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20.06.19
12:08 Uhr
FDP

Kay Richert zu TOP 22 "Tarifautonomie stärken"

Presseinformation Sperrfrist Redebeginn! Es gilt das gesprochene Wort Christopher Vogt, MdL Vorsitzender Anita Klahn, MdL Stellvertretende Vorsitzende Oliver Kumbartzky, MdL Parlamentarischer Geschäftsführer
Nr. 249/2019 Kiel, Donnerstag, 20. Juni 2019
Arbeitsmarkt/Tarifautonomie stär- ken



www.fdp-fraktion-sh.de Kay Richert zu TOP 22 „Tarifautonomie stärken“ In seiner Rede zu TOP 22 (Tarifautonomie stärken) erklärt der arbeitsmarkt- politische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Kay Richert:
„In den ersten 20 Artikeln des Grundgesetzes stehen die Bürger- und die Menschenrechte, sie bilden quasi die Wertegrundlage unserer freiheitlichen Gesellschaft. Da stehen viele wichtige Sachen drin, ohne die wir uns unsere Gesellschaft gar nicht vorstellen können: Freizügigkeit, Berufsfreiheit, Ver- sammlungsfreiheit, Religionsfreiheit, das Recht auf freie Entfaltung und kör- perliche Unversehrtheit. Bei all diesen Rechten geht das Grundgesetz davon aus, dass der Bürger selbst entscheiden kann und soll, wo er wohnen, mit wem er sich treffen, was er sagen und wie er selig werden will.
Artikel 9 GG garantiert die Vereinigungsfreiheit. Jede und jeder Deutsche hat das Recht, mit anderen eine Gesellschaft oder eine Vereinigung zu gründen – oder sich auch dagegen zu entscheiden. Der Staat darf hier nur unter ganz restriktiven Bedingungen mitmischen. Eine besondere Form der Vereinigungsfreiheit ist in Absatz 3 normiert, das ist die Tarifautonomie. Und auch hier soll ausdrücklich ‚jedermann‘ entscheiden; oder anders: der Staat soll die Finger von der Tarifautonomie lassen. Das Prinzip der Tarifau- tonomie hat Deutschland sehr gut getan. Starke Gewerkschaften und Ar- beitgeber konnten flexibel agieren, konnten auf Besonderheiten reagieren und so das Beste für Unternehmen und Beschäftigte herausholen. Die Inte- ressen beider Seiten wurden abgewogen, keine Seite kam zu kurz, niemand konnte die Überhand gewinnen. Große Ungerechtigkeiten konnten so nicht passieren. Die Tarifautonomie war einer der Motoren des Wirtschaftswun- ders und ist über all die Jahre wichtig geblieben für den großen Erfolg unse- rer Unternehmen.
Damit dieses gute System funktioniert, sind starke Gewerkschaften erfor- derlich. Und da haben Sie ja einen richtigen Punkt aufgegriffen: Seit den 1990er Jahren ist die Bindung an Gewerkschaften kontinuierlich zurückge- gangen. Ich unterstütze Ihren Gedanken, die Arbeits- und Wirtschaftskoali- Eva Grimminger, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de tionen zu stärken. Aber ich bezweifle, dass Ihr Weg der richtige ist. Es gibt anerkanntermaßen zwei Parameter, die eventuell die Relevanz tariflicher Bindung erhöhen könnten. Zum einen ist das die Stärkung des Tarifvertrags als Institut. Das könnte beispielsweise erreicht werden durch die Senkung der Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträ- gen oder die Möglichkeit, branchenspezifische Standards zu bestimmen und verbindlich zu machen. Genau das unterstützen Sie in Ihrem Antrag. Genau das ist 2014 mit dem Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie und durch Änderung des Tarifvertragsgesetzes auch schon passiert. Können Sie fest- stellen, dass diese Veränderungen den erwünschten Erfolg gebracht haben? Ihre Antwort kann nur ‚nein‘ sein. Und da frage ich mich, warum Sie glau- ben, eine Wiederholung der Fehler von 2014 würde jetzt irgendwelche Ver- besserungen bringen.
Die zweite Möglichkeit ist: Die Tarifpartner müssen wieder mehr Mitglieder gewinnen, sie müssen wieder eine relevante Größe erreichen. In meinen Augen kann nur das der Schlüssel sein, denn: Tarifverträge müssen auch le- gitimiert sein. Und legitimiert werden Tarifverträge dadurch, dass sie von al- len, zumindest aber von der Mehrzahl der Vertragspartner geschlossen wer- den. Oder anders ausgedrückt: Dass sie von Verbänden geschlossen wur- den, die die Mehrzahl der Arbeitnehmer und Arbeitgeber als Mitglieder ver- treten. Die Gewerkschaften müssen sich hier fragen, warum sie nicht mehr attraktiv für die Arbeitnehmer sind. Warum sind Männer mehr organisiert, Frauen weniger? Warum sind Ältere mehr organisiert, Jüngere weniger? Wa- rum organisieren sich Teilzeitbeschäftigte nicht? Warum glauben die Arbeit- nehmer, dass Gewerkschaften ihre Probleme nicht lösen? Diese Hausaufga- ben können wir den Gewerkschaften nicht abnehmen. Und ich finde es ebenfalls nicht richtig, die schwindende Legitimation aufgrund schwinden- der Mitgliederzahlen durch Verstaatlichung des Tarifgeschehens zu kom- pensieren.
Die Koalitionsfreiheit – auch im Bereich der Tarifautonomie – funktioniert in beide Richtungen: Man darf sich dafür entscheiden, sich zu organisieren. Man darf sich aber auch dafür entscheiden, sich nicht zu organisieren. Die Entscheidung vieler Arbeitnehmer, sich keiner Gewerkschaft anzuschließen, darf nicht durch staatlichen Druck ausgehebelt werden – Arbeitnehmer müssen einen Sinn darin sehen, einer Gewerkschaft beizutreten. Was ist mit dem Bereich des anderen Sozialpartners, dem Arbeitgeber? Arbeitgeber können Mitglieder eines Arbeitgeberverbandes sein und sich trotzdem ohne Tarifbindung stellen lassen. Das heißt, sie schließen die Anwendung der Ta- rifverträge dieses Verbandes aus. Man kann sicherlich darüber streiten, ob das dem Sinn der Tarifpartnerschaft entspricht. Ansonsten gilt heute wie vor hundert Jahren: Der Organisationsgrad der Arbeitgeber folgt dem der Arbeitnehmer oder mit anderen Worten: Starke Gewerkschaften erzeugen zwangsläufig mehr Mitglieder in den Arbeitgeberverbänden.
Der Beschluss 212/19 des Bundesrats schlägt die Betrachtung mehrerer Handlungsansätze vor, um eine Stärkung der tariflichen Ordnung unter Wahrung der Tarifautonomie zu erreichen; unter anderem sind dies die Ver- besserung der Rahmenbedingungen des Verfahrens zur Allgemeinverbindli- cherklärung von Tarifverträgen oder die Sicherung der Datenlage in Bezug auf die sogenannte ‚überwiegende Bedeutung‘ eines Tarifvertrags. Wir von der FDP unterstützen die Zielsetzung dieses Beschlusses ebenso wie das Eva Grimminger, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de Ziel, die Tarifautonomie zu stärken. Im Einzelnen bin ich auf die Ergebnisse und Vorschläge gespannt.
In Ihrer Begründung beziehen Sie sich auf aktuelle Studien der Hans- Böckler-Stiftung; ich nehme an, sie meinen damit den Aufsatz von Martin Franzen aus 2018. Der macht dort ziemlich revolutionäre, aber auch ambi- valente steuerrechtliche Vorschläge. Aber er sagt auch: ‚Die Tarifautonomie ist eine staatsferne Veranstaltung und lebt von der Selbsthilfe der Betroffe- nen.‘ Genau so ist es.“



Eva Grimminger, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de