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10.12.20
12:16 Uhr
SSW

Christian Dirschauer: Ein weiter Weg zum familienfreundlichsten Bundesland - Rede zu Protokoll gegeben

Presseinformation
Kiel, den 10.12.2020



Rede zu Protokoll gegeben



Christian Dirschauer
TOP 6 Gesetz zur Änderung des Kindertagesförderungsgesetzes
Drs. 19/2396


„Reformprozess steht am Anfang, geht aber in die grundlegend richtige
Richtung“

Ich habe die vielen Debatten rund um die Kita-Reform natürlich nicht live im Landtag erlebt. Aber
ich kann für den SSW sagen, dass wir die grundlegende Zielsetzung dieser umfassenden
Neuregelung unverändert teilen. Es ist aus unserer Sicht zum Beispiel überfällig, die Kitafinanzen
neu zu ordnen. Gleiches gilt für Verbesserungen bei der Qualität der frühkindlichen Bildung. Auch
hier müssen wir endlich entscheidend vorankommen. Und auch die finanzielle Entlastung der
Eltern ist uns seit langem ein Anliegen und muss so schnell es geht in der Beitragsfreiheit münden.
Diese übergeordneten Ziele bleiben maßgeblich für den weiteren Prozess. Und an diesen Vorgaben
werden wir das Kitagesetz selbstverständlich auch immer wieder messen.


Im vorliegenden Gesetzentwurf werden Teile der Kindertagesförderung als Kernbereich des
Kitagesetzes angepasst und präzisiert. Diese Änderungen und Klarstellungen betreffen zwar
wichtige Details, wie etwa die Tagespflege, das Kitaportal oder die Öffnungs- und Schließzeiten. 2

Aber die Grundausrichtung der Reform bleibt unberührt, so dass wir auch diese Änderungen
mittragen können. Ich möchte allerdings bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, dass dieses
Gesamtpaket für uns zwar unterstützenswert ist. Aber es ist lediglich ein erster Schritt hin zu einer
wirklich zeitgemäßen frühkindlichen Bildung. Trotz der vielen investierten Arbeit - die wir absolut
anerkennen - muss das Kita-Gesetz also fortlaufend evaluiert und im Zweifel eben auch angepasst
werden. Hierüber sind wir uns hoffentlich alle einig.


Mir ist bewusst, dass die Reform erst zum Jahresbeginn in vollem Umfang in Kraft tritt.
Gleichzeitig ist völlig klar, dass eine so umfassende Neuregelung nicht nur Gewinner hervorbringt.
Außerdem muss in dem einen oder anderen Bereich auch erstmal abgewartet werden, wie sich die
Reform tatsächlich praktisch auswirkt. Trotzdem ist längst deutlich geworden, dass es eine Reihe
wirklich wesentlicher Kritikpunkte gibt. Und nicht nur das Anhörungsverfahren zum heute
vorliegenden Gesetz zeigt, dass viele dieser Punkte bis heute nicht ausgeräumt wurden. Denn viele
Anzuhörende halten ihre Kritik aufrecht beziehungsweise verweisen auf ihre entsprechenden
vorangegangenen Stellungnahmen.


Auch wenn man sicher nicht jede Erwartung erfüllen kann, muss die Landesregierung diese Kritik
ernst nehmen. Wenn unsere Bürgerbeauftragte zum Beispiel auf Probleme im Zusammenhang
mit der Kostenübernahme für Gebärdendolmetscher hinweist müssen wir über eine Lösung im
Sinne der betroffenen Familien nachdenken. Ähnliches gilt für die grundlegenden Zweifel vieler
Träger, wenn es um qualitative Verbesserungen durch die vorgegebenen Standards geht. Der
Paritätische Wohlfahrtsverband hat zu dieser Frage bekanntlich eine alarmierende Stellungnahme
abgegeben. Vielerorts würde das Kita-Gesetz nicht zur Erhöhung, sondern eher zur Absenkung der
Qualität führen. Diesem Hinweis muss gründlich nachgegangen werden. Und zwar nicht, weil hier
rund 85 Prozent aller Einrichtungen organisiert sind, sondern vor allem weil dadurch eine
Schlechterstellung vieler Kinder droht. 3

Beim Thema frühkindliche Bildung hat der SSW immer betont, dass wir alles unterstützen, was die
Situation der Kindertagesbetreuung und die Bildungschancen unserer Kinder verbessert. Das muss
aber ausdrücklich für alle Kinder gelten. Auch für diejenigen, die einen besonderen Bedarf infolge
einer Behinderung haben. Doch hier scheint die Kita-Reform Defizite zu haben, die leider
erhebliche Unsicherheiten mit sich bringen. Da geht es nicht nur um die erwähnten
Schwierigkeiten bei der Betreuung von gehörlosen Kindern. Auch der Beauftragte Uli Hase hält an
seinen Kritikpunkten fest. Und die Tatsache, dass aus seiner Sicht die Chance verpasst wurde, die
frühkindliche Bildung wirklich inklusiv auszurichten, macht uns wirklich Sorgen. Daraus will ich an
dieser Stelle keinen Hehl machen.


Fakt ist, dass Eltern von Kindern mit Behinderung infolge des Bundesteilhabegesetzes in vollem
Umfang für die Betreuungskosten herangezogen werden. Wenn Sie mich fragen, ist es äußerst
unglücklich, dass Kitas innerhalb der Eingliederungshilfe nicht mehr als teilstationäre
Einrichtungen gelten. Aber wenn mich nicht alles täuscht, kann diesen Kindern auch noch unter
Verweis auf einen „heilpädagogischen Bedarf“ der Zugang zum Regelangebot verwehrt werden.
Diese Familien werden also eindeutig durch eine fehlende Wahlfreiheit benachteiligt. Das darf aus
unserer Sicht nicht sein. Aus gleichen Pflichten müssen auch gleiche Rechte folgen. In absehbarer
Zeit muss daher jede Kita in der Lage sein, jedes Kind aufzunehmen, das in die Kita kommen
möchte. Kinder, die von einer Behinderung bedroht sind oder eine Behinderung haben, dürfen
nicht ausgegrenzt werden. Das muss sichergestellt sein.


Aus Sicht des SSW bleibt es also dabei: Neben viel Licht bietet diese Reform auch noch viel
Schatten. Aber wir sind nicht nur hoffnungs- sondern vor allem auch erwartungsvoll, wenn es um
den weiteren Verlauf und um die Zukunft der frühkindlichen Bildung geht. Soziale Härten und eine
Schlechterstellung von Familien oder Trägern kann keiner ernsthaft wollen. Diese Dinge müssen
im Rahmen der Übergangsphase und durch die gemeinsame Evaluation mit den Betroffenen ins
Lot gebracht werden. So kann gelingen, was die Jamaika-Koalition ja längst versprochen hat. 4

Schleswig-Holstein zum familienfreundlichsten Bundesland zu machen. Noch sind wir davon aber
ein gutes Stück entfernt.