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26.01.21
13:45 Uhr
Landtag

Landesbeauftragter: Menschen mit Behinderung brauchen ein schlüssiges Schutzkonzept in der Pandemie!

2 / 26.1.21

Landesbeauftragter: Menschen mit Behinderung brauchen ein schlüssi- ges Schutzkonzept in der Pandemie! In einer gemeinsamen Erklärung haben die Behindertenbeauftragten von Bund und Ländern konkrete Forderungen aufgestellt, wie der Schutz von Menschen mit Behin- derungen während der aktuellen Pandemie-Lage verbessert werden kann.
„Im Austausch mit meinen Länderkollegen habe ich festgestellt, dass wir aktuell alle mit ähnlichen Fragestellungen befasst sind. Daher habe ich mich dafür eingesetzt, dass auch die Belange aus Schleswig-Holstein in die Erklärung eingehen,“ sagt Ulrich Hase. Landes- beauftragter für Menschen mit Behinderung Schleswig-Holstein. Matthias Rösch, Landesbeauftragter für die Belange von Menschen mit Behinderungen in Rheinland-Pfalz, derzeit Sprecher der Konferenz der Beauftragten für Menschen mit Be- hinderungen von Bund und Ländern: „Bei vielen Menschen mit Behinderungen gibt es Ver- unsicherung, wie sie in der Impfpriosierung berücksichtigt werden. Besonders, wenn sie ein hohes gesundheitliches Risiko für einen schweren Verlauf haben – zum Beispiel durch Beatmung - und lebensnotwendig auf Assistenz und pflegerische Unterstützung in ihrem eigenen häuslichen Bereich angewiesen sind. Hier muss die Impfverordnung des Bun- des nachgebessert werden, um mehr Sicherheit für die Menschen mit Behinderungen zu erreichen.“ Nach Auffassung von Jürgen Dusel, dem Beauftragten der Bundesregierung für die Be- lange von Menschen mit Behinderungen, sollen in Ergänzung zur Impfstrategie insbeson- dere vulnerable Gruppen in die Lage versetzt werden, sich bestmöglich zu schützen. „So muss zum Beispiel die Versorgung mit FFP2-Masken deutlich ausgeweitet werden. Au- ßerdem sollten Menschen mit einem erhöhten Infektionsrisiko und deren Assistenz- und Pflegekräfte einen Anspruch auf Schnelltests haben“, so Jürgen Dusel. „Hier besteht drin- gend Anpassungsbedarf, damit Impfverordnung, Schutzmaskenverordnung und Testver- ordnung sich ergänzen und gemeinsam ein sinnvolles und für alle nachvollziehbares Ge- samtkonzept bilden.“

Verantwortlich für diesen Pressetext: Prof. Dr. Ulrich Hase, Karolinenweg 1, 24105 Kiel Telefon: 0431 988-1624, Dirk Mitzloff Der Beauftragte im Internet: Link zur Internetpräsentation 2
Hintergrund: Viele Menschen mit Behinderungen haben ein deutlich erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf einer COVID19-Erkrankung. Gleichzeitig haben sie durch ihre Le- benssituation – beispielsweise wegen Assistenz- und Pflegebedarfs oder wegen des Le- bens in einer Einrichtung – auch ein deutlich höheres Ansteckungsrisiko. Die Mehrheit der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland (80 % beziehungsweise 3,31 Millionen) wird nach wie vor zu Hause versorgt. Deshalb sind auch die Pflegedienste in der höchsten Pri- orität der Impfverordnung (§ 2 CoronaImpfV). Allerdings werden viele Pflegebedürftige nicht von Pflegediensten, sondern von anderen Menschen, wie zum Beispiel pflegenden Angehörigen und Assistenzkräften, versorgt. Diese Lebenswirklichkeit wird in der Impfver- ordnung nicht abgebildet, sollte aber bei sämtlichen Schutzmaßnahmen berücksichtigt werden. Das reicht von der Frage der Priorisierung bei der Impfung sowie des barriere- freien Zugangs zu Impfungen über die Versorgung mit FFP2-Masken bis hin zur Frage der Versorgung mit Schnelltests, Schutzausrüstung im Allgemeinen und Desinfektionsmitteln. Für alle Schutzmaßnahmen braucht es ein abgestimmtes Konzept. Die bisherigen Maß- nahmen müssen nachgebessert werden. Die konkreten Forderungen entnehmen Sie bitte der beigefügten Erklärung. Corona-Pandemie und COVID-19 – Schlüssiges Konzept zum Schutz von Menschen mit Behinderungen gefordert

Stellungnahme der Beauftragten von Bund und Ländern für Menschen mit Behinde- rungen

Viele Menschen mit Behinderungen haben ein deutlich erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf einer COVID-19-Erkrankung. Gleichzeitig haben sie durch ihre Le- benssituation – beispielsweise wegen Assistenz- und Pflegebedarfs oder wegen des Lebens in einer Einrichtung – auch ein deutlich höheres Ansteckungsrisiko. Die Mehrheit der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland (80 % beziehungsweise 3,31 Millionen) wird nach wie vor zu Hause versorgt.1 Deshalb sind auch die Pflege- dienste in der höchsten Priorität der Impfverordnung (§ 2 CoronaImpfV). Allerdings werden viele Pflegebedürftige nicht von Pflegediensten, sondern von anderen Men- schen, wie z.B. pflegenden Angehörigen und Assistenzkräften, versorgt. Diese Le- benswirklichkeit wird in der Impfverordnung nicht abgebildet. Sie sollte aber bei sämtlichen Schutzmaßnahmen berücksichtigt werden. Das reicht von der Frage der Priorisierung bei der Impfung sowie des barrierefreien Zugangs zu Impfungen über die Versorgung mit FFP2-Masken bis hin zur Frage der Versorgung mit Schnelltests, Schutzausrüstung im Allgemeinen und Desinfektionsmitteln. Für alle Schutzmaß- nahmen braucht es ein abgestimmtes Konzept, die bisherigen Maßnahmen müssen nachgebessert werden.



1 Statistisches Bundesamt: Thema: Pflegebedürftige in Deutschland. Die Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen fordern daher folgen- des:

I. Impfverordnung
Durch die bisher abschließende Aufzählung der Indikationsgruppen bekommen viele Men- schen mit chronischen Erkrankungen und/oder Behinderungen, die ebenfalls ein sehr ho- hes oder hohes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf haben, keinen prioritären Schutz. Am 14.01.2021 hat die Ständige Impfkommission (STIKO) eine überarbeitete Empfehlung veröffentlicht. Darin stellt sie klar, dass nicht alle Krankheitsbilder oder Impfindikationen be- rücksichtigt werden können. Deshalb sollten Einzelfallentscheidungen möglich sein. Sie empfehlen, die Personen, die nicht explizit erfasst sind, in die jeweilige Priorisierungskate- gorie einzuordnen. Dies betreffe z. B. Personen mit seltenen, schweren Vorerkrankungen, für die bisher zwar keine ausreichende wissenschaftliche Evidenz bzgl. des Verlaufes einer COVID-19-Erkrankung vorliege, für die aber ein erhöhtes Risiko für einen schweren oder tödlichen Verlauf angenommen werden könne.Aus Sicht der Beauftragten betrifft dies be- sonders Menschen mit starken Beeinträchtigungen, die beispielsweise auf Beatmung und Assistenz angewiesen sind.
Die Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen aus Bund und Ländern fordern die umgehende und umfassende Anwendung der aktuellen STIKO-Empfehlung und eine entsprechende Anpassung der CoronaImpfV des Bundesgesundheitsministeri- ums. Außerdem muss die Impfverordnung die STIKO-Empfehlung auch in Bezug auf Kontakt- personen umsetzen und die Beschränkung auf „eine“ Kontaktperson aufheben.
Zudem fordern die Beauftragten folgende Änderungen der CoronaImpfV:
1. Analog zu ambulanten Pflegediensten (§ 2 Satz 1 Ziff. 3 CoronaImpfV) sollten alle Personen, die bei Menschen mit Behinderungen als Assistent*innen tätig sind, z.B. im sogenannten Arbeitgeber*innen-Modell, in die Gruppe 1 aufgenommen werden. Da die von ihnen unterstützten/gepflegten Personen einen sehr hohen Unterstüt- zungsbedarf haben, ist auch der körperliche Kontakt oft sehr eng, und entspre- chende Abstände zum Schutz vor Ansteckung können oft nicht eingehalten werden. 2. Bevor die Allgemeinheit geimpft wird, sollte solchen Personen vorrangig ein Impfan- gebot gemacht werden, die pflegebedürftig sind beziehungsweise Assistenzbedarfe haben und nicht zu einer höheren Risikogruppe gehören. Hintergrund ist, dass sie unverschuldet den Abstandsregelungen nicht nachkommen können, aber auch nicht sicherstellen können, dass ihre Pflege- und Assistenzkräfte geimpft sind. II. Versorgung mit FFP2-Masken
Zu Beginn der Pandemie wurde zum Infektionsschutz das Tragen von mindestens einfa- chem Mund-Nasen-Schutz aus Stoff angeordnet. Zu diesem Zeitpunkt, als die Versorgung mit FFP2-Masken nicht sichergestellt werden konnte, war dies sicher richtig. Mittlerweile hat sich die Versorgungslage aber entspannt und es gibt seit dem 15. Dezem- ber eine „Verordnung zum Anspruch auf Schutzmasken zur Vermeidung einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2“. Die Beauftragten von Bund und Ländern kritisieren, dass bei dieser Verordnung nicht nachvollzogen werden kann, auf welcher Grundlage die ge- nannten Diagnosen, die zu einem Anspruch auf Schutzmasken führen, ausgewählt wur- den. Sie fordern daher, dass ein stimmiges Konzept, das auch die Priorisierung der Impf- verordnung berücksichtigt, zugrunde gelegt wird. Zudem fordern sie eine deutliche Ausweitung der Versorgung mit FFP2-Masken, auch mit passenden FFP2-Masken für Kinder mit schweren Vorerkrankungen.

III. Verordnung zum Anspruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Erreger- nachweis des Coronavirus SARS-CoV-2
Diese Verordnung wird derzeit überarbeitet und um ambulante Dienste der Eingliederungs- hilfe erweitert. Die Beauftragten von Bund und Ländern fordern zudem eine Erweiterung um Assistenzkräfte, die über das persönliche Budget finanziert werden. Auch sollte die Testverordnung ebenfalls in ein Gesamtkonzept eingebunden werden.

IV. Zugang zu Impfzentren
Auch Impfungen müssen inklusiv gestaltet werden, d.h. alle Personen mit Beeinträchtigun- gen müssen den gleichen, barrierefreien Zugang dazu haben. Die Beauftragten von Bund und Ländern fordern daher: 1. Die Anmeldeverfahren in den Impfzentren müssen umfassend barrierefrei2 gestaltet sein, d. h. zumindest die Belange von blinden, sehbehinderten, gehörlosen, hörbe- hinderten, mobilitätseingeschränkten und kognitiv beeinträchtigten Menschen be- rücksichtigen. Dies betrifft auch die Anschreiben. 2. Für Personen mit eingeschränkter Mobilität oder für solche, denen aus medizini- schen Gründen längere Wartezeiten nicht zuzumuten sind, sollten folgende Möglich- keiten zur Wahrnehmung von Impfterminen angeboten werden: • Gesicherte Übernahme der Fahrt- bzw. Beförderungskosten zu den Impfzentren. Zudem sollten Zeitfenster reserviert werden, so dass Wartezeiten für diese Per- sonen minimiert werden können.
2Die Bundesfachstelle Barrierefreiheit hat eine Checkliste für barrierefreie Impfzentren veröffentlicht: Hin- weise für die Errichtung und den Betrieb barrierefreier Corona-Impfzentren • Impfungen durch mobile Impfteams in der eigenen Häuslichkeit soweit erforder- lich und nach Impfstoffbeschaffenheit möglich • Bei örtlich nicht ausreichenden Kapazitäten der Impfteams sollten zusätzlich die Hausarztpraxen in die Impfungen eingebunden werden. 3. Die Länder bzw. die für die örtlichen Impfzentren verantwortlichen Träger stellen auf ihren Informationsseiten Informationen zur Barrierefreiheit zur Verfügung. Sowohl die Impfzentren als auch die Informationen hierüber sind umfassend barrierefrei zu gestalten. 4. Mittlerweile gibt es Informationen zur Impfung auf den Webseiten der Impfzentren bzw. der Gesundheitsministerien von Bund und Ländern auch in unterschiedlichen Sprachen. Hier müssen zeitgleich Informationen auch in Leichter Sprache und mit- tels Gebärdensprachvideos zur Verfügung gestellt werden. Um Informationsunter- schiede zu vermeiden, sollten Informationen weitestgehend einheitlich gestaltet wer- den. 5. Die Finanzierung von Gebärdensprachdolmetscher*innen sowie Kommunikations- helfer*innen ist zu gewährleisten. Vor Ort in den Impfzentren ist die barrierefreie Kommunikation zumindest per Ferndolmetschung (Deutsche Gebärdensprache, Schriftdolmetschung und Leichte Sprache) auf der Grundlage von § 17 Absatz 2 SGB I und § 19 Abs. 1 SGB X sicherzustellen. Entstehende Kosten gehören zum Betrieb der Impfzentren und mobilen Impfteams, für die Länder, GKV und PKV ge- meinsam aufkommen.

Mainz/Berlin, 26. Januar 2021