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Jürgen Weber zu TOP 10 und 11: Abschaffung ZVS
Sozialdemokratischer Informationsbrief Kiel, 17.10.01 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuellJürgen Weber zu TOP 10 und 11:Abschaffung der Zentralstelle zur Vergabe von StudienplätzenMit schöner Regelmäßigkeit kehren Forderungen wieder, die zentrale Studienplatzver- gabe abzuschaffen oder weitgehend einzuschränken. Hierbei wird gerne mit schlanker Hand unterstellt, es müssten letzte Festungen der Bürokratie im Hochschulwesen ge- schleift werden. Deswegen möchte ich erst einmal die Realität und die nüchternen Zahlen in Erinnerung rufen:Die ZVS verteilt zur Zeit ca. ein Viertel aller angebotenen Studienplätze. Drei Viertel al- ler Studienplätze werden im freien Wettbewerb zwischen den Hochschulen um die Studierenden vergeben. In einer Reihe von Fächern ist die Bewerberzahl kontinuierlich höher als die Zahl der verfügbaren Studienplätze. Und erst wenn dies für die überwie- gende Mehrzahl der Hochschulen gilt, kommt die ZVS überhaupt ins Spiel.Nicht außer Acht lassen darf man dabei, dass über die ZVS viele Studienwünsche rea- lisiert werden können, in über 80 % der Fälle übrigens sogar am Wunschstudienort. Insbesondere den gut qualifizierten Bewerbern wird dabei eine Abstimmung über die Studienangebote ermöglicht. Hinzuzufügen ist, dass das Hochschulrahmengesetz be- reits heute vorsieht, dass 20 % der Studienplätze dabei direkt durch die Hochschulen selbst vergeben werden. Wir wissen aber auch, dass die Hochschulen relativ wenig Gebrauch von dieser Möglichkeit machen. Schleswig- HolsteinHerausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-Hinter dem Antrag der FDP und in abgeschwächter Form auch dem der CDU steht die Intention, die Auswahlkriterien Abiturnote, Wartezeit und soziale Situation in Frage zu stellen. Allerdings bleibt dabei offen, welche geeigneteren Kriterien denn nun gelten sollen. Hier wie an anderer Stelle kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Abitur als Hochschulzugang relativiert werden soll. Das ist ein Weg, den wir nicht gehen wollen.Und dann noch ein Wort zum Thema Abbau der Bürokratie: Man stelle sich vor, wir hätten die ZVS abgeschafft, und das bei der jetzigen Situation, der Zahl der Studien- plätze und der Auswahlmöglichkeiten. Dann müsste sich beispielsweise ein angehen- der Medizinstudent, wenn er gute Chancen haben wollte, bei 36 Hochschulen in der Bundesrepublik direkt bewerben. Und wenn er Glück hätte, käme er auch 36 Mal in ein Auswahlverfahren. Und wenn er noch mehr Glück hätte, bekäme er vielleicht 25 Zusa- gen.Jetzt stellen Sie sich die einzelne Hochschule vor, sie hätte etliche Tausend Bewer- bungen und müsste auswählen. Wie viele Monate sollen denn die interessierten Be- werber warten, bis sie wissen, ob sie in Münster, in Kiel, in München oder in Hamburg einen Studienplatz bekommen, um sich dann im Falle einer Absage zu erkundigen, ob sie dann doch nach Bonn oder nach Berlin oder wo sonst auch immer hingehen müs- sen.Es wüsste niemand, der eine Zulassung von der einen Hochschule bekommen hat, ob er nicht vielleicht im Nachgang trotzdem noch bei einer anderen angenommen würde – bei einer Hochschule, die vielleicht aus seiner Sicht sogar günstiger wäre. Wenn er diesen Platz dann bekäme, gäbe es für die andere Hochschule unter Umständen eine ganz kurzfristige Absage. Das alles bedeutet nicht weniger, sondern mehr Bürokratie - zu Lasten der Studienanfänger.Nun ist die ZVS kein zementiertes Problem, sondern wir haben einen geltenden Staatsvertrag, der natürlich fristgerecht von den Ländern gekündigt werden kann. Und -3-ich denke, es macht Sinn, darüber nachzudenken, ob man einzelne Vorgaben und Regelungen auf den Prüfstand stellt.Es macht Sinn, über eine Ausweitung der Auswahlquote der Hochschulen über die bisherigen 20 % hinaus nachzudenken. Und es macht Sinn, darüber nachzudenken, wie schneller und besser auf veränderte Nachfrage in einzelnen Fächern reagiert wer- den kann.Viele Fragen müssen in diesem Zusammenhang offen angesprochen und diskutiert werden: auch das so gerne vorgeschobene Problem der mangelnden Studierfähigkeit vieler Studienbewerber oder die verstärkte Kooperation von Hochschule und Schule.Vernünftige und notwendige Regelungen der Studienplatzvergabe bei dauerhaft star- ker Nachfrage und begrenztem Angebot wird es weiter geben müssen. Wer die ZVS abschaffen will, kann mehr Wettbewerb nicht als Argument ins Feld führen. Nur wer vorhat, landesspezifische zusätzliche Hürden beim Zugang zum Hochschulstudium zu errichten, dem steht die ZVS im Weg - noch ein Grund weniger, die ZVS in der jetzigen Situation komplett abzuschaffen.