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25.02.21
16:48 Uhr
SPD

Dr. Ralf Stegner zu TOP 17: Für eine Welt ohne Atomwaffen!

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 25. Februar 2021
Dr. Ralf Stegner: Für eine Welt ohne Atomwaffen! TOP 17: Für eine atomwaffenfreie Welt! (19/2758) „Wir alle hatten das Glück, nie direkte Zeugen des Einsatzes von Atomwaffen zu werden. Dabei war die Gefahr über die langen Jahre des Kalten Krieges sehr real. Bei der Kuba-Krise 1962 waren wir näher am Atomkrieg als jemals zuvor. Und ich empfehle jedem das faszinierende Buch von Robert Kennedy „13 Days“, bei dem man auch etwas über Staatskunst und die Fähigkeit lernen kann, sich in die andere Seite hinein zu versetzen. Das hatte John F. Kennedy von der Historikerin Barbara Tuchman gelernt. Schleswig-Holstein hätte damals in der vordersten Frontlinie gelegen, direkt an der Grenze zwischen Ost und West. Der Kalte Krieg ist seit 30 Jahren vorbei und viele halten die Gefahr durch Atomwaffen für gebannt. Das ist ein großer Irrtum. Weltweit werden heute noch immer über 13.000 Atomwaffen in den Arsenalen der offiziellen und inoffiziellen Atommächte gelagert. Und umso wichtiger ist es, auf diese Gefahr nicht nur hinzuweisen, sondern alles zu unternehmen, um sie zu begrenzen. Jeder Einsatz von Atomwaffen hätte auch heute katastrophale Folgen für die Gesundheit heutiger und künftiger Generationen. Die Beispiele von Hiroshima und Nagasaki mahnen. Und wir wissen: Die heute zur Verfügung stehenden Sprengköpfe haben ein Vielfaches der damaligen Zerstörungskraft. Der Einsatz von Atomwaffen darf keine denkbare Alternative sein. Daraus folgt eine notwendige Konsequenz: Diese Waffen müssen vollständig beseitigt werden. Mit diesem Ziel ist der internationale Atomwaffenverbotsvertrag am 22. Januar 2021 in Kraft getreten. Eine Mehrheit der Staaten der Welt hat das Abkommen beschlossen, 51 Staaten haben ihn bis heute ratifiziert – Deutschland gehört bisher nicht dazu.
Die Bundesregierung hat sich noch nicht einmal an den Verhandlungen über diesen Vertrag beteiligt. Die Regierung begründet das im Jahresabrüstungsbericht von 2017: Sie befürchtet durch diesen Vertrag eine Schwächung des Atomwaffensperrvertrags. Diese Befürchtungen sind rechtlich lange widerlegt. Beide Verträge stehen zueinander nicht in Konkurrenz, sondern ergänzen sich. Die wahre Motivation ist eine andere. In der NATO gibt es große Vorbehalte gegenüber dem Verbotsvertrag. Und damit verbunden bei Teilen der deutschen Politik die Befürchtung, den NATO-Partnern und allen voran den USA mit einer Unterzeichnung in den Rücken zu fallen. Auch in meiner eigenen Partei teilen einige diese Befürchtung. Ich bin überzeugter Transatlantiker und – trotz aller Entwicklungen der vergangenen Jahre von der unseligen Trump-Präsidentschaft bis zum Sturm auf das Capitol – ein großer Bewunderer der USA und ihrer Vorbildrolle als älteste der modernen Demokratien. Im Übrigen hat Joe Biden die Wahl gewonnen und nicht Herr Trump. Und gerade wir Deutschen müssen dankbar sein für die

1 Verantwortung, die Amerika bei der Befreiung von der Nazi-Diktatur und beim Aufbau und Schutz unseres Landes übernommen hat. Trotzdem halte ich ein strategisches Konzept, das auf wechselseitiger atomarer Bedrohung basiert, für grundfalsch. Allemal im Jahr 2021.
Der Atomwaffenverbotsvertrag folgt einem klaren Ziel. Atomwaffen sollen geächtet werden, so wie es mit anderen Waffen in der Vergangenheit bereits gelungen ist: Landminen und Streumunition, Chemie- und Biowaffen. Kein Staat der Welt, der etwas auf sich hält, kann sie als Teil seiner nationalen Verteidigungsstrategie anführen. Dafür soll der Vertrag den Besitz, die Übernahme der Verfügungsgewalt, aber auch Finanzierung, Transport und Herstellung von Atomwaffen für die unterzeichnenden Staaten verbieten. Dies würde in Deutschland das Ende der nuklearen Teilhabe bedeuten – bis heute lagern auf dem Fliegerhorst Büchel in Rheinland- Pfalz mutmaßlich rund 20 US-amerikanische Atombomben. Aber es würde eben nicht das Ende der NATO-Mitgliedschaft bedeuten. Nur fünf von 30 NATO-Staaten beteiligen sich an der nuklearen Teilhabe. Eine NATO-Mitgliedschaft außerhalb der nuklearen Teilhabe ist nicht zweitklassig, wie die Beispiele von Kanada, Spanien oder auch Dänemark unterstreichen. Im Übrigen hat der Deutsche Bundestag bereits 2010 mit der breiten Mehrheit der Stimmen von SPD, FDP, Grünen und Union beschlossen, dass die Bundesregierung sich bei der Ausarbeitung eines neuen strategischen NATO-Konzepts mit Nachdruck für den Abzug der US-Atomwaffen in Deutschland einsetzen soll.
Deutschland beteiligt sich aktiv an der von Schweden ins Leben gerufenen Stockholm- Initiative, die das Ziel verfolgt, den Stillstand der nuklearen Abrüstung zu überwinden. Deutschland setzt sich ein für die Offenlegung und Reduzierung der weltweiten Nuklearbestände. Deutschland mahnt zu recht immer wieder friedliche, multilaterale Lösungen für die Konflikte dieser Welt an. Konsequent wäre es daher, ein Enddatum für die nukleare Teilhabe zu benennen und den Atomwaffenverbotsvertrag zu unterzeichnen.
Atomwaffen sind kein Thema nur für Außenpolitiker oder politikwissenschaftliche Kolloquien. Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts. Dieser Satz von Willy Brandt gilt erst recht für einen denkbaren Atomkrieg. Denn Atomwaffen sind eine ständige Bedrohung für uns alle. Darum ist es folgerichtig, dass zahlreiche Städte, aber auch die Landesparlamente von Berlin, Bremen, Rheinland-Pfalz und Hamburg die Unterzeichnung des Verbotsvertrags fordern. Lassen Sie uns gemeinsam dem Antrag zustimmen und dafür sorgen, dass Schleswig-Holstein diesem Beispiel folgt. Eine Welt ohne Atomwaffen ist eine sicherere Welt.“



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