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Karl-Martin Hentschel zur mittelstandsfreundlichen Politik
= RESSEDIENST P Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 19 – Mittelstandsfreundliche Politik - Düsternbrooker Weg 70 24105 KielDazu sagt der Vorsitzende Durchwahl: 0431/988-1503 Zentrale: 0431/988-1500 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Telefax: 0431/988-1501 Karl-Martin Hentschel: Mobil: 0172/541 83 53 E-Mail: presse@gruene.ltsh.de Internet: www.gruene-landtag-sh.dePolitik für den Mittelstand Nr. 266.02 / 13.11.2002„Die Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne die Wirtschaft ist nichts“ sagte einmal ein kluger Mann. Bert Brecht drückte es sogar noch etwas drastischer aus: „Erst kommt das Fres- sen, und dann kommt die Moral.“Diese Worte machen deutlich, warum die Arbeitslosigkeit zur Zeit das Problem Nummer 1 geworden ist. Wenn die beiden Regierungsfraktionen hier heute einen Mittelstandsan- trag vorlegen, dann tun wir das, weil wir glauben, dass die Mittelstandspolitik der strate- gische Hebel dafür ist, die Trendwende zu schaffen.Ich kann gut verstehen, dass die Opposition Rot-Grün die Schuld an der augenblickli- chen Situation gibt. Und ich bekenne durchaus: Natürlich haben wir eine Mitschuld. Wir haben eine Mitschuld, weil wir nicht mutig genug die nötigen Schritte angepackt haben, um die so oft zitierten Kräfte des Marktes zu beleben.Aber anstatt uns das vorzuwerfen, sollten Sie auf der schwarz-gelben Seite sich ehrlich fragen, warum Sie trotz dieser für Sie günstigen Situation die Wahl verloren haben. Das war nicht das Hochwasser und auch nicht der Irak. Es war vor allem die Erkenntnis der WählerInnen, das sie nicht in der Lage waren, eine Alternative zu formulieren.Wenn wir aus der Krise herauswollen, dann sollten wir zunächst feststellen, wo die Ursa- chen der Krise liegen!Die erste Ursache ist der Zusammenbruch des neuen Marktes, die Absatzkrise der Computer-Technologien. Dieser Markt hatte in den 90er Jahren die Weltkonjunktur vor- wärtsgepeitscht und die Aktienkurse in den Himmel getrieben. Zuletzt wurden Firmenan- teile weltweit zu dem drei- bis vierfachen ihres wirklichen Wertes gehandelt. Am Schluss platzte die Spekulationsblase, die sich zehn Jahre lang aufgebaut hatte. Als dann auch noch der 11. September die Menschen zusätzlich erschreckte und verunsi- cherte, brach die Weltkonjunktur ein.Dieser internationale Zusammenbruch ist nicht von Rot-Grün verschuldet worden. Es wa- ren vor allem Superliberale und Konservative in den Wirtschaftsinstituten, den Banken, den Börsenzeitungen und im internationalen Währungsfonds, die trotz massiver War- nungen von renommierten Experten sich selbst in einen Gewinnrausch geredet und zugleich die Deregulierung der Finanzmärkte auf ihre Fahne geschrieben hatten.Dazu gehört auch der unselige Versuch, mit Basel II die gewachsene Bankenlandschaft in Kontinentaleuropa und Sparkassenlandschaft in Deutschland zu zerstören, um die Profite zu erhöhen.Auch dies war keine Ausgeburt von Rot-Grün, sondern eine Folge davon, dass die Ideo- logie der freien Märkte sich mal wieder verselbstständigte und vergessen wurde, dass Märkte ohne eine zuverlässigen Ordnungsrahmen nichts sind.Der zweite Grund dieser Krise liegt dagegen in Deutschland: Seit mindestens 20 Jahren wissen wir, dass die Altersdemografie unseren bisherigen Sozialsystemen den Boden entziehen wird. Aber während Anfang der 90iger Jahre viele Länder in Europa begonnen haben, ihre Sozialsysteme zukunftsfähig zu gestalten, geschah bei uns nichts. Die Mehr- heit in diesem Land befand sich in der Einigungseuphorie. Die Bundesregierung finan- zierte auf Pump Konjunkturprogramme sondergleichen, um die neuen Länder zum blü- hen zu bringen, und von denen vor allem die Wirtschaft in den alten Ländern profitierte.Auch dies war keine Erfindung von Rot-Grün. Aber obwohl die Grünen schon damals da- vor gewarnt haben, muss man ehrlicherweise sagen: Jede Regierung, die sich dieser Euphorie entgegengestellt hätte und zum Maßhalten aufgerufen hätte, wäre vermutlich aus der Regierung gespült worden.Kohl tat es nicht. Er versprach blühende Landschaften und ließ das Strohfeuer brennen. 1996 war es ausgebrannt, dann kam die Ostasienkrise und die Arbeitslosenzahlen stie- gen zum ersten Mal über vier Millionen und 1998 wurde Kohl konsequenterweise abge- wählt.Und dann kam Rot-Grün und startete ein Konsolidierungsprogramm. Dies geschah in Erwartung einer bevorstehenden Konjunkturwelle. So weit so gut lagen Eichel und Metz- ger und Co. auch noch richtig.Es fehlte aber in dieser Situation beiden Regierungsparteien der Mut, das zu tun, was in Skandinavien in der neunziger Jahren gelang: Die Reform der Sozialsysteme und die notwendige Deregulierung des Arbeitsmarktes. Aber auch hier muss ich feststellen: Die Opposition war dabei keineswegs eine Hilfe. Die Union hat an keiner Stelle gefordert, das Wachstum der Renten zu stoppen oder gar zu einer deutlichen Reduzierung der Gesundheitskosten zu kommen. Sie hat all die Jahre und der Regierung sogar vorgeworfen, Sozialabbau zu betreiben bis dahin, dass der Kandidat Stoiber sogar versucht hat, sich als die autoritäre Variante eines Sozialdemo- kraten zu verkaufen, was ihm aber niemand geglaubt hat.Und auch die Liberalen haben es uns eher schwer gemacht. Ihre wilden Rufe nach De- regulierung und Sozialabbau haben vor allem ein bewirkt: Die Menschen zu verschre- cken. Diese FDP-Parolen sind die sicherste Methode, in einem Land mit Millionen Rent- nern und einem verunsicherten Mittelstand als größten Wählergruppen jede Reform zu verhindern.Wenn wir schon zu einer Reform unserer Sozialsysteme und einer Flexibilisierung des Arbeitsmarktes kommen wollen, dann müssen die Menschen das Gefühl haben, dass es gerecht zu geht – und nicht vor allem auf Kosten der gering Verdienenden. Und das ist der schlichte Grund, warum die Menschen Rot-Grün wiedergewählt haben.Kommen wir nun von der Diagnose zur Therapie. Auch hier sind wir uns noch nicht einig. Das vorliegende Papier macht deutlich, das die beiden Regierungsfraktionen sich zumin- dest auf eine ganze Reihe, in meinen Augen zentraler Punkte einigen konnten.Wir sind uns einig, dass wir eine gezielte Mittelstandspolitik machen wollen, um die Exis- tenzgründungen zu erleichtern und die Kreditversorgung zu verbessern. Dazu gehört auch, durch eine geringere Besteuerung von Gewinnen, die reinvestiert werden, die Ei- genkapitalbasis der kleinen Betriebe in Schleswig-Holstein zu stärken.Und im Gegensatz zu den Liberalen, die immer noch mit absurden und unfinanzierbaren Steuersenkungen herumfuhrwerken, haben wir erkannt, dass unser deutsches Problem nicht die hohen Steuern sind – die Steuerquote ist international sogar ausgesprochen niedrig.Unser Problem sind die extrem hohen Sozialabgaben. Andere Länder finanzieren ihre Sozialsysteme zunehmend mit Verbrauchssteuern. Die sind außenhandelsneutral, weil auf Importe die gleichen Steuern anfallen und Exporte davon befreit sind. Dagegen leis- tet sich Deutschland immer noch ein Sozialsystem, der allein von den unteren und mittle- ren Einkommen finanziert wird.Diese hohen Lohnnebenkosten sind es, die Arbeitsplätze vernichten, die Dienstleistun- gen und Handwerk unrentabel machen, die Menschen in die Schwarzarbeit und in die Schattenwirtschaft abdrängen. So geht es nicht weiter!Meine Konsequenz ist deshalb:- Wir müssen das Rentenwachstum begrenzen, - wir müssen im Gesundheitswesen zu deutlichen Einsparungen kommen, - wir müssen nach Schweizer Vorbild alle Einkommen an der Finanzierung des Sozial- systems beteiligen, - wir müssen nach skandinavischem Vorbild größere Teile der Soziallasten über Verbrauchsteuern finanzieren sind und - wir sollten, anstelle der 340 bzw. 500 Euro-Verträge, lieber konsequent sein und einen Freibetrag und eine Progressionszone bei den Sozialabgaben einführen, um die katast- rophale Eintrittsschwelle in den regulären Arbeitsmarkt abzuflachen.Und natürlich muss der Arbeitsmarkt flexibler werden – aber das geht nicht, wenn wir ständig mit Leistungskürzungen drohen. Und was die berühmten PSAs, die Personalser- viceagenturen angeht, da sollten wir alles tun, um diese bei den Kommunen anzusiedeln. Ich glaube einfach nicht daran, dass die Bundesbürokratie „Arbeitsamt“ in absehbarer Zeit in der Lage ist, eine flexible Arbeitsvermittlung vor Ort aufzubauen.Wie sie sehen, sind eine ganze Reihe der von mir genannten Punkte in dem Papier ent- halten – ein Teil aber auch noch nicht. Daran müssen wir weiter arbeiten, um schnell zu gemeinsamen Ergebnissen zu kommen. Ich lade auch die Opposition dazu ein – denn schließlich brauchen wir ein gemeinsames Vorgehen von Bund und Ländern und auch Mehrheiten im Bundesrat. ***