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28.01.21
13:11 Uhr
SSW

Christian Dirschauerr: Fakt ist, dass es an sozialem und bezahlbarem Wohnraum fehlt

Presseinformation

Kiel, den 27.01.2021
Es gilt das gesprochene Wort



Christian Dirschauer
TOP 24 Mündlicher Bericht über die Situation der Wohnungs-
und Obdachlosen in der Corona-Krise
Drs. 19/2691


„Wir müssen uns dringend stärker um wohnungs- und obdachlose Menschen
kümmern - aber längst nicht nur in Pandemiezeiten“

Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man angesichts der vermeintlichen Sorge der AfD um
die Wohnungs- und Obdachlosen ja fast rührselig werden. Doch auch wenn diese Menschen
hoffentlich nicht schon wieder gegen Geflüchtete ausgespielt werden sollen, halten wir auch diese
Initiative für wenig glaubwürdig. Oder zumindest für unnötig. Denn sowohl hier im Plenum wie
auch im zuständigen Sozialausschuss wurde wiederholt und sehr engagiert über die Belange von
Wohnungs- und Obdachlosen diskutiert und die Frage bewegt, wie wir ihre Situation verbessern
können. Auch und gerade unter den erschwerten Bedingungen der Corona-Krise.


Für den SSW ist völlig klar, dass nicht nur Wohnungs- und Obdachlose sondern auch Menschen,
die hiervon bedroht sind, unsere Hilfe brauchen. Und nach unserer Auffassung sollten wir hier 2

noch deutlich stärker unterstützen als bisher. Denn spätestens durch die Pandemie wird doch
überdeutlich, wie ungeschützt und verletzlich viele dieser Menschen sind. Wir haben daher schon
im April letzten Jahres per Plenarantrag auf die zusätzlichen Probleme hingewiesen, die Corona
diesen Menschen bringt. Schon damals haben wir die Schaffung zusätzlicher
Unterbringungsplätze für Obdachlose gefordert. Denn auch sie müssen die Möglichkeit haben, „zu
Hause“ bleiben zu können. Und auch sie brauchen einen sicheren Zugang zu sanitären Anlagen,
der ihnen in diesen Zeiten immer öfter verwehrt bleibt.


Dass die Corona-Pandemie nicht zuletzt die Unterbringungssituation verschärft, will hoffentlich
niemand leugnen. Räume, die sonst für vier Menschen gedacht waren, können zum Beispiel nur
noch zu zweit bewohnt werden. Eine Stadt wie Flensburg, die ich hier ausdrücklich für ihr
Engagement für Wohnungs- und Obdachlose loben will, hat Bedürftige daher in einem Hostel
untergebracht. Kiel verfährt ähnlich, so dass auch hier die gröbsten Härten vermieden wurden.
Möglich ist das auch deshalb, weil das Land mit Beginn der Pandemie schnell und unbürokratisch
gehandelt und einen Fonds zur Abdeckung sozialer Härten aufgelegt hat. Mich freut, dass wir uns
darauf verständigen konnten, diesen mit 3 Millionen Euro fortzuführen.


So sehr mich dieser gemeinsame Einsatz von Land und Städten auch beeindruckt. Auf eins muss
ich dringend hinweisen: Dieser Einsatz muss dauerhaft sein und darf nicht mit der Überwindung
der Krise runtergefahren werden. Es kann nicht angehen, dass in unserer Wohlstandsgesellschaft
Menschen Leben, die nicht wissen, wo sie schlafen sollen. Deshalb werden wir, wie im Übrigen
schon seit Jahren, weiter Haushaltsanträge zum Ausbau der Obdachlosenunterkünfte stellen.
Außerdem werden wir selbstverständlich weiterhin den Einsatz des Landtags und Kooperationen
mit Trägern und Kommunen im Sinne dieser Gruppe unterstützen. Denn eins war auch schon vor
Corona klar: Um hier wirklich Fortschritte zu erzielen, müssen alle staatlichen Ebenen enger
zusammenarbeiten. 3

In Zukunft muss es um eine Verstetigung und in Teilen auch um einen Ausbau der Angebote
gehen. Ausbau auch deshalb, weil die Ursachen für und die Probleme durch Obdachlosigkeit
immer vielfältiger werden. Menschen aus anderen Ländern oder Menschen, die zum Beispiel durch
eine drogeninduzierte Psychose aus der Bahn geworfen werden und auf der Straße landen,
brauchen andere Angebote und eine andere Ansprache als herkömmliche Fälle. Wir müssen aber
möglichst allen Wohnungs- und Obdachlosen Angebote machen, die sie in ihrer Lebenswirklichkeit
erreichen. Und wir müssen durch unsere sozialpolitischen Maßnahmen auch die Voraussetzungen
dafür schaffen, dass sie ein sinnerfülltes Leben in Würde führen können. Das heißt zum einen, dass
wir sie möglichst schnell in eine Wohnung bringen müssen. Aber das heißt eben auch, dass wir sie
im Zweifel langfristig und differenziert betreuen.


Aber selbst mit diesen umfassenderen Hilfen dürfen wir uns nichts vormachen: Natürlich doktern
wir auch damit eher an den Symptomen herum. Wenn wir wirklich dauerhaft verhindern wollen,
dass Menschen auf der Straße leben, brauchen wir umfassende Veränderungen in der Wohnungs-
und Sozialpolitik. Es ist und bleibt Fakt, dass es an sozialem und bezahlbarem Wohnraum fehlt. Im
Vergleich zur Jahrtausendwende gibt es über eine Million Sozialwohnungen weniger. Und es
herrscht enormer Mangel an Klein- und Kleinstwohnungen. Gleichzeitig schützt nicht einmal
unser Mindestlohn vor Armut. Genau wie viele Sozialleistungen, die einfach zu gering bemessen
sind. Das mögen zwar noch deutlich größere Aufgaben sein. Aber auch hier müssen wir ran und in
Sachen sozialem Wohnungsbau auch als Land noch deutlich mehr tun. Und zwar völlig
unabhängig von aktuellen Herausforderungen wie der Corona-Krise.


Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden:
http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek/