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09.12.20
12:37 Uhr
SSW

Christian Dirschauer: Transparenz und Gerechtigkeit bei der COVID-19-Impfung

Presseinformation
Kiel, den 09.12.2020



Es gilt das gesprochene Wort



Christian Dirschauer
TOP 31 Mündlicher Bericht zur Umsetzung der Impfstrategie
Drs. 19/2629


„Bei der COVID-19-Impfung ist die gerechte Verteilung der Impfstoffe besonders
wichtig. Zum einen sind die Impfstoffmengen begrenzt, aber auch die
Infrastruktur. Darum müssen nachvollziehbare Kriterien entwickelt werden, die
zur bestmöglichen Vermeidung von schweren Erkrankungen und Todesfällen
beitragen.“

Die Entscheidung für die Einrichtung dezentraler Impfzentren in Schleswig-Holstein halte ich für
überzeugend. Die Wege werden auf diese Weise verkürzt und die Kontrolle kann vor Ort
stattfinden. In Flensburg ist man zum Beispiel schon ganz gut davor: das entsprechende Gelände
in Mürwik wird derzeit entsprechend ertüchtigt. Die Stadt Flensburg hat der Ratsversammlung die
Arbeitsweise des Flensburger Impfzentrums erläutert. Danach ist geplant, an sieben Tagen der
Woche entlang von vier Linien ca. 300 Menschen zu impfen, so dass nach einem halben Jahr und
der zweiten Impfung schätzungsweise 27.000 Personen über einen effektiven Impfschutz 2

verfügen. Erst dann können wir in Flensburg aufatmen und allmählich daran denken, das
gewohnte Leben wieder aufzunehmen.


Während die technische Vorbereitung der Impflinien, der Abläufe und der Logistik weitgehend im
Zeitplan liegen, gibt es noch keine Empfehlung der Impfkommission. Bei der COVID-19-Impfung ist
die gerechte Verteilung der Impfstoffe aber besonders wichtig. Zum einen sind die
Impfstoffmengen begrenzt, aber auch die Infrastruktur. Darum müssen nachvollziehbare Kriterien
entwickelt werden, die zur bestmöglichen Vermeidung von schweren Erkrankungen und Todes-
fällen beitragen. In welcher Bevölkerungsgruppe ist der Nutzen der Impfung am höchsten? Wie
können alters- und berufsspezifische Risiken abgewogen werden? Und zuletzt die Frage: welche
Risikogruppen zeigen einen schweren Verlauf von Covid-19 und müssen deswegen vorrangig
geimpft werden? Diesen ethischen Fragen müssen wir uns auch als Politik stellen.


Ich verhehle nicht, dass ich die Menschen in Alten- und Pflegeheimen sowie die dort Beschäftigten
zuerst geimpft sehen möchte, weil nur so die soziale Isolierung der Heime endlich aufgehoben
werden kann. Menschen mit vielen Kontakten, zum Beispiel in Krankenhäusern und Schulen sowie
Kitas, sollten ebenfalls vorrangig geimpft und damit geschützt werden.
Die Ständige Impfkommission wird gemeinsam mit dem Robert-Koch-Institut und anderen
Institutionen alle Daten bewerten und darauf basierende Empfehlungen vorlegen. Derzeit liegt ein
Entwurf vor, der noch in der Abstimmung ist. Ich rechne allerdings noch in diesem Jahr mit einer
Priorisierung auf Grundlage eines mathematischen Modells.


Warum ist das so wichtig? Wir dürfen bei aller Euphorie über die blitzschnelle Entwicklung des
Impfstoffes nicht vergessen, dass in den letzten Jahren eine ernst zu nehmende Impfskepsis
erwachsen ist. Viele Eltern lassen sich von ominösen Warnungen verunsichern und verweigern die
Impfung ihrer Kinder gegen Röteln, Masern und Mumps. Sie wollen diesen die angeblich
schlimmen Impffolgen ersparen. Was sie aber tatsächlich tun, ist das Aufflammen eigentlich
ausgerotteter Krankheiten zu schüren. 3



Diese Angst wegen der Nebenwirkungen müssen wir deswegen offen ansprechen; gerade bei
Covid-19. Die Impfstoffproduzenten Biontech und Pfizer geben zwar an, dass sie bei ihren Tests
praktisch keine ernsten Nebenwirkungen bis auf Müdigkeit und Kopfschmerzen feststellen
konnten. Die Langzeitfolgen sind aber angesichts der kurzen Zeit völlig unerforscht. Die
Forschungen stehen erst noch an; und zwar weltweit an 150 Orten.


Bis dahin müssen die Menschen vertrauen. Und genau das wird zum Problem. Ich gehe davon aus,
dass wir an den Impfzentren Demonstrationen zu erwarten haben. Von Menschen, die auch in
Zeiten von Abstandsgebot und Kontaktbeschränkung gegen die Maßnahmen demonstriert haben.
Das haben sie an vielen Orten getan. Menschen, die sich in den letzten Monaten in noch nie
gesehener Weise unglaublich schnell radikalisiert haben. Ein einziger Klick in die sozialen Medien
und man trifft auf eine Person, die gegen Corona wettert und hinter der Krankheit eine globale
Verschwörung vermutet.


Wie gehen wir mit diesen Personen um? Wir werden die Impfzentren schützen müssen. Wir
werden die Impflinge und das Gesundheitspersonal schützen müssen. Die Forscherin Katharina
Nocun hat am Wochenende noch einmal auf das Gewaltpotenzial der
verschwörungsideologischen Milieus hingewiesen. Wir müssen das ernst nehmen und einen
effektiven Schutz organisieren. Am besten denken wir das gleich von Anfang an mit; bevor die
ersten Demos stattfinden.


Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden:
http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek/