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Lothar Hay zu TOP 2: Wir wollen deutliche Strukturveränderungen im Lande
Sozialdemokratischer Informationsbrief Kiel, 18.06.2003 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell TOP 2 – Regierungserklärung zur politischen und wirtschaftlichen EntwicklungLothar Hay:Wir wollen deutliche Strukturveränderungen im LandeDie sozialdemokratische Partei Deutschlands ist die älteste Partei in Deutschland und Europa. Sie steht für die Freiheit jedes Einzelnen, für Chancengleichheit bei der sozia- len und politischen Teilhabe und für die Solidarität mit jenen, die nicht aus eigener Kraft und in eigener Verantwortung ein menschenwürdiges Dasein führen können. Ohne Solidarität gibt es keine menschliche Gesellschaft. Wir lassen uns seit mehr als 140 Jahren von unseren Grundwerten Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität leiten, und dieses wird bei den notwendigen und schwierigen Veränderungen in unserer Gesell- schaft auch in Zukunft Richtschnur unseres politischen Handelns bleiben.Deutschland befindet sich in einer wirtschaftlich und sozial schwierigen Lage. Das Wirtschaftswachstum wird für dieses Jahr auf 0,5 % und wenig mehr prognostiziert. Die Folgen der anhalte nden, weltweiten Wachstumsschwäche sind: § Die Arbeitslosigkeit steigt. § Die Probleme der sozialen Sicherungssysteme werden durch zurückgehende Ein- nahmen ve rschärft. § Die Steuereinnahmen gehen real zurück. § Die Ausgaben für Investitionen und Konsum gehen zurück.Für keine Gruppe in unserer Gesellschaft wird es in Zukunft ein „weiter so“ unter glei- chen Bedingungen geben können. Hierauf muss sich jeder einstellen, und ich bin der Schleswig- HolsteinHerausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/13 07 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-festen Meinung, dass sich sehr viele Menschen im Lande schon darauf eingestellt ha- ben.Mit der Agenda 2010 und den Beschlüssen des SPD-Parteitages dazu, bestätigt auch durch die Beschlüsse des grünen Koalitionspartners vom letzten Wochenende, kom- men Maßnahmen auf den Weg, die die Sozialdemokraten in Schleswig-Holstein zwar für unterschiedlich sinnvoll, in einigen Punkten noch nicht weitreichend genug, dem Grunde nach aber richtig halten. Auch wir in Schleswig-Holstein werden nicht umhin kommen, den Menschen schmerzhafte Einschnitte durch den Doppelhaushalt 2004 und 2005 zumuten zu müssen. Wenn Eingriffe in Leistungsgesetze erforderlich sind, und davon gehe ich aus, dann ist den Menschen in Schleswig-Holstein zu erklären, warum das unumgänglich ist.Bundeswirtschaftsminister Clement hat Recht, wenn er sagt, die Menschen warten darauf, dass sich endlich etwas bewegt, und wollen erkennen, wohin die Reise geht. Der Wirtschaftsminister fordert einen parteiübergreifenden Konsens des Aufbruchs und ein klares Signal, dass der Politik Ergebnisse wichtiger sind als Rituale. Und er fordert deshalb eine gemeinsame nationale Anstrengung zur Bekämpfung der Arbeits- losigkeit. Ein Stück parteiübergreifender Konsens könnte auch in Schleswig-Holstein nicht schaden.Die Sozialdemokraten Schleswig-Holsteins treten unter den von mir genannten Grundwerten und unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten weiterhin für eine höhere Be- steuerung von Erbschaften ein. Aus meiner Sicht muss in der Debatte der nächsten Monate auch erlaubt sein, über eine Mehrwertsteuererhöhung, allerdings allein zum Senken der Sozialversicherungsbeträge, nachzudenken. Dies würde für Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine deutliche Entlastung geben, die nicht sofort wieder im Verhält- nis zu anderen Erhöhungen in den Portemonnaies der Menschen zu versickern droht. Auch die Opposition im Deutschen Bundestag, und stärker noch im Bundesrat, wird -3-sich einer grundsätzlichen Debatte über die notwendige Veränderung der Sicherungs- systeme nicht entziehen können.Ein Vorziehen der letzten Stufe der Steuerreform auf 2004 ist nur vertretbar, wenn die Einnahmeausfälle auf Seiten des Landes und der Kommunen durch einen Abbau von Subventionen aufgefangen werden. Ich bin gespannt auf die Unterstützung der Oppo- sitionsfraktionen in diesem Hause für den Abbau von Subventionen.Um unsere Interessen und vor allem die unserer Kommunen geht es bei der Gemein- definanzreform, die nach unserem Willen und der Erklärung der Bundesregierung zum 1. Januar 2004 in Kraft treten soll. Auf diese Reform ist Hessen genauso angewiesen wie Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg genauso wie Nordrhein-Westfalen und Nie- dersachsen genauso wie Schleswig-Holstein.Ich fordere Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, auf, ebenfalls Druck auszuüben, dass zum 1. Januar des kommenden Jahres eine Reform zustande kommt, die diesen Namen auch verdient. Gemeinsam mit unserem Koalitionspartner haben wir in dieser Sitzung einen Antrag zum Thema „Gemeindefinanzreform“ einge- bracht, in dem wir die Landesregierung auffordern, sich für eine deutliche Stärkung der Finanzkraft der Kommunen einzusetzen.Aus unserer Sicht muss es bei den Verhandlungen zu allererst um eine modernisierte Gewerbesteuer gehen, wie sie von den kommunalen Spitzenverbänden und vom Land Nordrhein-Westfalen vorgeschlagen werden. Die Erhaltung der Gewerbesteuer mit ei- genem Hebesatz, die Schaffung verlässlicher und konjunkturunabhängiger Einnahmen durch Verbreiterung der Steuerbemessungsgrundlage und die Erhöhung des Aufkom- mens durch eine Erweiterung des Kreises von Steuerpflichtigen sind das Ziel.Und bei dieser Forderung, meine Damen und Herren von der Union, erwarte ich natür- lich auch Ihre Unterstützung. Wenn Sie die Interessen der Kommunen vertreten wo l- len, dann müssen Sie unserem Antrag zustimmen. Auch der Städteverband Schles- -4-wig-Holstein fordert in einer Stellungnahme die anderen Fraktionen im Landtag auf, unserem Antrag zuzustimmen.In zwei Wochen wird die Landesregierung den Entwurf für den Doppelhaushalt 2004/2005 vorlegen. Wir bleiben bei unseren Schwerpunkten Bildung, Innere Sicher- heit und Arbeit. Wir werden die Landesregierung bei ihrer Zielsetzung, bis zum Herbst möglichst alle strukturellen Maßnahmen umzusetzen, die sich aus den 49 Punkten er- geben, unterstützen – auch, wenn es darum geht, weitreichende Maßnahmen und notwendige Einschnitte auf den Weg zu bringen. Einschnitte und Veränderungen an den Hochschulen des Landes werden nach Abschluss der Anhörungen unausweich- lich sein und müssen das Ziel haben, zumindest mittelfristig für eine ausreichende Fi- nanzierung von Universitäten und Fachhochschulen zu sorgen.Wir unterstützen die Landesregierung bei ihrer Absicht, den Landesanteil an der Kin- dertagesstättenfinanzierung zweckgebunden in den kommunalen Finanza usgleich zu geben. In Gesprächen mit der kommunalen Familie und den Trägerverbänden sind auch wir bereit, über eine flexible Anwendung von Rahmenbedingungen zu reden.Bei den 49 von der Chefin der Staatskanzlei und ihrer Arbeitsgruppe vorgelegten Punkten geht es um deutliche Strukturveränderungen im Lande, die nicht überall auf Begeisterung treffen werden. Gleichwohl sind diese Entscheidungen nötig. Ich nenne nur die notwendige Verringerung der Zahl der Amtsgerichte, der Finanzämter und die Übertragung der Aufgaben der staatlichen Umweltämter, der Ämter für ländliche Rä u- me und des Landesamtes für Gesundheit und Arbeitssicherheit auf die kommunale Ebene. Wir gehen genauso wie die Regierung davon aus, dass jede Aufgabe über- tragbar ist, es sei denn, eine gesonderte Prüfung ergibt das Gegenteil.Wir unterstützen alle Maßnahmen, die zu einer noch stärkeren Zusammenarbeit der norddeutschen Länder führen. Für notwendig würde ich es halten, sehr geehrter Herr Oppositionsführer, wenn Sie zu diesem Thema ein Gespräch mit Ihrem Landesvorsit- zenden führen, damit er den notwendigen aktuellen Sachstand mitbekommt. -5-Einigkeit besteht mit der Regierung darin, dass bei den Förderprogrammen im Jahr 2004/2005 jeweils eine Kürzung um 10% vorgenommen werden muss. Die Fraktion hat ihre eigenen Vorstellungen in die Debatte mit eingebracht und wird nach Vorlage des Haushaltsentwurfes besonders diesen Bereich noch einmal kritisch in Augen- schein nehmen.Wir werden gemeinsam mit unserem Koalitionspartner und der Landesregierung an den festgelegten Schwerpunkten festhalten. Die Landesregierung hat erhebliche Mittel zur Bekämpfung des Unterrichtsausfalls im Gegenwert von 200 zusätzlichen Planstel- len für die nächsten Jahre zur Verf gung gestellt. Dafür werden wir die Voraussetzun- gen im Doppelhaushalt 2004/2005 schaffen. Eine weitere Flankierung erfolgt durch das Konzept der Verlässlichen Grundschule, das ergänzt wird durch das Angebot der Betreuten Grundschule.Was den Arbeitsmarkt angeht, wird in den nächsten Wochen im Mittelpunkt stehen müssen, allen Jugendlichen einen Ausbildungsplatz, oder wenn nötig, alternativ zu- mindest berufsvorbereitende Maßnahmen zur Verfügung zu stellen. Ich bin optimis- tisch, dass das auch in diesem Jahr in Schleswig-Holstein weitgehend gelingen wird, so dass wir uns jede Debatte um die Ausbildungsplatzabgabe in unserem Land sparen können.Ich habe mit großer Erleichterung zur Kenntnis genommen, dass die Weiterführung der A 20 nach den Verhandlungen mit dem Bundesverkehrsministerium in Schleswig- Holstein kein Problem mehr ist. Es kommt nun darauf an, mit der neuen Landesregie- rung in Niedersachsen zu einer einve rnehmlichen Regelung zu kommen und da, mei- ne Damen und Herren von der CDU und der FDP, können Sie beweisen, dass Ihnen die Interessen des Landes wirklich am Herzen liegen, und Sie können bei Ihren Partei- kolleginnen und -kollegen in Niedersachsen in unserem gemeinsamen Interesse e- benso vorstellig werden wie die Landesregierung es getan hat und es weiterhin tun wird. -6-Wir erleben eine Veränderung unserer Gesellschaft. Einigen fällt es schwer, die Tram- pelpfade der Industriegesellschaft zu verlassen. Statt aufzubrechen, mitzugestalten in- vestiert mancher Interessenverband seine Kraft lieber, um Gewohntes verbissen zu verteidigen. Die Gewohnheit und Gewöhnung haben den gleichen Wortstamm. Sich eingerichtet zu haben ist ein angenehmer Zustand. Aber es hilft nichts: Umbaumaß- nahmen sind unumgänglich. Zum Beschreiten neuer Wege und Einschnitte gibt es keine Alternativen. Wir Sozialdemokraten in Schleswig-Holstein wollen diesen Weg gehen unter Beachtung unserer Grundwerte, die auch in Zukunft das Leben der Men- schen in einer menschenwürdigen Gesellschaft ermöglichen.