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13.10.17
11:19 Uhr
SSW

Flemming Meyer: Absurde Lösung für ein künstlich herbeigeredetes Problem

Presseinformation Kiel, den 12.10.2017

Es gilt das gesprochene Wort



Flemming Meyer TOP 26 Familienfreundliches Schleswig-Holstein – Familien durch direkte Darlehen fördern Drs. 19/242

„Absurde Lösung für ein künstlich herbeigeredetes Problem“

Ich muss ehrlich sagen, dass mich dieser Antrag wirklich ärgert. Denn die wichtige Frage nach
familienfreundlichen Rahmenbedingungen wird durch falsche Grundannahmen und völlig
falsche Schlüsse überlagert. Noch dazu ist auch dieser Antrag ein Beleg für ein national
geprägtes Familienbild, das an düsterste Zeiten erinnert. In Ihren Programmen sprechen Sie
unverhohlen und unverbesserlich von einer „Schrumpfung unserer angestammten
Bevölkerung“ und wollen dieser durch eine „nationale Bevölkerungspolitik“ entgegenwirken.
Und um eine „ausgeglichene Geburtenbilanz“ zu erreichen, schlagen Sie nun allen Ernstes eine
Art Kopfprämie für Neugeborene vor. Gerade weil es Vieles gibt, was wir mit Blick auf die
Familienfreundlichkeit verbessern müssen, ist so ein Vorgehen für mich und meine Partei
wirklich nur schwer zu ertragen. 2
Eins lässt sich doch nicht einfach leugnen: Die Zeiten rückläufiger Geburtenzahlen sind schon
länger vorbei. Hier hat es eine klar erkennbare Trendwende gegeben. Und zwar nicht erst
gestern, sondern schon vor einigen Jahren. Diese Trendwende ist auf ein gutes Gesamtklima
aber auch auf zunehmend verbesserte Rahmenbedingungen für Familien zurückzuführen:
Denn die Menschen in Deutschland haben selbstverständlich einen gesetzlichen Anspruch auf
Eltern- und Kindergeld. Kinder werden im Steuerrecht berücksichtigt. Und auch bei der Frage
der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind wir zum Beispiel durch den konsequenten Ausbau
der Betreuungsangebote auf einem guten Weg.



Doch der vorliegende Antrag will leider nicht nur ein künstlich herbeigeredetes Problem lösen.
Er fordert noch dazu eine völlig absurde und kontraproduktive Maßnahme. Und er ist an
Widersprüchlichkeit kaum zu überbieten. Sie schreiben in ihrer Begründung, dass das
Armutsrisiko für Kinder in Familien ab drei Kindern signifikant höher ist, als in kleineren
Familien. Und dann wollen Sie Familien mit einem 5.000 Euro-Darlehen dazu locken,
mindestens 3 Kinder zu zeugen. Das ist offenbar eine ganz eigene AFD-Logik. Mir erschließt
sich das jedenfalls nicht. Eine Einmalzahlung von 5.000 Euro mindert doch nicht das
Armutsrisiko.



In meinen vielen Jahren in der Politik habe ich mich oft gefragt, ob ein Antrag oder ein
Gesetzentwurf nicht vielleicht doch ein wenig an der Lebenswirklichkeit vorbeigeht. In dieser
krassen Form habe ich das allerdings noch nicht erlebt. Wie gesagt: Eigentlich halte ich es für
überflüssig, weil ich das Problem nicht sehe. Aber erlauben Sie mir bitte trotzdem noch ein
zwei inhaltliche Fragen: Würde der Erlass des Darlehens nicht als ganz normales Einkommen
gelten, das auf Hartz-4-Leistungen anzurechnen ist? Und wie wird das erwähnte „erste Kind“
genau definiert? Müssen nun in Zukunft alle Paare, die ihr erstes Kind bekommen, 3
verpflichtend dieses Darlehen annehmen? Oder haben zum Beispiel alle, die bereits ein Kind
aus einer früheren Beziehung haben, ihren Anspruch automatisch verloren?



Ich habe es angedeutet und ich will hier keinesfalls missverstanden werden: Wenn es um
optimale Familienförderung geht, dann sind wir längst nicht am Ziel. Neben dem Ausbau der
Betreuungsangebote muss sich auch in der Arbeitswelt noch sehr viel bewegen. Und mit Blick
auf wirklich drängende Probleme wie etwa Kinderarmut und eingeschränkte Teilhabechancen,
ist für uns eins klar: Hier müssen ganz andere Dinge geklärt und gefragt werden, wie es zum
Beispiel um eine eigenständige Grundsicherung für Kinder steht. Oder ob unser Lohnniveau
grundsätzlich familiengerecht ist. Ich denke, diese Diskussion bringt uns dann auch wirklich
weiter.



Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden:
http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html