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05.12.19
11:07 Uhr
Landtag

Bericht der Antidiskriminierungsstelle: Benachteiligungen wegen Behinderung, ethnischer Herkunft und Geschlecht im Fokus

Sperrfrist 10.00 Uhr Nr. 39 / 5. Dezember 2019

Bericht der Antidiskriminierungsstelle: Benachteiligungen wegen Behinderung, ethnischer Herkunft und Geschlecht im Fokus
Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Landes Schleswig-Holstein, Samiah El Samadoni, hat heute ihren Tätigkeitsbericht für die Jahre 2017 und 2018 vorgestellt. „Während im Arbeitsleben wieder Benachteiligungen wegen einer Behinderung und des Geschlechts den Schwerpunkt bildeten, war die Diskriminierung im Alltag aufgrund einer Behinderung oder der ethnischen Herkunft das Hauptberatungsfeld“, resümierte El Samadoni. Die Anzahl an Beratungsfällen stieg im Vergleich zu den vorherigen Berichtszeiträumen von 139 Fällen (2013/2014) und 325 Fällen (2015/2016) auf 341 Eingaben (2017/2018). Insgesamt wurden damit seit dem Bestehen der Antidiskriminierungsstelle bis zum 31. Dezember 2018 805 Fälle bearbeitet.
Wie bereits in den Vorjahren mussten Menschen mit Behinderung bei Bewerbungen oft gegen Vorurteile bezüglich ihrer Leistungsfähigkeit oder schlicht gegen rechtswidrige Verfahrensabläufe kämpfen. „Die Einladungspflicht von öffentlichen Arbeitgeber*innen nach § 165 S. 3 SGB IX wird bei Stellenausschreibungen immer noch nicht verlässlich beachtet“, führte El Samadoni aus. So wurde einem Bewerber mit Behinderung, der alle Voraussetzungen der Ausschreibung erfüllte, mitgeteilt, dass er für die zu besetzende Stelle „offensichtlich nicht geeignet“ sei. „Hier müssen sich öffentliche Arbeitgeber*innen nicht nur ihrer gesetzlichen Verpflichtung, sondern auch ihrer Vorbildfunktion bewusst werden!“ forderte die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle.
Bei den Eingaben im Arbeitsleben, bei denen das Geschlecht eine Rolle gespielt hat, waren in erster Linie Frauen während der Schwangerschaft oder in der Elternzeit Betroffene von Benachteiligungen. Darüber hinaus wurden auch geschlechtsneutrale Ausschreibungen und auch der Umgang mit trans*- und inter*geschlechtlichen Menschen thematisiert.
Bei den sog. Massengeschäften des Alltags schilderten Menschen mit einer Behinderung Probleme z. B. bei der Nutzung des ÖPNV, bei Serviceleistungen durch Banken, aber auch die fehlende Barrierefreiheit bei Veranstaltungen. Hier wurde insbesondere der schlechte Umgang mit Assistenzhunden gerügt – mehrfach wurde Menschen mit Behinderung wegen ihres Assistenzhundes der Zutritt z. B. zum Restaurant, Kino oder Museum verweigert. Häufig waren Wissensdefizite der Betreiber*innen oder des Personals für den falschen Umgang mit dieser 2

Situation ursächlich. Die Antidiskriminierungsstelle konnte immer wieder erreichen, dass letztlich Zugang gewährt wurde.
Bürger*innen, die sich wegen ihrer ethnischen Herkunft im Alltag diskriminiert sahen, schilderten in der Regel Benachteiligungen bei Diskothekenbesuchen oder der Nutzung von Fitnessstudios sowie der Suche nach Wohnraum.
Ganz besonders Geflüchtete mit befristetem Aufenthaltstitel wurden mit Problemen bei der Anmietung von Wohnraum konfrontiert: Viele Vermieter*innen wollten ihre Objekte nur an Personen mit unbefristeten Aufenthaltstiteln vermieten und lehnten diese Wohnungssuchenden deshalb als Mieter*innen ab. So wurde zum Beispiel einer Geflüchteten aus dem Iran, die sogar einen solventen Bürgen beibrachte, letztlich unter Hinweis auf ihren lediglich befristeten Status von einem Unternehmen der Abschluss eines Mietvertrages verweigert.
Immobilienunternehmen argumentierten wiederholt damit, dass durch ausländerrechtliche Maßnahmen - wie kurzfristige Ausweisungen der Mieter*innen - gegebenenfalls finanzielle Einbußen entstehen könnten oder dass durch häufige Neuvermietungen erhebliche Renovierungs- und Verwaltungskosten entstünden. „Unberücksichtigt ist hierbei die Tatsache, dass es selbstverständlich bei allen Mieter*innen vorkommen kann, dass diese umziehen oder auch Miete schuldig bleiben“, erklärte die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle. Konkrete Nachfragen der Antidiskriminierungsstelle bei zwei großen Unternehmen zu den behaupteten finanziellen Verlusten blieben unbeantwortet.
Sollten die Bedenken der Vermieteter*innen tatsächlich eine Grundlage haben, wäre nach Auffassung der Antidiskriminierungsstelle zu prüfen, wie dieses Risiko von der Gemeinschaft aufgefangen werden könnte. „Denn für alle Menschen muss der Zugang zum wichtigen Gut Wohnraum möglich sein“, mahnte Samiah El Samadoni abschließend.
Vorstellbar wäre zur Abfederung von Risiken für Vermieter*innen ein Verfahren, wie es in der Obdachlosenhilfe bereits teilweise erprobt wird: Um Menschen in Wohnungen zu vermitteln, mietet die Kommune die Räumlichkeiten an und haftet für den Mietausfall, sollten die Bewohner*innen den Mietzinszahlungen nicht nachkommen. Ergänzend könnten die Risiken der Kommunen dann z. B. über einen Landesfonds begrenzt werden.