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Lars Harms zu TOP 27 - Bericht zum Zustand des AKW Brokdorf
PresseinformationKiel, den 25.08.2011 Es gilt das gesprochene WortLars HarmsTOP 27 Bericht zum Zustand des AKW Brokdorf Drs. 17/1701Wieder einmal hat es ein Schleswig-Holsteinisches Atomkraftwerk geschafft, bundesweit fürSchlagzeilen zu sorgen. Diesmal war es aber nicht einer unserer beiden Pannenmeiler, sondernunserer „Vorzeigereaktor“ in Brokdorf, der aufgrund eines Transformatorausfalls vom Netzgegangen ist. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist nicht bekannt, wie es zu dem Ausfall kommenkonnte. Es hat eine Überhitzung sowie eine Gasentwicklung im Transformator gegeben, dieletztendlich zur Abschaltung geführt haben. Auch wenn dieser ungeklärte Unfall nicht imatomaren Teil der Anlage geschehen ist, hat dies doch zu einer Schnellabschaltung des Reaktorsgeführt – und die ist durchaus riskant.Der Betreiber E.on wies in diesem Zusammenhang immer wieder darauf hin, dass dieserZwischenfall nicht meldepflichtig sei, da es sich im konventionellen Teil des Kraftwerksabgespielt hat. Dadurch wird der Vorfall verharmlost. Der Betreiber hat zwar angekündigt, denTrafo auszutauschen, jedoch will E.on die genauen Ursachen der Überhitzung nicht untersuchen.Stattdessen will E.on das Kraftwerk mit halber Transformatorkapazität wieder ans Netz bringenund es mit halber Leistung betreiben. Dazu fällt einem doch nichts mehr ein. So lange nicht 2geklärt ist, wie es zu der Überhitzung und Gasentwicklung kam, haben wir keine Gewissheit,dass dem zweiten typgleichen Transformator das gleiche Schicksal ereilt. Man kann zwar einFlugzeug mit halber Leistung fliegen, aber niemand würde auf die Idee kommen zu starten,wenn ein Triebwerk ausgefallen ist. Sicherheit hat Vorrang. Das gilt auch für Atomkraftwerke.Durch derartige Aussagen vom Anlagenbetreiber wird vielmehr der Eindruck erweckt, dass dieProfitinteressen der Atomkonzerne über allem anderen stehen.Ich frage mich, ob E.on nichts aus den Vorfällen mit Krümmel und Brunsbüttel gelernt hat.Seinerzeit hat der Betreiber sich dort durch suboptimale Informationspolitik ausgezeichnet. DerBevölkerung in Schleswig-Holstein war nicht zu erklären, warum dem Betreiber die Lizenz nichtumgehend entzogen wurde. Wir haben in Schleswig-Holstein eine sensible Vorgeschichte - auchmit Brokdorf - und wenn ich als Betreiber dies alles weiß, dann verhalte ich mich entsprechendvorsichtig. Das Vertrauen in die Atomenergie und seine Betreiber ist angeknackst und Fukushimahat sein übriges getan. Das haben sich die Atomkonzerne selbst zuzuschreiben, die mit ihremAbwiegeln, Verharmlosen und Verschweigen sehr kreativ mit der schweren Verantwortungumgegangen sind, die sie als Betreiber einer risikoreichen Technologie tragen.Neben dem ungeklärten Transformatorausfall muss auch geklärt werden, wie es zu einerVerformung der Brennelemente kommen kann - auch wenn die Revision ergeben hat, dass dieVerformung sich im Toleranzbereich befindet. Bereits in 2010 ist dieses Problem erstmalig inBrokdorf aufgetaucht. Von anderen Anlagen in Deutschland wissen wir, dass dieses Problembereits seit 2007 bekannt ist. Auch wenn sich die Verformungen derzeit noch im Toleranzbereichbefinden, ist nicht auszuschließen, dass die Abschaltsicherheit eines Tages gefährdet ist. Daherist es nur folgerichtig, dass die Atomaufsicht des Landes sich an die Reaktor-Sicherheitskommission des Bundesumweltministeriums gewendet hat. Hier müssen wir Klarheithaben. 3Klarheit brauchen wir auch, wenn es um die Robustheit unserer Atomkraftwerke geht. DieReaktor-Sicherheitskommission hat dies zum Gegenstand der sogenannten„Anlagenspezifischen Sicherheitsüberprüfungen“ gemacht, um festzustellen, wie es mit demRobustheitsgrad der einzelnen Anlagen aussieht, um gegen Einwirkungen von Außen geschütztzu sein.Wir wissen, dass es Kritik an der Sicherheitsüberprüfung gibt. Neben dem zu kurzenÜberprüfungszeitraum, entsprechen auch die Überprüfungslevels nicht dem neuesten Stand vonWissenschaft und Technik. Vielmehr wurden die Levels an die Anlagen angepasst. Hier muss esfür die Zukunft unbedingt eine Überarbeitung der Sicherheitsstandards geben.Auch wenn aus Fukushima und den Sicherheitsüberprüfungen die richtigen energiepolitischenSchlüsse gezogen wurden, ändert dies nichts an unserer Kritik an der Sicherheitsüberprüfung.Endgültige Sicherheit haben wir erst dann, wenn der letzte Meiler vom Netz genommen wurde.Aber solange Atomkraftwerke in Deutschland noch betrieben werden, müssen diese auch denhöchsten technischen und wissenschaftlichen Anforderungen gerecht werden, ansonstengehören sie vom Netz genommen.