Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

6. November 2018 – 30 Jahre Bürgerbeauftragte

El Samadoni warnt vor Staatsverdruss

Seit Oktober 1988 gibt es in Schleswig-Holstein den Posten der Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten. Zum 30. Jubiläum zieht die derzeitige Amtsinhaberin Samiah El Samadoni Bilanz.

Porträt der Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten Samiah El Samadoni
Die Bürgerbeauftragte Samiah El Samadoni wünscht sich einen Bundes-Bürgerbeauftragten. Foto: Landtag, Regina Baltschun

El Samadoni blickt auf Erfolge zurück, warnt aber zugleich vor einer wachsenden Staatsverdrossenheit in der Gesellschaft. In insgesamt 85.000 Fällen hat die beim Landtag angesiedelte Beratungsstelle in den vergangenen drei Jahrzehnten Bürgern unter die Arme gegriffen, die Probleme mit den Sozialbehörden hatten. Zentrale Ärgernisse sind Hartz IV und die gesetzliche Krankenversicherung, aber es kommen auch Beschwerden zum Wohngeld, zum Bafög, zur Jugendhilfe, zur Pflegeversicherung oder zur Rente.

Die derzeitige Bürgerbeauftragte sieht die gleichbleibend hohe Zahl von mehr als 3000 Eingaben pro Jahr als Warnsignal. Sie stelle eine „wachsende Entfremdung der Bürger vom Staat“ fest, so El Samadoni: „Das macht mir Sorgen.“ Häufig agierten Behörden unflexibel, verwendeten eine unverständliche Juristensprache oder verschickten fehlerhafte Bescheide zulasten der Betroffenen. Das Ergebnis sein ein „Vertrauensverlust in öffentliche Institutionen“.

„Damit bewirken wir etwas für den sozialen Frieden“

El Samadoni und ihr 18-köpfiges Team wollen dem entgegenwirken: durch Beratung der Betroffenen und durch klärenden Gespräche mit den Ämtern. „Wir streben einvernehmliche Lösungen an und versuchen, Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden“, so die Bürgerbeauftragte. „Damit bewirken wir etwas für den sozialen Frieden.“

In einigen Fällen sei es sogar gelungen, über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Erleichterungen zu erreichen. So habe der Einsatz der Bürgerbeauftragten dazu geführt, dass Land und Kommunen im Jahr 2016 mehr Geld für die Schulbegleitung von Kindern mit Behinderung bereitgestellt hätten.

„Ein Schatz“ für die Menschen und die Demokratie

Auch die Hausspitze des Landtages gratulierte herzlichst zum 30-jährigen Jubiläum bei einem Festakt am Abend. Landtagsvizepräsidentin Kirsten Eickhoff-Weber übermittelte die Glückwünsche der Landtagsabgeordneten und hob neben den Verdiensten der Bürgerbeauftragten deren Unabhängigkeit hervor. Die organisatorische Anbindung an den Landtag „steht nicht im Widerspruch zu einem weiteren wichtigen Prinzip des Amtes der Bürgerbeauftragten, nämlich der Unabhängigkeit“, sagte Eickhoff-Weber. Dies sei wichtig, wenn sich Bürger mit ihren Sorgen und Nöten an die Bürgerbeauftragte wenden – „und sich darauf verlassen können, dass die Arbeit der Beauftragten unabhängig erfolgt und durch kein Verfassungsorgan überwacht oder gar beeinträchtigt werden kann“.

So leiste das Amt der Beauftragten eine wichtige Arbeit für die Menschen und für die Demokratie, hob Eickhoff-Weber weiter hervor. Denn die bei der Hilfestellung für die Bürger gewonnen Erfahrungen „sind ein Schatz“ und auch wichtig für die politische Arbeit im Landtag. Die Bürgerbeauftragten seien seit 1988 „trittsicher und mit Elan“ einen beachtlichen Weg gegangen, sagte die Landtagsvizepräsidentin und schloss dabei auch das große Engagement aller Mitarbeiter ein: „Das ist eine hervorragende Voraussetzung für die Zukunft.“

Vier Bürgerbeauftragte in der Geschichte des Landes

Für die Zukunft hat die Bürgerbeauftragte bereits konkrete Wünsche an Politik und Verwaltung: Die bürgernahe Sprache müsse ein zentraler Teil der Verwaltungsausbildung werden. Behörden müssten ihre Gestaltungsspielräume nutzen und Sozialausgaben nicht als Kosten, sondern als Investition in die Gesellschaft betrachten. Und: Deutschland brauche einen Bundes-Bürgerbeauftragten. Denn die Bundesrepublik sei neben Italien das einzige EU-Land, in dem diese Einrichtung auf nationaler Ebene fehle.

Schleswig-Holstein ist eines von fünf Bundesländern mit einer Bürgerbeauftragten – neben Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Baden-Württemberg. Samiah El Samadoni ist seit 2014 im Amt. Sie ist die vierte Bürgerbeauftragte seit 1988. Neben der Sozial-Beratung leitet sie die Antidiskriminierungsstelle, ist Ansprechpartnerin für jugendliche Heimbewohner und fungiert als Polizeibeauftragte. Außerdem besucht sie regelmäßig psychisch kranke Straftäter in den forensischen Kliniken Schleswig und Neustadt. Ihre Amtszeit läuft bis 2020.

Mehr zum Jubiläum:
Sozialausschuss bekundet Respekt (Pressemitteilung)