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27.10.21
16:59 Uhr
B 90/Grüne

Bernd Voß zum Landesentwicklungsplan

Presseinformation

Landtagsfraktion Es gilt das gesprochene Wort! Schleswig-Holstein TOP 18 – Antrag auf Zustimmung des Landtages zum EntwurfPressesprecherin einer Landesverordnung über den Landesentwicklungsplan Claudia Jacob Landeshaus Dazu sagt der energiepolitische Sprecher der Düsternbrooker Weg 70 Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, 24105 Kiel
Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Bernd Voß: Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Die Landesentwicklungsplanung muss Nr. 326.21 / 27.10.2021
ein Plan des « Zukunft-Ermöglichens » werden

Sehr geehrte Damen und Herren,
herzlichen Dank an die Landesregierung und das Team im Innenministerium, das nach mehreren Jahren Arbeit und nach zwei umfangreichen öffentlichen Beteiligungs- runden diesen Plan vorlegt. Über 1000 Stellungnahmen mussten ausgewertet werden.
Das bedeutet auch, dass sich eine große Anzahl Bürgerinnen, Kommunen und Unter- nehmen in die Erstellung des Planes eingebracht haben. Was uns heute zur Abstim- mung vorgelegt worden ist, ist Aufgabe und Gemeinschaftswerk der Landesregierung.
Die Raumordnung legt die planerischen Grundlinien für die räumliche Entwicklung in Schleswig-Holstein eigentlich über einen Zeitraum von zehn bis fünfzehn Jahren fest. Das ist bei unseren Herausforderungen ein unglaublich langer Zeitraum. Auf diesen Landesentwicklungsplan aufbauen wird die Überarbeitung der Regionalpläne. Sie ha- ben eine noch weitergehende Detailschärfe in den Vorgaben. Das Land verändert sich – aufgrund des Klimawandels müssen neue Optionen der erneuerbaren Energien und ihre Technologien zügig umgesetzt werden. Ein schneller technologischer und gesell- schaftlicher Wandel liegt vor uns. Wir müssen die Raumordnung flexibel genug ma- chen, um auf zukünftige Entwicklungen, die wir jetzt noch nicht kennen, zeitnah rea- gieren zu können.
Was ist neu am LEP: Er greift mit dem rechtlich unverbindlichen Teil A „Herausforde- rungen, Chancen und strategische Handlungsfelder“ die Erkenntnisse der Arbeiten zur Landesentwicklungsstrategie auf. Er beschreibt die elf globalen und regionalen Me- gatrends aus der Entwicklungsstrategie, die das Land besonders beeinflussen wer- den. Dieser Teil A enthält auch ein Kapitel, das einen Maßnahmenkanon für das Ziel zur Seite 1 von 4 Reduktion des Flächenverbrauches beschreibt. Diese Maßnahmen beinhalten unter anderem Förderungen des Flächenrecyclings, der Beseitigung von Altlasten, den Auf- bau eines kommunalen Flächenmanagements mit Beratungsstrukturen, die Entwick- lung einer Potentialanalyse und einen Bodenfonds. Die Umsetzung dessen ist trotz der durch Corona engen Haushaltslage eingeleitet und wird begleitet von einer Anpassung des § 22 Landesentwicklungsgesetz mit einer Be- richtspflicht zur Reduktion des Flächenverbrauches und erwarteten Vorschlägen, falls die Teilziele nicht erreicht werden.
Mit der im § 13 Landesplanungsgesetz bereits umgesetzten Experimentierklausel ha- ben wir bundesweit Neuland betreten. Mit ihr können wir künftig zielführende Projekte oder Vorhaben zulassen und ausprobieren, ohne gleich mit großem Aufwand einen neuen Rechtsrahmen schaffen zu müssen. Im Prozess der Landesentwicklungsstrate- gie mit ihren Megatrends wurde diese Anforderung an eine fortschrittliche Landesent- wicklungsplanung mehrfach herausgehoben. Mit der Experimentierklausel wird die Ge- staltungskraft der Landesentwicklungsplanung gestärkt. Damit können wir für innova- tive Vorhaben, zum Beispiel aus den Bereichen Energiewende, Digitalisierung, Sied- lungsentwicklung, Daseinsvorsorge, Mobilität und Klimaschutz, räumlich oder zeitlich begrenzt von Zielen der Raumordnung abweichen. Die Experimentierklausel wird ins besondere auch Modellversuche ermöglichen, um neue innovative Lösungsansätze zu testen- ein wertvolles Instrument um voran zu kommen. Sie allein wird in der vorgege- benen Logik allerdings nicht ausreichen, um allen künftigen Herausforderungen, die eine zeitnahe Anpassung des Planes oder von Teilen des Planes erfordern, gerecht werden zu können.
Im Teil B den „Grundsätzen und Zielen der Raumordnung“ sind wir dann bei der bin- denden Raumordnungsplanung: Was ist hier neu oder hervorzuheben? Die Aufforde- rung und die Möglichkeiten, sogar teilweise Verpflichtung der interkommunalen Zu- sammenarbeit in vielen Teilfragen der Landesentwicklung zieht sich wie ein roter Fa- den durch den LEP.
Das ist bei der meist kleinteiligen kommunalen Struktur einerseits und der die kommu- nalen Grenzen sehr häufig überschreitenden Vorhaben und ihren Auswirkungen nur folgerichtig und eigentlich sinnvoll. Ob für Energie, Gewerbegebiete, Wohnungsbau, Digitalisierung oder Mobilität, und Daseinsvorsorge: Es eröffnen sich so neue Chancen für eine gemeinsame kommunale Entwicklung. Eine dafür eigentlich notwendige An- passung der kommunalen Strukturen ist bekanntlich politisch nicht gewollt. Das bedeu- tet aber auch, dass wir stets hinterfragen müssen, ob die Entscheidungsmöglichkeiten der gewählten Abgeordneten in den Kommunen nicht durch Verlagerung von Ent- scheidungen in Zweckverbände etc. unverhältnismäßig eingeschränkt werden oder eben Entwicklungschancen nicht wahrgenommen werden können.
Das weitere große Thema ist die Reduktion des Flächenverbrauches von derzeit 3,1 auf 1,3 Hektar pro Tag bis 2030, wie es die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie, das eu- ropäischen Flächensparziel und die UN-Nachhaltigkeitszielen vorgeben. Die Flächen- versiegelung zerstört nicht nur Natur und Artenvielfalt, sondern ist auch Treiber des Klimawandels und führt zu einer dauerhaften Zerstörung fruchtbarer Böden und ihrer in Jahrhunderten gewachsenen Eigenschaften.
Zwischen der Reduzierung des Flächenverbrauchs und anderen Zielen unserer Politik, vor allem mehr Gewerbeansiedlung, mehr Wohnraum und Ausbau von (Verkehrs-)Inf- rastruktur besteht ein Zielkonflikt – eine offene Flanke im LEP. Die Reduzierung des Flächenverbrauchs und die Einhaltung des Zwischenziels von 2 1,3 ha in 2030 ist ein zentrales Grünes Anliegen und findet sich als Grundsatz im LEP wieder. Das ist erst einmal ein großer Erfolg und wir sind eines der ersten Bundeslän- der, die überhaupt eine solche Regelung verankern.
Erreicht werden soll das Ziel durch die in Teil A beschriebenen und beschlossenen, sowie mit Finanzmitteln hinterlegten, freiwilligen Maßnahmen. Die regelmäßige Be- richtspflicht verleiht dem Nachdruck.
Weiterhin gilt künftig zwingend der Vorrang der Innenentwicklung vor Außenentwick- lung und der Wiederverwendung bereits versiegelter Flächen. Das wird auf die kom- munale Planung heruntergebrochen werden müssen. An einigen Stellen hätten wir uns verbindlichere, konkretere Vorgaben in den Formulierungen der Ziele und Grunds- ätze als Grundlage für die kommunale Bauleitplanung gewünscht. Es bleibt zu hoffen, dass das vielfältige Unterstützen freiwilliger Maßnahmen durch das Land auch seine landesweite Wirkung entfaltet.
Ansonsten müssen künftig weitere Maßnahmen, wie beispielsweise ein Zertifikatehan- del mit den Rechten für Flächenentnahme in Erwägung gezogen werden. Sie wissen, auch Kommunen in Schleswig-Holstein waren an dem Pilotvorhaben des Bundes be- teiligt.
Das Thema Energie ist jenseits der Teilplanung Wind um ein Kapitel erweitert worden. Ich nenne hier die Geothermie, Energiespeicher, Leitungsnetze. Ich will aber nicht ver- hehlen, dass ich mir in den Kapiteln der Siedlungsstruktur und Siedlungsentwicklung, der wirtschaftlichen Entwicklung in den Grundsätzen und Zielen eine umfangreichere Nennung von Klimaschutz und Erneuerbaren Energien als Abwägungskriterium vor- stellen kann.
Die Herausforderungen sind im Zuge des anstehenden Transformationsprozesses eben andere: So muss Elektrolyseur für Wasserstoff vielleicht nahe zur Erzeugungs- anlage im Außenbereich anstatt im Gewerbegebiet stehen, Abnahmestrukturen zuge- ordnet sein und zugleich wegen seiner Abwärme den nahen Wärmeverbraucher be- rücksichtigen.
Das ist – nur eins von vielen Beispielen, um mit neuen Planungsoptionen eine erfolg- reiche Entwicklung von Wirtschaftsentwicklung und Gesellschaft zu ermöglichen. Grundsätzlich sind Leitlinien zum Ausbau von PV und Solarthermie überfällig. Mit einer Einwallung oder Baumpflanzung als Landschaftsschutz, einer Integration von Umwelt- maßnahmen und landwirtschaftlicher Nebennutzung wie Schafbeweidung, haben viele Unternehmen bereits gut vorgelegt und die Machbarkeit bewiesen, andere werden jetzt endlich nachziehen müssen. Wir werden aber auch überprüfen müssen, wieweit wegen vieler aufgelisteter mögli- cher und sicherer Versagungskriterien viele Erneuerbare Energieprojekte stecken blei- ben. Helfen würde da sicher ein positiver Leitpfaden für BürgerInnen und Kommunen, der beschreibt, wie es gehen könnte.
Schon heute erreichen uns Anfragen aus Gemeinden, in denen die Solarthermiean- lage nicht in der Nähe des Verbrauchers gebaut werden dürfen oder überhaupt kein PV gebaut werden darf und sie so deshalb nicht klimaneutral werden können.
Dieser neue LEP enthält ein Kapitel zur Daseinsvorsorge. Von Bildung, Kinder Ju- gendliche Familien, Senior*innen, Menschen mit Behinderung, Gesundheit Pflege, Sport, Kultur, Ver- und Entsorgungsstruktur bis zur kritischen Infrastruktur sind viele 3 erweitere und neue Vorgaben eingeflossen. Das gilt auch für das umfangreiche Kapi- tel des Ressourcenschutzes und der Ressourcenentwicklung.
Hier ist auch nicht nur fortgeschrieben worden, sondern neue Erkenntnisse und Be- wertungen haben Eingang gefunden und werden ihre Wirksamkeit in weiteren Planun- gen und legislativen Vorgaben entfalten. Ich hebe an dieser Stelle nochmal den Bin- nenhochwasserschutz, den Klimaschutz und die Klimafolgenanpassung im Küsten- schutz hervor.
Ich komme zum Schluss: Der neue Landesentwicklungsplan 2021 ist ein Fortschritt gegenüber dem jetzt gültigen und hat unsere Zustimmung. Die Ereignisse und Ent- wicklungen der letzten Jahre und Monate haben deutlich gemacht, dass es für eine weiterhin erfolgreiche, freie Gesellschaft und Wirtschaft zeitnah vieler grundlegender Anpassungen bedarf.
Diese Erkenntnis hat sich verbreitet durchgesetzt und findet Eingang in Urteilen, wie dem des Bundesverfassungsgerichtes in Sachen Klimaschutz und in der Folge spätes- tens dann in Gesetzen. Auch der Europäische Green Deal spiegelt diese Herausforde- rung wider. Damit die Landesplanung dieser Entwicklung gerecht werden kann, wer- den mindestens in Teilbereichen des LEPs Verfahren und Wege gefunden werden müssen, den neu erstellten Plan anzupassen.
Der anstehende umfangreiche Transformationsprozess für Klimaschutz, Klimaneutrali- tät und Energiewende wird dies erforderlich machen. Die Landesentwicklungsplanung muss ein Plan des „Zukunft-Ermöglichens“ werden.
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