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12.12.19
11:24 Uhr
SPD

Serpil Midyatli zu Top 5: Ziele nicht erreicht: Koalition bleibt weit hinter Ankündigungen zurück

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 12. Dezember 2019


Serpil Midyatli: Ziele nicht erreicht: Koalition bleibt weit hinter Ankündigungen zurück TOP 5: Gesetz zur Stärkung der Qualität in der Kindertagesbetreuung und zur finanziellen Entlastung von Familien und Kommunen (Drs. 19/1699, 19/1847 19/1890)

„Ich möchte zunächst einmal feststellen, dass eine Kita- Reform nötig war. Da sind wir uns alle einig. Es wurde über lange Zeit ein undurchsichtiges und intransparentes Finanzsystem aufgebaut. Immer neue Aufgaben, immer neue Inhalte wurden an das System angedockt. Daher gab es auch am Ende der letzten Legislaturperiode die Absichtserklärung einer Kita-Reform. Diese Absicht wurde von der jetzigen Landesregierung aufgegriffen. Gestartet sind Sie, die Landesregierung, mit drei großen Versprechen dabei: 1. landesweit die Qualität in den Kitas zu verbessern; 2. die Eltern von hohen Kitabeiträgen zu entlasten und 3. zeitgleich die Kommunen zu entlasten. Ich freue mich, dass die Küstenkoalition mit diesem Dreiklang die Grundlage dafür gelegt hatte. Da, wo CDU und FDP noch mit den Kommunen stritten, es gar zur Klage kommen ließen, • haben SPD, Grüne und SSW versöhnt und Kommunen gestärkt, • Träger sowie Erzieher*innen gestützt, um Qualität zu erhöhen und • nicht zuletzt ganz konkret die Eltern bei den hohen Beiträgen entlastet. Ich meine immer noch: Das war ein Ergebnis gemeinsamer Politik, die sich sehen lassen kann! Daran also wollte Jamaika anknüpfen: Ein nun zweijähriger Prozess der Beteiligung liegt hinter Ihnen. Ich danke allen, die sich daran intensiv beteiligten. Mein Dank gilt hier auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sozialministeriums. Es ist keine leichte Aufgabe gewesen, da es sich um das größte Reformprojekt dieser Landesregierung handelt. Auch an allen anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von den Kommunalen Spitzenverbänden bis hin zu den Kita- Trägern gilt unser Dank. Nicht nur ein Dank, sondern auch wirklich meine Bewunderung, möchte ich der Landeselternvertretung der Kitas ausdrücken, die diesen Prozess komplett ehrenamtlich geleistet haben und eine starke Stimme für die Interessen der Eltern waren. Kommen wir nun zu den einzelnen inhaltlichen Punkten. Grundsätzlich finden wir als SPD Fraktion das Standard- Qualität-Kosten-Modell für eine gute Form der Kostenermittlung. Dieses erleichtert in Zukunft die Arbeit aller. Das Struksche Gesetz, kein Gesetz verlässt das Parlament so wie es eingebracht wurde, wird im Rahmen der Reform bestätigt, denn die umfangreiche mündliche Anhörung hat doch viele Schwächen des Gesetzentwurfes aufgezeigt. Ausdrücklich loben will ich, dass die Veränderungen zu den Natur- und Waldkitas hier Klarheit schaffen, denn die Sorgen waren aus unserer Sicht mehr als begründet. Auch erkenne ich die Bemühungen der Koalitionäre an, mit den Veränderungen bei den Qualitätsstandards im Bereich der Verfügungszeiten und Leitungsfreistellungen nachbessern zu wollen. Bemühungen reichen allerdings nicht aus. Denn sie bleiben hinter ihren vollmundigen Ankündigungen zurück. Sie haben Verbesserungen versprochen. Mindeststandards sind jedoch keine Verbesserungen. Die Erzieherinnen und Erzieher sind enttäuscht. Überall im Land, wo ich auch hinkomme, wird



1 dieses vorgetragen. Daher wundert es mich in keiner Weise, dass die GEW binnen nur drei Wochen 6000 Unterschriften für ein besseres Kita-Gesetz gesammelt hat.
Bereits jetzt schon haben wir einen hohen Bedarf an qualifiziertem Personal. Dieses Gesetz wird aber nicht dazu beitragen, Fachkräfte in den Kitas zu sichern. Der Unmut wird wachsen, wenn ab August nächsten Jahres alle mit großen Erwartungen feststellen werden, dass sich für sie nichts verändern wird. Nein sogar im Gegenteil. Viele Kitas und die Eltern befürchten, dass die höhere Qualität, die bereits vorhanden, nun in Gefahr ist. Die Absenkung der Qualität ist die große Befürchtung. Von einer Reform erwarte ich, dass Dinge verbessert werden und nicht verschlechtert. Unsere Änderungsvorschläge zur Verbesserung der Qualität haben sie leider abgelehnt. Gleiche Situation bei den Kreisen und Gemeinden, auch hier lauter Protest. Es gibt etliche Kreise und Gemeinden, wo schon ganze Resolutionen gegen die Reform beschlossen sind. Die versprochene Entlastung tritt nicht ein. Im Gegenteil, die Landesregierung reicht den schwarzen Peter einfach an die Kommunen weiter, ein Zitat eines Bürgermeisters. Noch deutlicher wurde auf den zahlreichen Veranstaltungen des Schleswig-Holsteinischen Gemeindetages diskutiert. Viele Kommunen erwarten Finanzlöcher. Da reicht es auch nicht zu sagen, es handelt sich um eine kommunale Aufgabe. Die Landesregierung wird an ihren Versprechen gemessen. Hauptkritikpunkt ist, dass die höheren Qualitätsstandards von den Gemeinden und Städten getragen werden sollen, ohne einen entsprechenden Ausgleich dafür zu erhalten. Außerdem wird uns schon berichtet, dass es zu einem Ausbaustopp von Kita-Plätzen kommt, obwohl wir so dringend mehr Plätze brauchen. Die Gemeinden sind verunsichert, ob die im SQKM enthaltenden Investitionsgelder reichen. Und wir sind es auch. Daher wollen wir im Haushalt auch weiterhin Investitionsgelder zum Ausbau von Kita-Plätzen bereitstellen, so lange der Bedarf dafür da ist.
Kommen wir zum letzten Versprechen, die Eltern zu entlasten. Hier kann man nur sagen: Fehlanzeige. Es gibt dabei regional große Unterschiede, in einigen Regionen werden die Eltern richtig gut entlastet, in anderen Regionen wiederum gar nicht. Und durch den Wegfall des Kitageldes kommt es sogar zu einer Mehrbelastung vor allem in den Städten.
Wir bleiben dabei: Kita ist Bildung und Bildung gehört beitragsfrei. Das große sozialdemokratische Versprechen ist heute noch genauso aktuell wie vor mehr als 100 Jahren. Dafür stehen wir ein. Mit Leidenschaft und aus tiefer Überzeugung, meine sehr geehrten Damen und Herren. Und dann muss ich noch erwähnen, was komplett in der Reform fehlt: die Diskussion zur Umsetzung von Inklusion. Seit nunmehr 10 Jahren haben wir die UN-Behindertenkonvention unterschrieben. Dass die Landesregierung bei diesem großen Reformprozess die Diskussion zur Umsetzung von Inklusion komplett außen vor lässt, ist für uns nicht nachvollziehbar. Kinder mit Behinderungen werden sogar jetzt mit Kita-Gebühren belasten, erhalten aber keinen gleichberechtigten Zugang zu den Kitas. Halten sie das für gerecht? Wir jedenfalls nicht. Daher hatten wir einige Änderungsvorschläge unterbreitet und auch die Umsetzung der UN- Behindertenrechtskonvention in der Evaluationsphase festgeschrieben. Leider wurde fast alles abgelehnt. Wir werden nun ganz genau hinschauen, ob sie das Thema sofort in den nächsten Jahren aufgreifen und umsetzen, wie sie angekündigt haben.
Die Kita ist die erste Bildungseinrichtung im Land. Aber eine grundsätzliche Debatte über die Bedeutung und Ausgestaltung frühkindlicher Bildung wurde nicht geführt. Diese Chance wurde verpasst. Ein klares Bekenntnis zu ihrer größten Reform fehlt, Herr Ministerpräsident. Einmal mehr reichte der Jamaika-Kompromiss nur zur Ordnung der Finanzströme. Eine programmatische Debatte war nicht möglich. Zu tief liegen die Unterschiede bei CDU, Grünen und FDP. Nur Geld wird verteilt, voran kommt das Land so nicht.



2 Dabei hat Ihr Sozialminister, Heiner Garg, mit seinem Staatssekretär, Herrn Badenhop, einen breiten Beteiligungsprozess geführt, sind tief in die Thematik eingetaucht, haben ein gutes Kosten-Modell entwickelt und sind mit Reformeckpunkten anfangs auch vielversprechend gestartet. Ich gehe jede Wette ein, dass klar formuliert worden ist, dass für alle drei Versprechen, die nötigen Mittel fehlen. Das Kita-System und die Reform sind unterfinanziert, das ist deutlich geworden. Ihr fehlt die Unterstützung des Ministerpräsidenten. Lieber Heiner Garg, ich habe früh meine Unterstützung zugesagt und darauf aufmerksam gemacht. Meine Unterstützung im Bund sage ich Ihnen auch weiterhin zu. Und was wäre diese Reform eigentlich ohne den Bund? Ohne das Gute-Kita-Gesetz von Franziska Giffey wäre diese Reform nicht möglich gewesen. Das war richtig gute Arbeit in Berlin.
Warum also ist der große Wurf nicht gelungen? Weil wieder einmal Jamaika sich dadurch auszeichnet, dass sie Geld verteilen. Weil Ihnen aber eine gemeinsame Idee fehlt: • CDU, Grünen und FDP fehlt eine gemeinsame Idee für die Leistungen der Kommunen • CDU, Grünen und FDP fehlt eine gemeinsame Idee für die Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher sowie die Träger, eine gemeinsame Idee für die Qualität in den Einrichtungen • CDU, Grünen und FDP fehlt eine gemeinsame Idee für die Unterstützung von Familien • CDU, Grünen und FDP fehlt ein gemeinsames Zukunftsbild für die frühkindliche Bildung. Es ist wirklich erschreckend: • CDU, Grünen und FDP fehlt ein Plan für die Zukunft unserer Kinder • CDU, Grünen und FDP fehlt die Kompetenz, Schleswig-Holstein in die Zukunft zu führen. Die Verantwortung dafür trägt einer: Der Ministerpräsident. Ein Ministerpräsident, der die Geldströme seiner Finanzministerin kontrolliert und sich ansonsten primär für die eigenen Beliebtheitswerte interessiert, wird dieses Land nicht mehr voranbringen können. Es wäre Ihre Aufgabe gewesen, Herr Ministerpräsident, diese Defizite zu beheben. Es wäre ihre Aufgabe gewesen, diese Reform zu einem Erfolg zu machen. Sie konnten oder wollten das offenbar nicht. Wer bei so einem wichtigen Projekt der Landesregierung, so wenig bewegt, der muss wohl amtsmüde sein. Oder ist mit seinen Gedanken woanders. Das aber hat Schleswig-Holstein nicht verdient und das haben vor allem unsere Kinder nicht verdient. Zu ihren Zielen der Reform stelle ich zusammenfassend fest: Entlastung der Kommunen: Ziel nicht erreicht! Entlastung der Eltern: Ziel nicht erreicht. Qualität verbessert: Ziel nicht erreicht. Von daher wird es sie nicht verwundern, dass wir diese Reform, die alle ihre Ziele verfehlt, ablehnen werden."



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