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Ralf Stegner zu TOP 17: Datenschutz ist konstitutiv für unseren Rechtsstaat
Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion Kiel, 11.09.2008 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuellTOP 17: Illegaler Datenhandel (Drucksache 16/2218)Ralf Stegner:Datenschutz ist konstitutiv für unseren RechtsstaatGesetzliche Regelungen zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger fordert der Vorsit- zende der SPD-Landtagsfraktion, Dr. Ralf Stegner, vor dem Hintergrund des illegalen Datenhandels. Er mahnt größere Vorsicht jedes Einzelnen beim Umgang mit seinen persönlichen Daten an. Der Staat braucht Informationen, um Verbrechen vorzubeugen oder Täter zu ermitteln, aber Zugriffe auf informationstechnische Systeme durch die Sicherheitsbehörden und die Speicherung von personenbezogenen Daten bergen möglicherweise gewaltige Nebenwirkungen. Deshalb fordert Stegner große Vorsicht bei der Einführung neuer Befugnisse. In der Wirtschaft gibt es starke Interessen, Daten und Möglichkeiten der Kommunikations- und Informationstechnologie exzessiv zu nut- zen. Doch Unternehmen müssen Persönlichkeitsrechte und das Grundrecht auf infor- mationelle Selbstbestimmung respektieren. Hilfreich zum Schutz der Bürger sind mehr Transparenz, höhere Hürden, höhere Strafen und ein generelles Klima, das den Illega- len Umgang mit Daten ächtet und ein sensibles Umgehen befördert. Verbraucher- schutzzentralen, aber auch die Rechte einzelner Verbraucherinnen und Verbraucher sollten deutlich gestärkt werden.Die Rede im Wortlaut:Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-Von dem englischen Dramatiker John Osbourne stammt der Satz „Der Computer ist die logische Weiterentwicklung des Menschen: Intelligenz ohne Moral“. Daran kann durchaus erinnert werden, wenn man die jüngsten Datenschutzskandale betrachtet.Mein Kollege Konrad Nabel berichtete vorgestern von einer eindrucksvollen Erfahrung, die er bei der Norla gemacht hat. Es war nämlich äußert schwer, die Besucherinnen und Besucher davon zu überzeugen, beim Gewinnspiel des Landtages mitzumachen. Sie wollten ihre Adressen nicht herausgeben. So ungerechtfertigt das Misstrauen in diesem Fall – gerade bei Konni Nabel - natürlich war, so ist es doch bemerkenswert und verständlich. Die Verunsicherung der letzten Wochen ist bei den Bürgerinnen und Bürgern angekommen. Wir müssen gesetzliche Regelungen zum Schutz der Bür- gerinnen und Bürger schaffen – ja. Wir brauchen aber genauso eine größere Vor- sicht jedes Einzelnen bei dem Umgang mit seinen persönlichen Daten.Die Diskussion um den Datenschutz hat immer drei Ebenen. Zum einen geht es darum, welche Daten staatliche Stellen erheben dürfen und wie sie mit diesen Daten dann umgehen. Zum anderen geht es darum, was im privaten Bereich mit Daten ge- macht wird. Und letztlich geht es um den eigenen Umgang mit den Daten. Beide Fra- gen müssen sorgfältig geprüft und beantwortet werden.Der Staat braucht Informationen. Viele Verwaltungsabläufe werden so erst möglich oder lassen sich effektivieren. Wir brauchen Informationen, um Verbrechen vorzu- beugen oder Täter zu ermitteln. Denken Sie etwa an Internet-Kriminalität oder Kin- derpornografie. Niemand von uns will aber unter ständiger Beobachtung und perma- nenter Kontrolle leben. Zugriffe auf informationstechnische Systeme durch die Sicher- heitsbehörden und die Speicherung von personenbezogenen Daten sind kein Alltags- geschäft; sie bergen möglicherweise gewaltige Nebenwirkungen und könnten zu Dammbrüchen führen. Eine Einsicht, die uns zu großer Vorsicht bei der Einführung -3-neuer Befugnisse wie etwa bei der Online-Durchsuchung und der Ausgestaltung des BKA-Gesetzes bewegt.Eine dauerhafte Vorratsdatenhaltung von Fingerabdrücken von Millionen von Bürgern, die diese unter einen Generalverdacht stellt, schießt weit über das Ziel hinaus. Die Speicherung des Lichtbildes im örtlichen Passregister ist die moderne und polizeitak- tisch wie fachliche vernünftige Lösung. Sie ist vor allen Dingen auch verfassungsge- mäß. Aber der Aufbau eines Zentralregisters würde alle Bürger als Verdächtige abstempeln. Auch hier sind also rote Linien einzuziehen und auch Kontrollmöglichkei- ten zu schaffen – aber – so wie ich ein generelles Misstrauen gegen alle Bürger ab- lehne, so wende ich mich gegen ein generelles Misstrauen gegen staatliche Institutio- nen. Sie sehen, die SPD bleibt die Polizei von innerer Sicherheit und Bürgerrechten.Etwas anders sieht dies bei der privaten Wirtschaft aus. Auch hier gilt natürlich die Unschuldsvermutung, doch müssen wir zur Kenntnis nehmen und in unser Handeln einbeziehen, welch starke Interessen hier vorhanden sind, Daten und Möglichkeiten der Kommunikations- und Informationstechnologie exzessiv zu nutzen.Es ist schwer, bei den modernen Informations- und Kommunikationstechniken, die sehr viele von uns nur im Ansatz verstehen, abzuschätzen, welche illegalen und halb- legalen Möglichkeiten die Technik eröffnet. Der Innenminister Lothar Hay hat mit sei- nem Bericht Einiges erhellt.Der durch das unabhängige Landeszentrum für Datenschutz in Schleswig-Holstein aufgedeckte Skandal um illegalen Datenhandel und die kurz davor bekannt gewor- denen Spitzel- und Schnüffelattacken bei Lidl und Telekom gegenüber ihren Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Dritten sind ein Skandal und offensichtlich nur die Spitze des Eisbergs. -4-Unternehmen haben die Pflicht, Persönlichkeitsrechte und das Grundrecht auf in- formationelle Selbstbestimmung zu respektieren und in ihrer Unternehmenspolitik anzuwenden. Das gebieten Rechtsstaat und Moral. Im übrigen ist der Umgang mit Ar- beitnehmern, der diese zu Kostenfaktoren degradiert und ihnen Würde und Rechte nimmt, für uns niemals akzeptabel – das gehört für uns auch zum Thema „gute Arbeit“.Viele Menschen - gerade, aber keineswegs nur die Älteren - sind oft schon bei norma- len Telefongeschäften nicht in der Lage, alle Feinheiten zu durchblicken. Geradezu widerlich ist die Praxis, eben besonders Älteren, leichter zu verunsichernden Men- schen bereits geschlossene Verträge vorzugaukeln und bei Nichteinhaltung Gerichts- vollzieher und Ähnliches anzudrohen.Deshalb müssen wir andere Maßnahmen ergreifen, die das Interesse, sorgfältig mit Daten umzugehen, deutlich erhöhen. Durch mehr Transparenz, höhere Hürden, hö- here Strafen und ein generelles Klima, das den Illegalen Umgang mit Daten ächtet und ein sensibles Umgehen befördert. Einen wichtigen Beitrag leistet das ULD mit dem Datenschutzaudit.Zwei Punkte sind meines Erachtens essentiell: Zum einen müssen wir die Gewinnung und den Handel mit Daten erschweren. Wir brauchen dazu die Umkehr der jetzig üblichen Praxis der impliziten Zustimmung, so dass künftig eine ausdrückliche Zu- stimmung zur weiteren Datenverwendung notwendig wird. Auf gut Deutsch: Es ist nur erlaubt, was ausdrücklich gewünscht wird. Und die Meldeauskünfte müssen, wie von Lothar Hay dargestellt, deutlich begrenzt werden.Interessanterweise wurde dies jetzt auch von Herrn Schäuble weiterverfolgt. Diese Wandlung vom Datenschutz-Saulus zum Datenschutz-Paulus finde ich durchaus be- grüßenswert. Zusätzlich wäre zu überlegen, die Forderung des Bundesdatenschutz- -5-beauftragten aufzugreifen, nämlich die Herkunftsangabe bei Werbesendungen einzu- fordern.Zum anderen müssen wir Verbraucherschutzzentralen, aber auch die Rechte ein- zelner Verbraucherinnen und Verbraucher deutlich stärken – unter anderem bei den Möglichkeiten gegen sogenannte Cold Calls vorzugehen. Daher ist für die Absi- cherung der Verbraucherinnen und Verbraucher generell eine nachträgliche schriftli- che Bestätigung eines Vertragsschlusses unbedingt erforderlich. Zusätzlich wäre zu überlegen, inwieweit es richtig ist, dass bisher im UWG nur Wettbewerber, Abmahn- vereine usw. gegen Verstöße vorgehen können. Der Standard, den wir bei Haustürge- schäften haben, müsste hier auch geschaffen werden.Wir sollten uns aber auch überlegen, inwieweit Unternehmen, die qua Aufgabe mit sensiblen Daten umgehen müssen, überhaupt privat organisiert werden und damit dem Profitinteresse unterliegen sollten. Zumindest aber sollten Unternehmen, die mit sensiblen Kundendaten umgehen, ihre Vertriebswege und ihren Service stärken. Den falschen Weg schlägt im Moment die Telekom ein. Angesichts der aktuellen Daten- skandale führt eine Schwächung des Servicebereiches und eine Brüskierung ihrer Mit- arbeiterinnen und Mitarbeiter, wie sie die Schließung selber und die Art und Weise des Vorgehens darstellen, in die falsche Richtung. Sie sollten auf motivierte Mitarbeiterin- nen und Mitarbeiter setzen, denen das langfristige Firmeninteresse vor kurzfristige ei- gene Erfolgsmeldungen geht, die mit fragwürdigen Mitteln erreicht worden wären.Lassen Sie mich dann aber noch ein paar Worte über den ganz privaten Bereich ver- lieren. Hier liegt das größte Problem. Dies gilt für die Aufforderung, bei aller Bequem- lichkeit sensibel mit den eigenen Daten wie für die Aufforderung, sensibel mit den Daten anderer umzugehen. Wir müssen sehen, inwieweit wir im Bundesdatenschutz- gesetz - in Bezug auf virtuelle Pranger, Scoring-Listen und ihre Manipulationsmöglich- keiten bis zum Finanz-Status in Internetdateien aktiv werden sollten. -6-Datenschutz ist für uns kein lästiges Übel sondern konstitutiv für unseren Rechtsstaat. Wir alle sollten daran arbeiten, dass es so bleibt. Dem Herrn Oppositionsführer passt es sicher gut in seine Klischeevorstellung über mich, wenn ich abschließend Lenin zi- tiere – aber in Sachen Datenschutz gilt in der Tat: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist bes- ser.“