Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

Pressefilter

Zurücksetzen
20.02.20
17:44 Uhr
B 90/Grüne

Bernd Voß zum Erhalt seltener Nutztierrassen

Presseinformation

Landtagsfraktion Es gilt das gesprochene Wort! Schleswig-Holstein TOP 31 – Förderung zum Erhalt seltener Pressesprecherin Nutztierrassen und Kulturpflanzen Claudia Jacob Landeshaus Dazu sagt der landwirtschaftspolitische Sprecher der Düsternbrooker Weg 70 Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, 24105 Kiel
Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Bernd Voß: Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 067.20 / 20.02.2020

Vielfalt ist der Weg für eine Land- und Ernährungswirtschaft mit Zukunft
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Agrobiodiversität, die Artenvielfalt bei Nutzpflanzen und Nutztieren, ist für unser Überleben ebenso wichtig wie der Schutz der Vielfalt bei Wildpflanzen und Wildtieren. Ich bedanke mich bei der Landesregierung für diesen Bericht.
Zugleich möchte ich mich auch bei all denen bedanken, die als Landwirt*innen und Gärtner*innen auf ihren Betrieben, auf ihren Feldern, als Mitglied in Tierzuchtverbän- den, in ihren Obstgärten oder an den Hochschulen, in großen und kleinen Einrichtungen wie dem Tierpark Warder und der Stiftung Naturschutz daran mitwirken, die Vielfalt der Nutzpflanzen und Nutztiere zu bewahren und weiter zu entwickeln. Und auch, wenn da- zu für Ehrenamtliche sowie Betriebsinhaber*innen Engagement, Liebe zur Sache, ein gutes Auge und Detailkenntnisse gehören, ist das weit mehr als Liebhaberei.
Genetische Diversität bei Nutzpflanzen und -tieren ist ein einmaliges und unersetzbares Erbe jahrhundertlanger landwirtschaftlicher Tätigkeit, so heißt es in dem Bericht. Ganz genau. Jahrzehntelang wurde in der Züchtung viel zu einseitig auf Merkmale der Hoch- leistung und gesetzt. Das hat Produktivitätsfortschritte gebracht. Aber es sind Risiken und Verluste damit verbunden. Unsere Ernährung beruht weltweit zu 90 Prozent auf nur drei Getreidearten: Weizen, Reis und Mais.
Und da dominieren wenige Sorten. Auch innerhalb der Arten schrumpft das Spektrum. Es ist eine Erosion, die da stattgefunden hat. Und dabei ist die genetische Bandbreite, die durch Jahrhundertelange Züchtungsarbeit gewachsen ist, riesengroß. Ich habe ein- mal in die Rote Liste der gefährdeten Nutzpflanzen für Deutschland geschaut. Da gibt es sage und schreibe 77 Hafersorten und 122 Weizensorten. Diese Bandbreite müssen
Seite 1 von 2 wir erhalten und perspektivisch auch nutzen.
Trotz der scheinbaren Vielfalt, die wir meinen im Supermarkt vorzufinden, laufen wir in eine gefährliche Verarmung unserer Ernährungsgrundlagen. Nebenbei bemerkt: Es gut, dass es auch Nachfrage und einen Markt für Erzeugnisse aus seltenen Sorten und Ar- ten gibt. Verbraucher*innen können so nach dem Motto „Bewahren durch Aufessen“ ei- nen Beitrag für den Erhalt unserer Vielfalt leisten.
Das gilt auch für die Nutztiere. Ob Milchkuh, Schwein oder Geflügel, einige wenige Rassen machen den Großteil der Bestände aus. Innerhalb der Rassen dominieren we- nige Zuchtlinien. Besonders krass ist die Situation beim Geflügel.
Durch diese extreme Auslese werden einerseits Legeleistung bei Legehennen und das Muskelwachstum bei Masthühnchen gepuscht bis ans physische Limit und darüber hin- aus, andererseits sind diese Tiere aufgrund ihrer genetischen Verarmung auch anfälli- ger für Krankheiten.
Im Pflanzenbau haben einseitige Fruchtfolgen zu höheren Pestizideinsätzen und einer Abnahme bei Insekten geführt. Trotzdem, oder besser gesagt genau deswegen, steigen die Risiken von Schädlingsbefall, zum Beispiel mit Maiszünsler. Um dem entgegenzu- wirken, brauchen wir dringen wieder mehr Vielfalt bei Kulturpflanzen und Nutztieren. Auch vor dem Hintergrund des Klimawandels, denn durch Vielfalt entsteht Widerstands- fähigkeit, oder auch, wie man neuerdings sagt, Resilienz.
Sorten, wie sie zum Beispiel in der Pflanzenzucht für den Ökolandbau entwickelt wer- den sollten, die eine größere Variationsbreite der Pflanzen innerhalb der Sorten haben, können besser auf verändernde Umweltbedingungen und Umweltstress wie Pflanzen- krankheiten, Schädlinge und Wetterextreme reagieren. Sie können mehr zur Ernäh- rungssicherung beitragen, als die einseitig gezüchteten Hochertragssorten.
Und sicher auch mehr als Gentech-Designerpflanzen, die es hoffentlich auf unseren Äckern hier nie geben wird, und am besten auch nicht anderswo. Mit der Entwicklung von angepassten und widerstandsfähigen Sorten lässt sich das Risiko für Ausfälle ver- ringern und die Ertragsstabilität verbessern. Durch Einkreuzung alter Rassen in einsei- tig gezüchtete Tierbestände werden eine artgerechte, robuste Haltung und auch eine Mehrfachnutzung, also für Mast und Milch, für Mast und Legeleistung, wieder möglich.
Darum ist es gut, dass der Bund die Länder bei dieser Aufgabe unterstützt. Finanziell im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe, konzeptionell mit seiner bereits in 2007 vorgeleg- ten Strategie zur Agrobiodiversität. Das wird er hoffentlich auch zukünftig tun oder bes- ser noch ausweiten. Ebenso hoffe und erwarte ich, dass dieser Aspekt auch in der Um- setzung der EU Agrarpolitik eine stärkere und wirksamere Berücksichtigung als bisher findet. Denn Vielfalt ist der Weg für eine Land- und Ernährungswirtschaft mit Zukunft.
***



2