Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

Pressefilter

Zurücksetzen
11.12.20
12:17 Uhr
SSW

Jette Waldinger-Thiering: Demokratie und Solidarität sollten alle Europäerinnen und Europäer einen

Presseinformation
Kiel, den 11.12.2020



Es gilt das gesprochene Wort



Jette Waldinger-Thiering
TOP 29 Für Rechtsstaatlichkeit in der gesamten EU
Drs. 19/2626


„Die Grundwerte der EU sind nicht verhandelbar. Und deren Wahrung ist leider
offenbar kein Selbstgänger, sondern muss kontinuierlich gepflegt und noch
weiter gestärkt werden.“

Die Europäische Union ist eine Werte- und Rechtsgemeinschaft.
Ihre Grundwerte sind in Artikel 2 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) verankert und
lauten: Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung
der Menschenrechte einschließlich der Minderheitenrechte. Indem wir diese Werte achten und
fördern, fördern und erhalten wir den Frieden und das Wohlergehen auf unserem Kontinent.


Im Rahmen ihrer EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 hatte sich die
Bundesregierung vorgenommen, insbesondere das Thema Rechtsstaatlichkeit voranzubringen –
eine offenkundig wichtige und richtige Entscheidung. Wir beobachten schließlich seit Längerem,
dass die rechtsstaatlichen Grundsätze in einigen Mitgliedstaaten leider zunehmend unter Druck 2

geraten. In unserem interfraktionellen Antrag nehmen wir Bezug auf diese Problematik: Die
Wahrung der Grundwerte in der EU ist eben kein Selbstgänger, sondern muss gepflegt und noch
weiter gestärkt werden. Und bei Missachtung müssen eben notfalls auch mal harte finanzielle
Sanktionen möglich sein. Denn es kann doch nicht sein, dass die EU nur dann gut genug ist, wenn
man als Mitgliedstaat auf seine Rechte pocht und viel Geld erhält, man auf der anderen Seite aber
die gemeinsamen Pflichten und Werte missachten kann, ohne ernsthafte Konsequenzen fürchten
zu müssen. Hier muss die Staatengemeinschaft handeln. Denn die Grundwerte der EU sind nicht
verhandelbar.


Gestern Abend erreichte uns dann ja die Nachricht, dass der zwischenzeitlich auf dem aktuellen
EU-Gipfel vorgelegte Kompromissvorschlag zum EU-Haushalt, den Corona-Hilfen sowie der
Rechtsstaatsklausel angenommen worden ist. Die Fronten waren ja lange Zeit verhärtet gewesen.
Konkret ging und geht es um einen neuen Mechanismus, der es der EU erlauben soll, Zahlungen
an Mitgliedstaaten auszusetzen, wenn diese gegen rechtsstaatliche Prinzipien verstoßen. Eine
solche Verletzung wird im Zweifelsfall ja im Übrigen nach einem rechtsstaatlichen Verfahren vom
EuGH festgestellt – oder eben auch nicht. Und der EuGH wird nun auch zunächst einmal über die
Rechtmäßigkeit dieses neuen Verfahrens entscheiden, was wohl nicht vor 2022 der Fall sein wird.
Das sollte einmal festgehalten werden.
Es ist nun wahrlich alarmierend, dass einige Mitgliedstaaten die EU-Grundwerte immer offener
angreifen und bei sich vor Ort auszuhöhlen versuchen. Eben jene Mitgliedstaaten konnten nun
gleichzeitig diesen geplanten Rechtsstaatsmechanismus mit ihrem Veto lange blockieren. Möglich
ist dies, da in dieser sensiblen Angelegenheit die Einstimmigkeit im Rat erforderlich ist, um das
Gesamtpaket zu verabschieden.


Dieses Einstimmigkeitsprinzip steht ja nun auch schon seit Jahren in der Diskussion: Für die einen
macht es die EU unflexibel und lähmt diese auf der weltpolitischen Bühne. Für die anderen geht es
dabei um die grundlegende Souveränität der Staaten und die Notwendigkeit, einen Ausgleich
zwischen verschiedenen Interessen zu finden, statt Entscheidungen per qualifizierter Mehrheit 3

gegen einzelne Länder zu erzwingen. Erklären, überdenken, überzeugen, einigen – der berühmte
Kompromiss ist jedes Mal wieder ein hartes Stück Arbeit, das die Mühen ja aber wert ist. Er bringt
Lösungen, die von wirklich allen mitgetragen werden.


Gleichzeitig sollten wir aber selbstbewusst auftreten, wenn es um die eingangs genannten
Grundwerte der EU geht. Und das hat nichts mit Bevormundung zu tun, sondern mit der
Einhaltung von Verträgen und demokratischen Grundprinzipien: Schließlich haben sich alle
Mitgliedstaaten in der EU vertraglich zu rechtsstaatlichen Prinzipien in ihren Ländern verpflichtet.
Zudem sind Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Solidarität ja Werte, die uns Europäerinnen und
Europäer auch ganz ohne formales Vertragswerk einen sollten.


Insgesamt kann die EU auf Dauer doch nur funktionieren, wenn sie aus Mitgliedstaaten besteht,
die gemeinsame Grundwerte teilen. Diese Grundwerte gehören daher gestärkt und die
Auszahlung von EU-Geldern daran gekoppelt. Mit unserem gemeinsamen Antrag fordern wir die
Landesregierung dazu auf, sich genau dafür einzusetzen.


Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden:
http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek/