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19.07.17
16:57 Uhr
SPD

Thomas Rother zu TOP 3+4: Wir können es jetzt gemeinsam besser machen

Es gilt das gesprochene Wort!


Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html



Kiel, 19. Juli 2017



Top’s 3 + 4, Kommunalwahlrecht neu (Drs-Nr. 19/75, 19/79)



Thomas Rother
Wir können es jetzt gemeinsam besser machen

Wir meinen es ernst mit dem was wir sagen. Bereits Anfang dieses Jahres hat Ralf Stegner für eine große Koalition der Vernunft unmittelbar nach der Landtagswahl zur Aufnahme einer Sperrklausel für Kommunalwahlen in die Landesverfassung geworben. Daher kann die Überraschung nicht sonderlich groß sein, dass wir nun zu dieser Tagung einen entsprechenden Gesetzentwurf einbringen. Und es ist kein Geheimnis, dass wir eine entsprechende Landtagsinitiative auch gerne in der vergangen Legislaturperiode auf den Weg gebracht hätten. Gelegenheiten gab es genug: bei der Änderung der Landesverfassung oder bei der Änderung wahlrechtlicher Vorschriften. Das war uns in der vergangen Koalition nicht möglich und die SPD hätte mit der CDU, die sich ja positiv dazu geäußert hat, gemeinsam keine Zweidrittel-Mehrheit zur Änderung erreicht und die Hoffnung darauf, das nach der letzten Landtagswahl zu schaffen, hat sich leider auch nicht erfüllt. Daher bringen wir Ihnen in dieser Sitzung unseren Vorschlag entgegen, der hoffentlich letztlich die Zustimmung eben einer Koalition der Vernunft erlangen kann.
Wir erinnern dabei natürlich an ein Wahlversprechen der CDU: Auf der Seite 50 ihres Landtagswahlprogrammes heißt es: „Die Zersplitterung der kommunalen 2



Vertretungskörperschaften zur Kommunalwahl 2013 ist in erster Linie eine Folge des Wegfalls der 5%-Sperrklausel. Die Handlungsfähigkeit der gewählten Vertretungskörperschaften auf kommunaler Ebene muss wiederhergestellt werden. Dies bedeutet, dass das Wahlrecht die Schaffung von Mehrheiten nicht verhindern darf und dass eine zu kleinteilige Zersplitterung von Kreistagen, Gemeindevertretungen und Ratsversammlungen verhindert werden muss. Deshalb werden für Kommunalwahlen eine Sperrklausel von vier Prozent einführen.“ Eine gute Idee, die wir gerne in einer verfassungskonformen Variante aufgreifen. Und wann sollte diese Veränderung stattfinden, wenn nicht jetzt, damit sie zur Kommunalwahl im kommenden Jahr Gültigkeit erlangen kann. Es gibt bekannter Maßen weitere Vorschläge zur Verbesserung der Arbeit in den kommunalen Vertretungen. Die Frage der Sperrklausel ist jedoch eine Kernfrage, die andere Forderungen – wie zum Beispiel die zur Fraktionsstärke – überflüssig machen kann. Dabei hat die CDU weitgehend von den kommunalen Spitzenverbänden abgeschrieben, was nicht verkehrt ist, aber von eigenen Überlegungen nicht abhalten sollte.
Und Bernd Saxe hat in seiner Funktion als Vorsitzender des Städteverbandes Schleswig kurz nach der Landtagswahl an die Vorsitzenden der beiden großen Fraktionen geschrieben: „Das Bundesverfassungsgericht hat vor einigen Jahren die Fünf-Prozent-Sperrklausel für Kommunalwahlen abgeschafft. Seitdem konnten kleine Parteien und Wählergemeinschaften mit teilweise minimalen Stimmergebnissen in die Gemeindevertretungen einziehen, was zu einer starken Zersplitterung der Landschaft und zur teilweisen Arbeitsunfähigkeit der Kommunalparlamente führt. Wie andere Bundesländer auch sollte Schleswig-Holstein auf diesen von Karlsruhe sicher nicht gewollten Effekt reagieren und durch einfach Gesetzesänderung eine Vier-Prozent-Sperrklausel einführen“. Unabhängig von einigen erstaunlichen Formulierungen ist dem im Kern zuzustimmen.
Und Bernd Saxe spricht in seiner Beschreibung von Arbeitsunfähigkeit und eben nicht wie einst das Bundesverfassungsgericht von Arbeitserschwernissen, die in Kauf zu nehmen wären.


Ich weiss nicht, auf welche Weise die CDU-Fraktion dem Städteverbands-Vorsitzenden geantwortet hat - unsere Antwort auf dieses Schreiben liegt Ihnen in der Drucksache 19/79 vor. Es ist bedauerlich, dass die Koalition dieses berechtigte Anliegen nicht in Ihren Vertrag aufgenommen hat. Aber was dort nicht ausgeschlossen ist, kann ja noch vereinbart werden.
Es war natürlich einfacher, damals 2008 auf der Grundlage einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes mit einem einzigen Satz das Gemeinde- und Kreiswahlgesetz zu ändern als nun eine neue Vorschrift, die Verfassungsrang haben muss und in der Tat tief in das 3



Wahlrecht eingreift, zu begründen. Daher haben wir uns mit unserem Gesetzentwurf und der Einführung einer 2,5%-Sperrklausel bei Kommunalwahlen an dem Flächenland orientiert, bei welchem dies aufgrund einer Verfassungsänderung funktioniert.
Klar: auch diese Regelung wird von einen eigenartigen Gemisch von Klein- und Kleinstparteien beklagt. Wenn Sie auf die Seiten 16 und 17 in der Begründung unseres Gesetzentwurfes schauen und es die klagende Sauerländische Bürgerliste wahrscheinlich noch saurer machen wird: Dort wird noch einmal die Autonomie der Länder im staatsorganisatorischen Bereich aus dem Grundgesetz – und das gilt dann auch für das Wahlrecht und das Wahlsystem - hergeleitet. Und nur wenn dann auch die Sperrklauseln von Landtags- und Bundestagswahlen fielen – was kaum zu erwarten ist – wäre die kommunale Sperrklausel hinfällig.
Auch das Argument der Homogenität des Kommunal-Wahlrechts zieht nicht, sonst hätten wir auch nur ein Zählverfahren und nicht drei davon. Also ist hier Gelassenheit angebracht! Aufgrund der Eingriffstiefe dieser Regelung haben wir sie natürlich ausführlich begründet. Und wir stellen unsere Begründung auf den Seiten 20 und 21 der Drucksache 19/79 natürlich auch für die Änderung des Wahlrechts in Bezug auf die Gemeinden Boostedt und Seeth den Koalitionsfraktionen gerne zur Verfügung, damit ihr Gesetzentwurf auch rechtswirksam werden kann.
Einige Aspekte zur Begründung unseres Gesetzentwurfes möchte ich besonders hervorheben: Die zunehmende Zersplitterung in den Kommunalvertretungen ist eine Tatsache, die uns durch die Antwort der Landesregierung auf Kleine Anfrage unseres Ex-Kollegen Dr. Breyer in der Drucksache 18/3805 bestätigt wurde und wir können alles andere als sicher sein, dass hier schon das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Die Folge ist eine Zunahme der Verfolgung von Teilinteressen gegen das Allgemeinwohl. Arbeitsteilung und Informationsverarbeitung oder gar eine Wahlkreisbetreuung ist für Einzelvertreter oder Kleinstgruppen kaum möglich.
Stabile Mehrheiten in den kommunalen Vertretungen sind über zeitweilige Zweckbündnisse hinaus immer schwerer zu vereinbaren. Das kann zu Kopplungsabreden führen, die widersprüchliche Beschlüsse der Gemeindevertretung zur Ausführung an die Verwaltungen herantragen. Damit machen Ratsentscheidungen immer mehr ratlos – von einer längerfristigen und verlässlichen Haushaltswirtschaft ganz zu schweigen.
Hinzu kommt, dass damit die zeitliche Beanspruchung der ehrenamtlichen Mitglieder einer Gemeindevertretung in das kaum Erträgliche steigt. Das fördert auch die Vergreisung der Vertretungen, denn Erwerbstätigen mit einem Vollzeitjob sind Marathon-Sitzungen bis spät in die Abendstunden nicht zuzumuten. 4



Und leider haben Kleinstparteien auch die Tendenz, Dinge, die nicht in eine Gemeindevertretung gehören, sondern beispielsweise in den Landtag oder den Bundestag, dort zu beraten, weil ja jeder und damit auch die Kommune davon betroffen sein könnte. Bei der Kommunalverfassungsreform vor gut 20 Jahren – mit der Abschaffung der Magistratsverfassung – hatten die Fraktionen im Landtag ja ein Regierungs- Oppositionsmodell in den kommunalen Vertretungen befördert, um eine stimmige und verlässliche Politik gestalten zu können. Davon sind wir in der Praxis vielfach weit entfernt.
Alternative Instrumente zur Einschränkung der Zersplitterung sind nicht erkennbar. Auch eine Mindestfraktionsstärke hilft letztlich wenig. Das führt in der Praxis nur zu Zweckfraktionen, damit mehr Aufwandsentschädigung und Geschäftsführerjobs. Daher ist unser Vorschlag einer 2,5 % - Sperrklausel moderat, angemessen und sachgerecht und trägt zur Verbesserung der Arbeitsfähigkeit und der ordnungsgemäßen Aufgabenwahrnehmung in den kommunalen Vertretungen bei. Hinzu kommt, dass viele kleinere Vertretungen von dieser Regelung gar nicht betroffen sind, weil da schon 5 % nicht für ein Mandat ausreichten.
In Nordrhein-Westfalen haben nicht nur die seinerzeit regierende SPD und die seinerzeit regierenden Grünen einer ähnlichen Regelung zugestimmt. Auch die CDU war mit dabei. Und ich wünsche den hier regierenden Grünen die Einsicht ihrer nordrhein-westfälischen Parteifreundinnen und –freunde, dass es der Demokratie eben nicht dienlich ist, wenn man ihr bei jeder Gelegenheit Knüppel zwischen die Beine wirft.
Eine altgrüne Haltung „Sand im Getriebe der Politikmaschine zu sein“ mag romantische Seelen noch erreichen, ist aber angesichts der grünen Schmiere im Getriebe dieser Regierung lächerlich. Am 01. Juni 2016 kritisierte die Kollegin Nicolaisen die Wahlrechtsreformen der damaligen Koalition, die aus ihrer Sicht weit hinter den Erwartungen zurückblieben und dass die Kommunen Handlungsfähigkeit bräuchten – durch die Einführung einer vier-Prozent Sperrklausel in den Kommunalparlamenten.
Wir können es jetzt gemeinsam besser machen.