (Donnerstag) ihren Tätigkeitsbericht für das Jahr 2018 vorgestellt. Allein im Jahr des 30jährigen Bestehens des Amtes wurden 3.272 Petitionen eingereicht. Somit wurden von 1988 bis Ende des Jahres 2018 insgesamt 83.672 Petitionen an die Bürgerbeauftragte gerichtet. „Diese Zahl zeigt auf, dass es noch immer viele Beschwerden gegen Sozialbehörden und Bedarf der Menschen für Unterstützung, Beratung und Information gibt“, erklärte El Samadoni auf der Landespresskonferenz. „Der zahlenmäßige Schwerpunkt liegt wie bisher im Bereich Hartz IV mit 814 Petitionen und der Gesetzlichen Krankenversicherung mit 543 Petitionen.“
Die bekannten Probleme lagen bei Hartz IV in der Bearbeitungsdauer, den unübersichtlichen und nicht nachvollziehbaren Bescheiden sowie u.a. bei den Kosten der Unterkunft und Heizung. Die Petitionen zur Gesetzlichen Krankenversicherung betrafen häufig Beitragsrückstände, die Notversorgung, Fragen zum Krankengeld und den Zugang zur Krankenversicherung.
Bei der Inklusion in der Schule fiel zunehmend auf, dass Kinder mit erheblichen Autismus- Spektrum-Störungen in der Schule ins Hintertreffen geraten. Die Kinder und Jugendlichen können wegen ihrer stark ausgeprägten seelischen Behinderung manchmal anfänglich nicht inklusiv beschult werden. Auch an für Autismus qualifizierten Schulbegleitungen fehlt es. „So müssen Beschulungsversuche immer wieder abgebrochen werden. Die Kinder erleben Gefühle des Versagens, der Ablehnung und der Hilflosigkeit. Die Gefahr besteht, dass diese Situation zur Schulverweigerung führt“, so El Samadoni. Nach Auffassung der Bürgerbeauftragten ist das öffentliche Schulsystem strukturell für eine Beschulung dieser Kinder nicht gut aufgestellt: „Es kommt immer wieder zum Systemversagen.“ Alternative Beschulungsmöglichkeiten durch Internate, private Träger oder auch eine Web-Beschulung werden dann wegen der Kosten häufig nicht von der Jugendhilfe übernommen. „Wir erleben manchmal, dass diese Kinder über längere Zeiträume, teilweise Monate, nicht beschult werden. Das ist nicht hinnehmbar! Die Schulen müssen hier besser aufgestellt werden, es braucht unter Umständen ergänzende Strukturen für 2

diese Kinder, um sie an eine inklusive Beschulung heranzuführen“, fordert die Bürgerbeauftragte. „Und letztlich muss den Jugendämtern klar sein: Bei einem Systemversagen der Schule sind diese verpflichtet, Teilhabe an Schule auch über alternative Angebote zu gewährleisten. Das muss in einigen Kreisen und kreisfreien Städten deutlich besser werden.“
Ein großes Problem für einkommensschwache Familien, die keinen Computer zuhause haben, war die Digitalisierung im Bildungsbereich. „Ein Computer muss für die Schulkinder zur Verfügung stehen, damit diese an Schule teilhaben können - es werden z.B. Hausaufgaben, Vorträge, Recherche oder auch organisatorische Dinge wie Elternabende oder Mitteilungen über Unterrichtsausfall nur noch digital abgewickelt“, berichtete Samiah El Samadoni. Da das Bildungs- und Teilhabepaket im SGB II hier keine Unterstützung vorsieht, werden die Kinder regelrecht abgehängt. Aus Sicht der Bürgerbeauftragten sollte daher eine Regelung im SGB II geschaffen werden, die im Rahmen einer „Erstausstattung Schule“ die Kostenübernahme für ein angemessenes digitales Endgerät vorsieht.
Ein Thema war im Berichtszeitraum auch der Entlastungsbetrag in der Pflege. Der Entlastungsbetrag in Höhe von 125 € monatlich dient dazu, Unterstützungsleistungen für Pflegebedürftige zu bezahlen, die bei der selbständigen und selbstbestimmten Gestaltung des Alltags helfen (§ 45 SGB XI). Das ist z.B. die Haushaltshilfe, die putzt, einkauft und kocht. Der Entlastungsbetrag kann aber nur eingesetzt werden, wenn eine Anerkennung des Angebots bzw. der hilfeleistenden Person nach Landesrecht vorliegt. Die Anforderungen, die das Landesrecht für eine Anerkennung stellt, sind allerdings sehr hoch: Haushaltshilfen müssen einen Lehrgang von 120 Stunden à 45 Minuten absolviert haben, damit der Entlastungsbetrag eingesetzt werden kann. „Die Nutzung des Entlastungsbetrags scheitert häufig an dieser Barriere“, so El Samadoni. Die Bürgerbeauftragte regt an, auf Landesebene die Alltagsförderungsverordnung zu überarbeiten und die Anforderungen für Haushaltshilfen abzusenken.
Zuletzt wies die Bürgerbeauftragte auf problematische Entwicklungen für Bezieher*innen von Leistungen nach dem SGB II und SGB XII bei Rückforderungen von Kindergeld hin: „Es gibt hier oft eine doppelte Bestrafung: Neben dem steuerstrafrechtlichen Verfahren sind auch die fälschlicherweise ‚überzahlten‘ Beträge zurück zu gewähren.“ In einem Beispielsfall musste eine Leistungsempfängerin, deren Kinder vom Vater ins Ausland entführt worden waren, über 26.000 € Kindergeld „zurückzahlen“, obwohl sie diesen Betrag nicht zusätzlich bekommen hatte, sondern dieser über einen Zeitraum von 6 Jahren auf den eigenen Leistungsanspruch angerechnet worden war. Die Frau hatte irrtümlicherweise nur das Jobcenter informiert und nicht die Familienkasse. Wenn die überzahlten Beträge aber auf die Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII angerechnet werden, erfolgt keinerlei Bereicherung der Betroffenen: Fällt das Kindergeld weg, dann wird die Leistung nach dem SGB II (oder SGB XII) automatisch erhöht. Dem Staat entsteht also kein finanzieller Schaden. Aus Sicht der Bürgerbeauftragten muss es in diesen Fällen einen Ausgleichsanspruch zwischen den Behörden geben oder es sollte auf eine Rückforderung verzichtet werden.