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25.08.11 , 17:20 Uhr
SSW

Lars Harms zu TOP 27 - Bericht zum Zustand des AKW Brokdorf

Presseinformation
Kiel, den 25.08.2011 Es gilt das gesprochene Wort



Lars Harms
TOP 27 Bericht zum Zustand des AKW Brokdorf Drs. 17/1701

Wieder einmal hat es ein Schleswig-Holsteinisches Atomkraftwerk geschafft, bundesweit für
Schlagzeilen zu sorgen. Diesmal war es aber nicht einer unserer beiden Pannenmeiler, sondern
unserer „Vorzeigereaktor“ in Brokdorf, der aufgrund eines Transformatorausfalls vom Netz
gegangen ist. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist nicht bekannt, wie es zu dem Ausfall kommen
konnte. Es hat eine Überhitzung sowie eine Gasentwicklung im Transformator gegeben, die
letztendlich zur Abschaltung geführt haben. Auch wenn dieser ungeklärte Unfall nicht im
atomaren Teil der Anlage geschehen ist, hat dies doch zu einer Schnellabschaltung des Reaktors
geführt – und die ist durchaus riskant.


Der Betreiber E.on wies in diesem Zusammenhang immer wieder darauf hin, dass dieser
Zwischenfall nicht meldepflichtig sei, da es sich im konventionellen Teil des Kraftwerks
abgespielt hat. Dadurch wird der Vorfall verharmlost. Der Betreiber hat zwar angekündigt, den
Trafo auszutauschen, jedoch will E.on die genauen Ursachen der Überhitzung nicht untersuchen.
Stattdessen will E.on das Kraftwerk mit halber Transformatorkapazität wieder ans Netz bringen
und es mit halber Leistung betreiben. Dazu fällt einem doch nichts mehr ein. So lange nicht 2
geklärt ist, wie es zu der Überhitzung und Gasentwicklung kam, haben wir keine Gewissheit,
dass dem zweiten typgleichen Transformator das gleiche Schicksal ereilt. Man kann zwar ein
Flugzeug mit halber Leistung fliegen, aber niemand würde auf die Idee kommen zu starten,
wenn ein Triebwerk ausgefallen ist. Sicherheit hat Vorrang. Das gilt auch für Atomkraftwerke.
Durch derartige Aussagen vom Anlagenbetreiber wird vielmehr der Eindruck erweckt, dass die
Profitinteressen der Atomkonzerne über allem anderen stehen.


Ich frage mich, ob E.on nichts aus den Vorfällen mit Krümmel und Brunsbüttel gelernt hat.
Seinerzeit hat der Betreiber sich dort durch suboptimale Informationspolitik ausgezeichnet. Der
Bevölkerung in Schleswig-Holstein war nicht zu erklären, warum dem Betreiber die Lizenz nicht
umgehend entzogen wurde. Wir haben in Schleswig-Holstein eine sensible Vorgeschichte - auch
mit Brokdorf - und wenn ich als Betreiber dies alles weiß, dann verhalte ich mich entsprechend
vorsichtig. Das Vertrauen in die Atomenergie und seine Betreiber ist angeknackst und Fukushima
hat sein übriges getan. Das haben sich die Atomkonzerne selbst zuzuschreiben, die mit ihrem
Abwiegeln, Verharmlosen und Verschweigen sehr kreativ mit der schweren Verantwortung
umgegangen sind, die sie als Betreiber einer risikoreichen Technologie tragen.


Neben dem ungeklärten Transformatorausfall muss auch geklärt werden, wie es zu einer
Verformung der Brennelemente kommen kann - auch wenn die Revision ergeben hat, dass die
Verformung sich im Toleranzbereich befindet. Bereits in 2010 ist dieses Problem erstmalig in
Brokdorf aufgetaucht. Von anderen Anlagen in Deutschland wissen wir, dass dieses Problem
bereits seit 2007 bekannt ist. Auch wenn sich die Verformungen derzeit noch im Toleranzbereich
befinden, ist nicht auszuschließen, dass die Abschaltsicherheit eines Tages gefährdet ist. Daher
ist es nur folgerichtig, dass die Atomaufsicht des Landes sich an die Reaktor-
Sicherheitskommission des Bundesumweltministeriums gewendet hat. Hier müssen wir Klarheit
haben. 3
Klarheit brauchen wir auch, wenn es um die Robustheit unserer Atomkraftwerke geht. Die
Reaktor-Sicherheitskommission hat dies zum Gegenstand der sogenannten
„Anlagenspezifischen Sicherheitsüberprüfungen“ gemacht, um festzustellen, wie es mit dem
Robustheitsgrad der einzelnen Anlagen aussieht, um gegen Einwirkungen von Außen geschützt
zu sein.
Wir wissen, dass es Kritik an der Sicherheitsüberprüfung gibt. Neben dem zu kurzen
Überprüfungszeitraum, entsprechen auch die Überprüfungslevels nicht dem neuesten Stand von
Wissenschaft und Technik. Vielmehr wurden die Levels an die Anlagen angepasst. Hier muss es
für die Zukunft unbedingt eine Überarbeitung der Sicherheitsstandards geben.
Auch wenn aus Fukushima und den Sicherheitsüberprüfungen die richtigen energiepolitischen
Schlüsse gezogen wurden, ändert dies nichts an unserer Kritik an der Sicherheitsüberprüfung.
Endgültige Sicherheit haben wir erst dann, wenn der letzte Meiler vom Netz genommen wurde.
Aber solange Atomkraftwerke in Deutschland noch betrieben werden, müssen diese auch den
höchsten technischen und wissenschaftlichen Anforderungen gerecht werden, ansonsten
gehören sie vom Netz genommen.

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