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27.08.20
11:20 Uhr
FDP

Kay Richert zu TOP 44+49 "Trendwende für die Innenstädte und Ortszentren in Schleswig-Holstein einleiten"

Presseinformation Sperrfrist Redebeginn! Es gilt das gesprochene Wort Christopher Vogt, MdL Vorsitzender Anita Klahn, MdL Stellvertretende Vorsitzende Oliver Kumbartzky, MdL Parlamentarischer Geschäftsführer
Nr. 259/2020 Kiel, Donnerstag, 27. August 2020
Wirtschaft/ Zukunft der Innenstädte



www.fdp-fraktion-sh.de Kay Richert zu TOP 44+49 „Trendwende für die Innenstädte und Ortszentren in Schleswig-Holstein einleiten“ In seiner Rede zu TOP 44+49 (Perspektiven für Galeria Karstadt Kaufhof entwickeln und Trendwende für die Innenstädte und Ortszentren in Schles- wig-Holstein einleiten) erklärt der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP- Landtagsfraktion, Kay Richert:
„Sowohl Karstadt als auch Kaufhof sind deutsche Unternehmen mit Traditi- on. Die Warenhäuser prägen das Stadtbild in vielen unserer Innenstädte. Und wohl jede und jeder hier verbindet Erinnerungen und Erlebnisse mit diesen Warenhäusern oder hat – so wie ich – familiäre Verbindungen in die Belegschaft. Schreibwaren, Schmuck, Wäsche oder Konfirmationsanzug – all das gab es bei Karstadt, bei Hertie, Horten oder Kaufhof, je nach dem.
Die jüngere Geschichte ist allerdings nicht so schön. Spätestens ab 2002 liest sie sich die Geschichte von Karstadt eher wie ein Krimi: Oppen- heim/Esch, Quelle, Saint Tropez, Kursmanipulationen, Schickedanz und Mi- ddelhoff, Highstreet, Arcandor, Goldman Sachs und am Ende ein Waren- hauskonzern ohne eigene Immobilien. Als Kollateralschaden 30 geschlosse- ne Filialen und der Abbau von hunderten Arbeitsplätzen – auch meine Fami- lie hat das damals betroffen, eine bittere Zeit. Die verbliebene Belegschaft musste auf knapp 1,8 Milliarden an Betriebsrenten, Löhnen und Gehältern verzichten. Aber dann kam der Ritter Nicolas Berggruen: Empathisch, sym- pathisch, nachhaltig, das Gegenteil eines Private-Equity-Managers, ein Men- schenfreund, der den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine gesicherte Zu- kunft versprochen hat. Leider hat er nicht gesagt, wessen Zukunft gesichert wird. Karstadt machte 250 Millionen Euro Verluste, der Umsatz ging um fast acht Prozent zurück. Die Warenhausgesellschaft wurde nun in drei Teile zer- legt und 51 Prozent der wertvollen Assets wurden verkauft. Danach hat Herr Berggruen Karstadt für den gleichen Euro wieder verkauft, den er selbst be- zahlt hat. Und das Geld aus den Verkaufserlösen floss über die Niederlande Eva Grimminger, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de und die Antillen in die Karibik in die Nicolas-Berggruen-Stiftung. Ein toller Ritter. Warum rede ich hier so ausführlich über die Vergangenheit? Weil die Lage des Gesamtkonzerns eine direkte Folge dieser Geschichte ist. Man kann wohl zutreffend behaupten, dass Karstadt seit 2002 für die Eigentü- mer ein Spekulationsobjekt war, das planvoll ausgehöhlt und systematisch ausgesaugt wurde; das eigentliche Geschäft, der Handel mit Waren oder die Belange der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter scheinen überhaupt keine Rol- le gespielt zu haben. Bleibt zu hoffen, dass das mit der Fusion mit Kaufhof unter dem Dach von Signa anders ist.
Die Geschäftsführung von Galeria Karstadt Kaufhof muss das Wohl der Fir- ma als Ziel verfolgen. Das kann Sanierung und Konsolidierung bedeuten. Wenn wir als Land tätig werden, müssen wir vor allem auf die Menschen achten, die betroffen sind. Und was es den Menschen bringt, wenn für eine kommunale Zwischenanmietung Steuergeld verbrannt wird, erschließt sich wohl niemandem. Wir sind für die Menschen da, nicht für die Finanzierung oder den Weiterbetrieb defizitärer Unternehmensteile. Und den Menschen ist durch eine Verschiebung der Schließungen um wenige Monate nicht ge- holfen; ich finde, die Verantwortlichen in Unternehmen und Betriebsrat soll- ten im Gegenteil die Hängepartie für die Kolleginnen und Kollegen nicht un- nötig verlängern und alles daran setzen, dass alle Karstadt-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter schnell in neue Jobs kommen.
Alle sagen ja immer, das Geschäftsmodell der Warenhäuser sei überkom- men und tauge nichts mehr. Ich möchte in diesen Abgesang so nicht ein- stimmen. Das Galeria-Konzept von Horten, das Kaufhof mit in den neuen Konzern eingebracht und weiterentwickelt hat, scheint eine mögliche Ant- wort des stationären Handels auf den zunehmenden Onlinehandel zu sein. Damit das aufgeht, sind aber auch zukunftsfähige Rahmenbedingungen vor Ort nötig und das bringt mich zum zweiten Teil: zu den Innenstädten. Galeria Karstadt Kaufhof will Filialen schließen, die einen negativen Filialdeckungs- beitrag haben, die also weniger einbringen als sie kosten. Das ist bestimmt auch auf Mieten zurückzuführen, die nicht im Verhältnis zum Umsatz stehen – eine direkte Folge des Raubzugs 2002 bis 2009. Diese Mieten strangulie- ren jedes Konzept, auch die, die ansonsten zukunftsfähig sind. Diese Mieten müssen gesenkt werden oder die Filialen müssen dicht machen, wenn der Konzern überleben soll. Aber in Schleswig-Holstein sollen Filialen geschlos- sen werden, obwohl sie einen positiven Filialdeckungsbeitrag haben. Ob- wohl sie schwarze Zahlen schreiben. Sie sollen schließen, weil die gesamten Innenstädte eine schlechte Prognose haben, weil die Handelsprofis den In- nenstädten nicht zutrauen, eine ausreichend hohe Kundenfrequenz zu brin- gen. Und das liegt – das wird auch ganz deutlich ausgesprochen – an der Standortpolitik in den Kommunen. Das liegt unter anderem an einer fal- schen Verkehrspolitik. Wer Straßen verkleinert, die Verkehrsführung ver- schlechtert und Parkraum zurückbaut, der verschlechtert die Emissionslage und schadet den Innenstädten als Orte des sozialen und wirtschaftlichen Lebens. Autofreie beziehungsweise nicht erreichbare Innenstädte sind auch kundenfreie Innenstädte. Das liegt an einer Stadtentwicklung, die großflä- chigen Einzelhandel auf der grünen Wiese fördert. Das kann man wollen, dann darf man sich aber nicht beschweren, wenn der Innenstadt die Kunden wegbleiben. Das liegt an Verwaltungen, die – oft auch auf politische Be- schlüsse hin – Sondernutzungen, Sonderöffnungszeiten oder Sonderveran- staltungen, zum Beispiel verkaufsoffene Sonntage oder Innenstadtfeste, Eva Grimminger, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de restriktiv handhaben anstatt den gemeinsamen Nutzen für die gemeinsame Innenstadt zu sehen. Und das liegt schließlich am fehlenden Erlebnis für die Besucher der Innenstädte, am Erscheinungsbild, an Sicherheit und Sauber- keit und an nicht abgestimmten Öffnungszeiten.
Schauen wir uns doch mal an, wie Sie diesem Problem begegnen wollen. ‚Die Zukunft der Ortszentren wird nicht allein durch den Einzelhandel be- stimmt, wir brauchen dort ‚Dritte Orte‘.‘ Das klingt erstmal gut. Natürlich muss auch der Rahmen gestaltet werden. Aber Grund für einen Besuch der Innenstadt sind für die meisten Menschen Einzelhandel und Gastronomie. Aufenthaltsqualität gibt es auch im Stadtpark. Das Land soll die Städte hin zu einer städtebaulichen Neuausrichtung bringen und diese Neuausrichtung über den kommunalen Finanzausgleich auch bezahlen. Mit dem Weg zu ei- ner wirtschaftsfreundlichen Neuausrichtung haben Sie ja Recht. Eine Finan- zierung kann ich mir allerdings eher im Rahmen städtebaulicher Programme vorstellen. Die Onlinekompetenz der lokalen Einzelhändler soll gestärkt werden, und zwar durch das Land. Die Idee von kooperativen Onlineauftrit- ten ist ja gar nicht schlecht, aber was hat das Land damit zu tun? Das klingt für mich ein bisschen nach betreutem Unternehmertum. Eine Neugestaltung der Vertriebswege ist Sache der Unternehmen selbst, nicht Sache des Steuerzahlers.
Hohe Mieten machen Ortszentren unattraktiv für Neuansiedlungen, Sie wünschen sich hier eine vermittelnde Rolle der Politik zwischen Vermietern und Mietern, eine Mietpartnerschaft für Innenstädte und Ortszentren. Das finde ich gut. Leider können Sie sich am Ende nicht verkneifen, Eingriffs- möglichkeiten in das Grundrecht auf Eigentum zu fordern. Und schließlich fordern Sie verstärkt Investitionen in Innenstädte und Ortszentren. Den Kleiner-Kiel-Kanal als kluges Konzept zu bezeichnen, finde ich zwar gewagt, aber die Idee von der gewerbeorientierten Aufwertung der Innenstädte ist richtig. Bauliche Attraktivität, eine zuträgliche Verkehrsführung, Sauberkeit und Sicherheit sind die richtigen Standortmaßnahmen, um unsere Innen- städte als Orte des sozialen und wirtschaftlichen Miteinanders zu revitalisie- ren. Ob das über PACT-Maßnahmen gelingen kann, bezweifle ich ehrlicher- weise nach den Herausforderungen der Coronakrise. Aber städtebauliche Programme hielte ich durchaus für eine gute Idee.
Ich stelle mit Freude fest, dass Ihr Antrag versucht, sich vom wirtschaftsfer- nen Kurs der Sozialdemokratie zu befreien. Auch wenn mich erstaunt, dass Sie gerade die Kommunen, die SPD-regiert sind, kritisieren. Ich freue mich auf die Ausschussberatungen und beantrage deshalb die Überweisung in den Wirtschaftsausschuss.“



Eva Grimminger, Pressesprecherin, v.i.S.d.P., FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431 / 988 1488, Telefax: 0431 / 988 1497, E-Mail: fdp-pressesprecher@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-fraktion-sh.de