![]() |
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER
LANDTAG Drucksache 14/2525 14. Wahlperiode 16.11.99 |
Bericht der Landesregierung
|
|
Neugestaltung und Verbesserung der Organisationsstrukturen in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung Landtagsbeschluss vom 14. Oktober 1999 - Drucksache 14/2436 - |
|
Federführend ist die Ministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales. |
Bericht der Landesregierung zur
Neugestaltung und Verbesserung der
Organisationsstrukturen in der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung
(Berichtsantrag der Fraktion der CDU - Drucksache 14/2436)
Federführend ist das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales.
Bundesweit gibt es in der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSV) derzeit 20 Organisationseinheiten, die zuständig jeweils für die Bereiche Unfallversicherung, Alterssicherung, Krankenversicherung sowie Pflegeversicherung sind. Die räumliche Zuständigkeit des LSV-Trägers in Schleswig-Holstein erstreckt sich auf Hamburg und Schleswig-Holstein.
Der Bundeszuschuss für die LSV-Träger betrug 1998 bundesweit 7,64 Mrd. DM bei Gesamtaufwendungen in Höhe von rd. 13 Mrd. DM. Insbesondere durch die Defizithaftung des Bundes im Bereich der Alterssicherung der Landwirte ist ein besonders hoher Einsatz an Bundesmitteln erforderlich. Im Jahre 1998 betrug der Bundeszuschuss hier 4,3 Mrd. DM. Der Bundeszuschuss deckt damit knapp 70 % der Gesamtausgaben auf dem Gebiet der Alterssicherung der Landwirte.
In den letzten Jahren ist bundesweit ein signifikanter Rückgang an Versichertenzahlen im Bereich der Landwirtschaft festzustellen. Von 1996 auf 1997 ist die Zahl der Versicherten der landwirtschaftlichen Alterskasse bundesweit von rd. 511.000 auf etwa 475.000 zurückgegangen. Von 1996 bis 2007 wird sich nach einer "mittleren Prognose" der Bundesregierung die Zahl der Versicherten in der Alterssicherung der Landwirte um insgesamt 189.000 auf dann 322.000 weiter verringert haben.
Auch bei den landwirtschaftlichen Betrieben ist eine deutliche Abnahme zu verzeichnen. Die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe in den alten Ländern hat sich in der Zeit zwischen 1980 und 1998 von knapp 800.000 auf rd. 485.000 verringert. Dies entspricht einem Rückgang um rd. 40 %.
Dieser Trend bestätigt sich auch in Schleswig-Holstein. Zwischen 1980 und 1998 verringerte sich die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe von 27.569 auf 16.876 Betriebe. Die Versichertenzahlen reduzierten sich in Schleswig-Holstein von 1996 auf 1997 von 25.318 auf 23.384 Versicherte.
Vor dem Hintergrund des Strebens nach bestmöglicher Wirtschaftlichkeit, d.h. insbesondere nach bestmöglicher Effizienz und Effektivität in der Aufgabenwahrnehmung folgt aus vorgenannter Entwicklung ein notwendiger Anpassungsbedarf der bestehenden Strukturen. Hierüber sind sich Bund, Länder, LSV-Träger und deren Verbände sowie der Deutsche Bauernverband grundsätzlich einig. Die Bundesregierung hat sich in ihrer Koalitionsvereinbarung vom 20. Oktober 1998 für eine Überprüfung und zukunftsweisende Neugestaltung der Organisation der agrarsozialen Sicherung ausgesprochen. Unterschiede gibt es jedoch in den angebotenen Lösungsmodellen.
Im wesentlichen werden zur Zeit folgende Lösungsmodelle diskutiert:
1. Bundesrechnungshof-Modell
Der Bundesrechnungshof schlägt einen bundesunmittelbaren Träger vor. Die bestehenden LSV-Träger würden danach in einer Übergangsstruktur als unselbständige Regionalverwaltungsstellen bis zum Jahre 2007 fortbestehen. Danach würde es nur noch den bundesunmittelbaren Träger geben. Der Bundesrechnungshof geht davon aus, dass mit einem solchen Modell vier Jahre nach Umsetzung Verwaltungs- und Verfahrenskosten von mind. 100 Mio. DM jährlich einzusparen wären. Diese Einsparungseinschätzung hat der Bundesrechnungshof jedoch rechnerisch nicht belegt.
2. Modell aller LSV-Träger und deren Bundesverbände
Dieses Modell plädiert für eine grundsätzliche Beibehaltung der Länderaufsicht über die LSV-Träger bei gleichzeitiger Stärkung des Bundeseinflusses. Die bestehende Anzahl von 20 Organisationseinheiten soll jedoch auf zunächst 8 Träger reduziert werden. Auf der Ebene der Bundesverbände sollen strategische Aufgaben und Querschnittsfunktionen gebündelt werden. Die LSV-Träger sollen die operativen Aufgaben wahrnehmen.
3. Modelle des BMA sowie des BML
BMA und BML haben mehrere Alternativmodelle vorgelegt, von denen jedoch nur folgende zwei Modelle vertiefend diskutiert wurden:
- In Anlehnung an das Bundesrechnungshof-Modell wurde die Errichtung eines bundesunmittelbaren Trägers mit bedarfsgerechtem regionalem Unterbau (Bezirksverwaltungen) vorgeschlagen. Im Unterschied zum Bundesrechnungshof-Modell spricht sich diese Alternative für einen Fortbestand von LSV-Versicherungsstrukturen in den Regionen durch unselbständige Bezirksverwaltungen aus.
- Als weiteres Alternativmodell wurde - orientiert am Modell der LSV-Träger und deren Bundesverbände - die Schaffung wirtschaftlicherer Organisationseinheiten bei weitgehender Wahrung der Landeszuständigkeit, verbunden mit einer Stärkung des Bundeseinflusses, vorgeschlagen. Dabei sollte eine Reduzierung der Anzahl der Träger von derzeit 20 Einheiten auf zukünftig 7 oder 8 Einheiten mit Übergangsregelungen (Bezirksverwaltungen) angestrebt werden. Zudem sollte eine Stärkung des Einflusses des Bundes, insbesondere in der Alterssicherung, z. B. durch Einführung einer Genehmigungspflicht für die Haushaltspläne unter Beteiligung (Benehmen) von BML und BMA vorgesehen werden.
Zu den vorgenannten Modellen ist festzustellen, dass es derzeit zwischen den Verfahrensbeteiligten noch kein konsensfähiges Modell gibt.
Der Rechnungsprüfungsausschuss des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages hat in seiner 9. Sitzung am 1. Oktober 1999 das Bundesrechnungshof-Modell lediglich "zur Kenntnis" genommen. Er hat zudem den BMA aufgefordert, bis Ende 2000 einen möglichst mit den Ländern abgestimmten Gesetzesentwurf zur Neuordnung der landwirtschaftlichen Sozialversicherungsträger vorzulegen, um die vom Bundesrechnungshof definierten Ziele, d. h. eine Stärkung der Wirtschaftlichkeit sowie des Einflusses des Bundes, zu erreichen.
Obwohl der Beschlussvorschlag des Rechnungsprüfungsausschusses noch eine zustimmende Kenntnisnahme vorsah, setzte sich im Verlaufe der Diskussion die Erkenntnis durch, dass der zentralistische Lösungsvorschlag des Bundesrechnungshofes keinerlei realistische Aussicht auf Umsetzung haben würde. Dies vor allem deshalb, weil es hierzu eine einhellige Ablehnung sowohl durch die LSV-Träger und deren Verbände als auch durch die Länder gibt. Diese konzentrierte Ablehnung würde in dem erforderlichen Gesetzgebungsverfahren (Zustimmungsgesetz) zwingend zu einem Scheitern im Bundesrat führen.
Im Sinne einer auch vom Rechnungsprüfungsausschuss angestrebten, mit den Ländern abgestimmten, d. h. konsensfähigen Lösung einer Neuorganisation haben BMA sowie BML die Länder bereits zu zwei Sitzungen eingeladen. Während in der ersten Sitzung die einhellige und entschiedene Ablehnung des Bundesrechnungshof-Modells von Länderseite formuliert wurde, wurden in der zweiten Sitzung insbesondere die oben genannten Alternativmodelle des BMA sowie des BML erörtert.
Das sich an das Bundesrechnungshof-Modell anlehnende zentralistische Modell des BMA und BML wurde dabei mit Blick auf die damit verbundene deutliche Abkehr vom föderalistischen System abgelehnt.
Das zweite Modell, das sich für eine Wahrung der föderalen Strukturen bei einer Reduzierung der Anzahl bei den LSV-Trägern ausspricht, wurde von allen Ländern als geeignete Diskussionsgrundlage für weitere Gespräche angesehen.
Aus Sicht der schleswig-holsteinischen Landesregierung wird sich das Bemühen um eine zeitgemäße, an Wirtschaftlichkeit orientierte, d. h. effektivitäts- und effizienzorientierte Weiterentwicklung der Organisation in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung dabei insbesondere an folgenden Kriterien bzw. Forderungen messen lassen müssen:
1. Den dezentralen, d. h. versicherungsnahen Lösungsansätzen ist gegenüber zentralistischen Lösungsansätzen der Vorzug zu geben. Wie bereits festgestellt, dürfte eine Reduzierung auf 8 Träger bundesweit ein realistischer Ansatz sein, ein Ansatz, der den Fortbestand der eigenständigen landwirtschaftlichen Sozialversicherung für Schleswig-Holstein sichern würde.
2. Das Prinzip der Selbstverwaltung muss erhalten bleiben. Es garantiert eine regional ausgewogene zeit- und praxisnahe Umsetzung der gesetzlichen Aufgaben.
3. Wegen der Mitfinanzierung der landwirtschaftlichen Sozialversicherung durch den Bund ist zu prüfen, wie diesem verbesserte, aber angemessene Einwirkungsmöglichkeiten auf die Haushalts- und Wirtschaftsführung der LSV-Träger zur Verfügung gestellt werden können.
4. Eine einheitliche Rechtsanwendung und die Gleichbehandlung der Versicherten ist
grundsätzlich anzustreben. Spielräume zur Berücksichtigung regionaler Besonderheiten
müssen aber dort erhalten bleiben, wo eine Gleichbehandlung zu Unbilligkeit führen
würde.
Dies gilt vor allem für die Bemessung der Beiträge. Eine bundesweite Vereinheitlichung
der Beitragsmaßstäbe für die Berufsgenossenschaften würde bedeuten, dass
großstrukturierte Gebiete gegenüber kleinstrukturierten Regionen deutlich mehr zahlen
müssten. Der landwirtschaftlichen Strukturpolitik, die eine Schaffung wettbewerbsfähiger
Strukturen zum Inhalt hat, würde eine solche Entwicklung zuwiderlaufen.
Fusionsüberlegungen werden sich folglich daran orientieren müssen, dass Beitragsverwerfungen ohne übergeordneten Grund zu vermeiden sind. Ein für notwendig erachteter Zusammenschluss sollte demnach nur zwischen Partnern mit vergleichbarer Beitragsbelastungsstruktur erfolgen. Dies gilt für Schleswig-Holstein in besonderem Maße, wenn man die in unserem Lande ausgeprägte Vollerwerbsstruktur nicht durch zusätzliche Lasten negativ beeinträchtigen will.
Die Landesregierung Schleswig-Holstein wird sich auf der Grundlage vorgenannter Kriterien für eine zeitgemäße Anpassung der Organisationsstrukturen in der LSV einsetzen. Ein wesentliches Ziel wird dabei der Erhalt des eigenständigen LSV-Trägers für Schleswig-Holstein und Hamburg sein.