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Karl-Martin Hentschel: Stärkung des Föderalismus
PRESSEDIENST Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 32 - Föderalismus - Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Durchwahl: 0431/988-1503 Dazu sagt der Vorsitzende Zentrale: 0431/988-1500 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Telefax: 0431/988-1501 Karl-Martin Hentschel: Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.gruene-landtag-sh.de Nr. 250.01 / 26.09.2001 Stärkung des FöderalismusDie Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich der gemeinsamen Resolution nicht ange- schlossen. Obwohl wir in einer Reihe von Einzelpunkten mit der Resolution übereinstim- men, stimmen wir weder in der Analyse noch mit der Richtung überein.Einig sind wir uns mit Ihnen, dass durch die Ausweitung der Bundesgesetzgebung der Spielraum der Länderparlamente immer mehr eingeengt wurde. Dies bedeutet aber kei- neswegs eine Schwächung der Länder. Im Gegenteil haben sich die Landesregierungen über ihre starke Stellung im Bundesrat eine Machtposition erwirkt, die häufig sogar zu ei- ner Blockade gegen die Bundespolitik geführt hat und notwendige Reformen in unserer Republik verhindert hat. Deshalb stellt sich die Frage, ob es nicht ein Konstruktionsfehler unseres Föderalismus ist, dass die Landesregierungen als Exekutive im Bundesrat die Funktion einer Legislative wahrnehmen.Das gleiche Problem haben wir auch in Europa, wo die nationalen Regierungen sogar der Hauptgesetzgeber sind, und damit die gewählten Parlamente sowohl in Brüssel, in Berlin als auch in den Ländern aushebeln können.Wir erleben in den Ländern, dass die Spielräume für eine eigene Gesetzgebung ständig abnehmen und die Parlamente ihre Aufgabe immer mehr in der Kontrolle der Exekutive, also der Landesregierungen sehen. Dies gilt auch für das Königsrecht des Parlamentes, das Haushaltsrecht. Die Parlamente sind durch Mischfinanzierungen, Zweckzuweisun- gen des Bundes und der EU und durch bundesgesetzliche Festlegungen in ihrer Gestal- tungsfreiheit bis auf einen Restspielraum festgelegt. Auch auf die Einnahmen durch Steuern und Abgaben haben sie nur marginal Einfluss.Diese Einengung erfolgt aber auch durch ein immer enger gestricktes Netz von Abstim- mungen der Bundesländer untereinander. Immer mehr Entscheidungen werden in die Fachministerkonferenzen und sogar auf die Referentenebene durch Abstimmungen der Länderverwaltungen gefällt, ohne dass das Parlament beteiligt ist. Diese Entwicklung ist aber zum Teil auch ein selbstverursachtes Problem. Insbesondere die kleinen Länderparlamente sind aufgrund ihrer geringen sachlichen und personellen Ausstattung kaum noch in der Lage, ihre Aufgaben wahrzunehmen. Je mehr die Gesetz- gebung auf Europa, auf Bundes- und auf Landesebene ineinander greift, desto schwieri- ger fällt es den Fraktionen, auch nur halbwegs den Überblick zu behalten und dies nach- zuvollziehen. Im Ergebnis kommen immer mehr Gesetzesvorlagen aus den Verwaltun- gen.Diese Entwicklung bedeutet auch ein Demokratiedefizit. Denn je mehr die verschiedenen Ebenen miteinander verwoben sind, desto schwieriger ist es für die WählerInnen, zu er- kennen, wer denn nun eigentlich die politische Verantwortung für politische Entscheidun- gen trägt.Dabei ist der politische Gestaltungsspielraum für die Länder keineswegs gering. Fast alle Bundesgesetze und EU-Richtlinien werden schließlich in Deutschland von den Ländern exekutiv umgesetzt. Es sind die Länder, die entscheiden, wie die europäischen Natur- schutzrichtlinien umgesetzt werden, es sind die Länder, die weitgehend über die Ver- wendung der Riesensummen für Verkehrsinfrastruktur entscheiden, es sind die Länder, die die Milliardensummen von Strukturfördermittel der EU und der Gemeinschaftsausga- ben vor Ort in Programme umsetzen. Nur sind die Parlamente an diesen Entscheidungen eben nur peripher beteiligt.Meine Fraktion ist der Überzeugung, dass der allgemeine Ruf nach Stärkung der Länder, wie in der Mehrheitsresolution durchklingt, diese Probleme nicht lösen wird. Wir brau- chen klare und eigenverantwortliche Kompetenzen für jede Ebene. Das heißt aber, wir brauchen sowohl eigene klar abgegrenzte Kompetenzen für die Länder, in denen sie al- leine entscheiden. Wir brauchen aber auch genauso klar abgegrenzte Kompetenzen des Bundes und der EU.Wir stimmen mit den anderen Fraktionen dort überein, wo eine stärkere Trennung der Ebenen angestrebt wird. Wir stimmen nicht überein, wenn das Subsidiaritätsprinzip oder gar das Konnexitätsprinzip gefordert wird. Beides sind in der Konsequenz Instrumente der gegenseitigen Blockade. Ein ständiges Mitregieren der Länder auf Bundes- und auf Europaebene macht die Situation nicht besser.Deshalb sind wir einverstanden mit dem Abschnitt, in dem eine eigenständige Definition der Länderkompetenzen im Grundgesetz gefordert wird. Aber das ist das genaue Gegen- teil vom Subsidiaritätsprinzip.Wir sind sogar der Meinung, dass länderübergreifende Regelungen, wie zum Beispiel die Anerkennung von Bildungsabschlüssen, besser durch eine Rahmengesetzgebung des Bundes als durch das Einstimmigkeitsprinzip der Kultusministerkonferenzen geregelt werden könnte. Die Verfassung sollte allerdings auch vorschreiben, dass die Rahmenge- setzgebung minimalistisch gehandhabt werden muss, und nicht wie heute häufig prakti- ziert, den Ländern nur noch geringe Spielräume lässt.So könnte ich mir vorstellen, dass der Bund festlegt, dass die Bundesländer zur Aner- kennung von Bildungsabschlüssen verpflichtet werden, ohne dass er im Detail festlegt, wie diese Abschlüsse auszusehen haben.Ein Konnexitätsprinzip, wie es in Ihrer Resolution gefordert wird, würde die Blockademöglichkeiten in der Politik nur noch auf die Spitze treiben. Keine der großen Reformen wäre dann noch möglich gewesen. Und wenn, dann nur über den üblichen Kuhhandel, bei dem die Landesregierungen sich weitere Kompetenzen im Bundesrat bei dem die Landesregierungen sich weitere Kompetenzen im Bundesrat sichern und zugleich weitere Spielräume für die Länderparlamente geopfert werden. Deswegen kann die Lösung auch nicht in zusätzlichen Mitspracherechten der Länderpar- lamente gegenüber dem Bundesrat oder der EU liegen. Vielmehr muss darüber nachge- dacht werden, wie der Bundesrat institutionell neu gestaltet wird, damit er wirklich eine Legislative ist, die die Interessen der Regionen vertritt. Da macht es vielleicht auch Sinn, sich einmal Modelle aus anderen föderal konstituierten Staaten wie der Schweiz oder der USA anzusehen. Schwieriger ist die Frage des Mitwirkens der Regionen in der EU zu beantworten. Das Problem liegt unseres Erachtens erstens in der Konstitution des Bundesrates. Darauf bin ich schon eingegangen. Zum zweiten liegt es aber in der Konstitution der EU selber. Hier muss im Rahmen der Verfassungsdiskussion der Europäischen Union geklärt werden, wie die Mitwirkung der Regionen gestaltet werden soll. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Situation in den Staaten der EU völlig unterschied- lich ist. Manches deutsche Bundesland ist größer, als viele jetzige und erst recht künftige EU-Staaten. Es ist deshalb zu überlegen, ob nicht die Interessen Deutschlands zumin- dest in einigen Bereichen nicht durch den Bund, sondern durch die Bundesländer selbst wahrgenommen werden. Dann stellt sich aber auch die Frage, ob die jetzige Struktur und Größe der Länder eigentlich für die Repräsentanz in Europa wirklich optimal ist. Der Föderalismus hat sich in Deutschland bewährt. Er hat wesentlich dazu beigetragen, dass in den alten Bundesländern die Gleichheit der Lebensverhältnis und die Eigenstän- digkeit der Regionen bewahrt wurde. Dies unterscheidet Deutschland erheblich von Zent- ralstaaten wie Frankreich oder Großbritannien, in denen ganze Regionen von der Ent- wicklung abgehängt wurden. Und ich glaube, der Föderalismus bietet auch eine wichtige Grundlage dafür, dass die Gleichheit der Lebensbedingungen auf mittlere Sicht auch in den neuen Bundesländern herzugestellt wird. Meine Fraktion ist nicht für Zentralismus. Aber wir sind für handlungsfähige Strukturen auf allen Ebenen, wir sind für klare Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten, damit die WählerInnen die gewählten Parlamente und Regierungen daran messen können. Wir finden es falsch, wenn jeder überall mitredet und bei Problemen die Verantwortung im- mer den anderen zuschieben kann. Das führt nur dazu, dass die Macht der Verwaltun- gen ebenso wächst wie die Ohnmacht der gewählten PolitikerInnen. Deshalb glauben wir, dass wir noch mal gründlich darüber nachdenken müssen, wie wir die Arbeitsfähigkeit auch dieses Parlamentes stärken können. Das nützt dann natürlich vor allem auch der Opposition, dessen bin ich mir bewusst. Aber es ist sicher nötig, dass eine Regierungspartei auch mal über die Handlungsfähigkeit der Opposition nachdenkt, wenn diese es nicht selber tut. Es tut mir Leid, dass wir uns in das Selbstmitleid der Mehrheitsresolution nicht einklinken. Aber ich glaube, dass es für das Ziel der Debatte so besser ist. Der amerikanische Schriftsteller Ezra Pound sagte einmal: "Regieren ist die Kunst, Probleme zu schaffen, mit deren Lösung man das Volk in Atem halten kann." Ich hoffe, uns gelingt das häufiger. ***