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26.02.21
13:00 Uhr
SPD

Dr. Ralf Stegner zu TOP 39A: Ein verbindlicher Stufenplan muss jetzt kommen!

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 26. Februar 2021
Dr. Ralf Stegner: Ein verbindlicher Stufenplan muss jetzt kommen! TOP 39A: Position der Landesregierung vor den anstehenden Beratungen von Bund und Ländern „Die Corona-Inzidenzen stagnieren seit Tagen. Leider auf einem Niveau, das nach wie vor viel zu hoch liegt. Deutlich über dem von der MPK als kritischen Wert vereinbarten 35 pro 100 000. Denn wir sind bei den Infektionen noch immer bei einem Wert, der deutlich über dem Spitzenwert aus der ersten Welle im vergangenen Frühjahr liegt. Das alleine ist in Anbetracht des wochenlangen Lockdowns eine erschreckende Feststellung. Aber noch sehr viel beunruhigender ist, wenn einige Expertinnen und Experten uns eindringlich warnen, dass eine dritte Welle kein hypothetisches Szenario ist, sondern bereits begonnen habe. Das unterstreicht: Gesundheitsschutz muss weiterhin oberste Priorität haben. Und selbstverständlich ist das ein denkbar schwieriges Umfeld für jede Form von Debatte über Perspektiven für die kommenden Wochen. Der Mangel an Vorsicht führt zu einem Mangel an Freiheit – wie eine Kommentatorin heute Morgen zutreffend formuliert hat. Aber es darf eben auch keine Ausrede sein dieser Debatte auszuweichen. Denn mit jeder weiteren Woche der Einschränkungen steigen die Anforderungen an Transparenz und Klarheit. Und wir alle nehmen sicherlich wahr, dass selbst bei wohlwollenden und vernünftigen Menschen der Unmut zunimmt. Darum war auch die letzte Beratung von Bund und Ländern am 10. Februar eine Enttäuschung: Eine Verständigung auf einen gemeinsamen Stufenplan ist nicht gelungen. Damit wurde eine Chance verspielt. Und wir haben im Nachgang der Konferenz mit Verwunderung zur Kenntnis genommen, dass • erstens der Ministerpräsident nach eigener Darstellung einen großen Erfolg errungen hat, • zweitens der Ministerpräsident von einem noch größeren Erfolg nur durch die mangelnde Rückendeckung der schleswig-holsteinischen SPD abgehalten wurde • und sich drittens derselbe Ministerpräsident vom Kernpunkt der Vereinbarung, dem neuen Richtwert 35, wenige Tage später selbst wortreich distanziert hat.
Offen gestanden: Meine Fraktion kann zumindest nicht mehr mit abschließender Sicherheit sagen, was genau die Position der Landesregierung ist, von der Sie erwarten, dass wir sie engagiert unterstützen. Der Öffentlichkeit geht das vermutlich genau so. Wenn Kommunikation und Erwartungsmanagement nicht gut sind, leidet die so dringend notwendige Akzeptanz in der Bevölkerung. Und darum haben wir heute diesen Berichtsantrag gestellt, damit Sie die

1 Gelegenheit haben, für Aufklärung vor der anstehenden Konferenz in der kommenden Woche zu sorgen.
Ein Stufenplan ist aktuell noch einmal dringender notwendig. Zumal in dieser Woche in Schleswig-Holstein auch bei wohlwollender Betrachtung ein falscher Eindruck entstehen konnte. Täglich wurden neue Meldungen veröffentlicht, auf welche Lockerungsschritte die Koalition sich hinter verschlossenen Türen verständigt habe. An einem Tag die Außengastronomie, am nächsten die Angelteiche, am dritten die Sportboote. Differenzierung nach drinnen und draußen ist ja schön – aber was heißt das konkret? Regelungen für Schleswig-Holstein zur Not im Alleingang, aber ohne Pull-Effekt in der Metropolregion – wie soll das gehen? Und auch die fragwürdigen Vergleiche des Kollegen Koch, was politische Nominierungsveranstaltungen in Stadien angeht, werfen mehr Fragen auf als Antworten. Ich habe einen dringenden Appell. Achten Sie darauf, dass bei den Menschen nicht ankommt: In die nächste sogenannte Lockerungsrunde kommt derjenige, der intensiv genug bei den Regierungsfraktionen dafür wirbt. Denn diesen Eindruck konnte die eine oder andere Äußerung aus den Koalitionsfraktionen durchaus erwecken. Und das wäre grundfalsch. Die Rücknahme der Einschränkungen darf nicht das Ergebnis nachgezogener Koalitionsverhandlungen sein. Und die Alternative zu einem Stufenplan ist nicht die Verkündung ausgewählter Einzelpunkte. Und ich will an der Stelle auch betonen, dass es einen sehr merkwürdigen Beigeschmack hat, auf der einen Seite im Hinterzimmer über einzelne Bereiche zu verhandeln und auf der anderen Seite den Antrag meiner Fraktion aus der vergangenen Sondersitzung zur Gestaltung des Stufenplans ohne große Diskussion im Sozialausschuss vom Tisch zu fegen. Da passt etwas nicht zusammen! Das Corona-Virus ist überall gleich gefährlich, es gibt nur unterschiedliche regionale Herausforderungen. Das Gegengift ist überall aus denselben Substanzen: Zahl der Neuinfektionen, Tests, Impfquote und die Impfungen halten mit der Geschwindigkeit der Öffnungen nicht Schritt.
Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Effektivität: Das ist der Maßstab für die kommenden Wochen – gerade bei einer unklaren Entwicklung der Infektionszahlen. Und darum braucht es so schnell wie möglich einen verbindlichen Stufenplan. Auch dann werden wir nicht sicher wissen, was im Juni möglich ist. Aber es ist klar, bei welcher Entwicklung des Infektionsgeschehens welche Maßnahmen greifen müssen. In dieser Woche hat das Robert- Koch-Institut das sehr beachtenswerte Papier „ControlCOVID“ veröffentlicht. Interessant ist nicht nur das beispielhafte Stufenkonzept. Sondern vor allem die zu Grunde liegende „Toolbox“, in der das RKI für eine Reihe von zentralen Bereichen die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Infektionsrisiko, zum Anteil am Transmissionsgeschehen, aber auch zu sozialen oder ökonomischen Folgen zusammenfasst. Das ist hilfreich für die Bewertung und räumt den Vorwurf aus, für einen Stufenplan würde die Grundlage fehlen. Aber die Auflistung des RKI zeigt eben auch, wie schwierig die Abwägung ist. Viele der Bereiche, in denen die Einhaltung der Regeln gut kontrollierbar ist, sind nicht die Treiber des Infektionsgeschehens. Andere Bereiche, in denen wir Regeln nicht kontrollieren können und wollen, sind es leider durchaus.


2 Der Gesundheitsschutz hat Priorität. Die Anhörung vor einer Woche hat aber auch noch einmal unterstrichen, dass auch die seelische Gesundheit viel stärker in den Fokus muss. Insbesondere gilt das für Kinder und Jugendliche. Und es ist auch eine der zentralen Rückmeldungen einer Abfrage bei über 300 Verbänden und Organisationen, die meine Fraktion zum Stufenplan durchgeführt hat. Selbst die Mediziner, die verständlicherweise einen anderen Fokus haben, haben bei der Anhörung deutlich darauf hingewiesen, dass die Effizienz der Maßnahmen untrennbar an die Akzeptanz der Bevölkerung gekoppelt ist. Das müssen wir vor allem mit Blick auf diejenigen, die von den Einschränkungen besonders betroffen sind, unbedingt mitdenken.
Wir brauchen für die kommenden Wochen eine Reihe von Bausteinen, die ineinander greifen müssen. Dazu zählen an erster Stelle die Impfungen. Aber auch die Schutzmasken und – wo vertretbar und effektiv – die Beschränkungen. Und wir sollten nicht den Fehler des vergangenen Jahres wiederholen, den wir bei den Masken gemacht haben und aus Angst vor Anwendungsfehlern die Chancen einer deutlichen Ausweitung der Tests kleinreden. Kai Dolgner hat dazu gestern alles gesagt. Und natürlich muss im Land der Arbeitsschutz unserer Beschäftigten in den Fokus, Herr Ministerpräsident. Da haben Sie eine konkrete Verantwortung. Das gilt in den Kliniken, wo Minister Garg zuständig ist und mit dem Krankenhausgesetz alle Möglichkeiten hat. Und das gilt auch für die Verantwortung Schulen, Frau Prien. Aber natürlich auch in Kitas oder bei der Polizei. Mindestens genauso wichtig sind aber Kommunikation und Erwartungsmanagement. Das gilt mit Blick auf die Erklärung des Hintergrunds von Maßnahmen. Es gilt mit Blick auf durch Minister Spahn angekündigte und wieder abgesagte Massentests. Und es gilt auch für gemeinsame Beschlüsse bei Konferenzen, die zumindest bis zum nächsten Treffen Bestand haben müssen, ohne dass die eine Hälfte der Ministerpräsidenten zwischenzeitlich etwas anderes macht und die andere Hälfte sich von den Beschlüssen distanziert. Dann sollte man konsequent sein und solche Beschlüsse gar nicht erst treffen. Ich bin gespannt auf das Ergebnis der kommenden Woche. Wir werden die Regierung bei allen sinnvollen Maßnahmen unterstützen, aber wir werden Sie auch an den heutigen Ankündigungen messen.“



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