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23.09.21
12:41 Uhr
B 90/Grüne

Eka von Kalben zum Paradigmenwechsel im Umgang mit der Corona-Pandemie

Presseinformation

Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Es gilt das gesprochene Wort! Pressesprecherin Claudia Jacob TOP 1, 4, 29, 31 – Regierungserklärung zum Landeshaus Paradigmenwechsel Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Dazu sagt die Fraktionsvorsitzende der Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53 Eka von Kalben: presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 302.21 / 23.09.2021


Sich impfen zu lassen ist eine Frage der Solidarität mit denjenigen, die sich nicht impfen lassen können!
Diese Mal steht die Corona-Debatte unter der Überschrift Paradigmenwechsel. Das be- deutet, einfach gesagt, dass sich unser Denkmuster verändert hat. Unser Blickwinkel, aus welchem wir politische Entscheidungen in Sachen Corona treffen. Bei einem Wech- sel lohnt es sich vielleicht noch einmal daran zu erinnern, was seit 1,5 Jahren unser Pa- radigma ist.
Bisher sahen unsere Ziele so aus: * dass wir alles tun müssen, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern, * dass wir alles tun müssen, damit möglichst alle Menschen vor einem schweren Verlauf der Krankheit geschützt werden * und dass wir die dazu nötigen Schutzmaßnahmen akzeptieren und Freiheitsbeschrän- kungen in Kauf nehmen müssen.
An diesen Zielen hat sich natürlich nichts geändert.
Wenn sich daran nichts geändert hat, was machen wir jetzt anders? Wir lassen uns nicht mehr in erster Linie von den Fallzahlen, den Inzidenzen leiten. Es geht weniger darum, ob viele Menschen infiziert sind, sondern mehr darum, wie viele Menschen einen schwe- ren Verlauf befürchten müssen. Das ist ein neues Handlungsmuster. Der Grund dafür sind die zahlreichen Impfungen.
Leider heißt die hohe Impfquote nicht, dass jetzt alle sicher sind. Auch jetzt liegen noch Menschen auf der Intensivstation – zumeist ungeimpfte Menschen, die sich nicht impfen lassen konnten oder wollten. Häufig sind das auch jüngere Menschen als zu Beginn der
Seite 1 von 4 Pandemie.
Und noch immer sehen wir Auf und Abs – weltweit und in den Ländern um uns herum. Die Pandemie ist noch nicht vorbei.
Trotzdem haben wir uns entschieden, wesentliche Freiheitseinschränkungen zurückzu- fahren und Menschen mit der 3G-Regelung wieder mehr Kontakt und Nähe zu ermögli- chen – beim Konzert, beim Singen, beim Tanzen, beim Sport und beim Essengehen.
Und das ist nicht nur eine Entscheidung, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen – obwohl auch das sehr wichtig ist. Nein, zuallererst geht es darum, den Menschen wieder ein Leben mit anderen zu ermöglichen. Denn das wissen wir auch: die Pandemie hat Menschen nicht nur an Covid erkranken lassen. Sondern auch an der Psyche, an man- gelnder Bewegung und vielem mehr.
Menschen brauchen Kontakt zu anderen Menschen. Menschen brauchen Nähe.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben so viele Forschungsberichte gelesen, unglaublich viele Podcasts gehört und trotzdem wissen wir nicht genau, was mit der 4. Welle auf uns zukommt.
Wird die Impfung reichen, um uns zu schützen, werden unsere Kinder geschützt sein und schaffen wir es, eine schwerwiegende Mutation abzuwehren?
Ich weiß es nicht und wer es behauptet zu wissen, dem würde ich nicht glauben. Und deshalb, Herr Brodehl, können wir auch nicht so tun, als gäbe es keine Pandemie. Es gibt sie, auch wenn man sie nicht sieht. Deswegen ist ihr Antrag absolut inakzeptabel und gefährlich populistisch. Sie heizen mit solchen Forderungen die an, die sich nicht scheuen, Gewalt anzuwenden.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir können es nicht allen recht machen. Es gibt Menschen, die nach wie vor in größter Sorge wegen des Virus sind. Die sich um sich oder ihre Angehörigen sorgen. Gerade um die nicht geimpften Kinder. Denen gehen manche neuen Freiheiten zu weit. Es gibt aber auch Menschen, die angesichts der Zahl der Geimpften und der wenigen schweren Ver- läufe nicht verstehen können, dass es überhaupt noch Maskenpflicht und Abstandsregeln geben muss.
Und genauso ist es bei der Frage der Impfung. Geimpfte und nicht geimpfte Menschen gleich zu behandeln ist schwierig. Von den einen geht ein geringeres Ansteckungsrisiko aus als von den anderen. Auch wenn sie sich testen lassen.
Wenn Menschen, die geimpft sind, andere nicht oder kaum anstecken, dann müssen sie auch nicht auf Abstand zu anderen gehen. Wenn ich aber auf eine Impfung verzichte und auch nicht getestet bin, dann habe ich ein sehr hohes Risiko, die Krankheit zu verbreiten. Und das schadet allen, insbesondere den Menschen die nicht geimpft sind. Egal ob frei- willig oder unfreiwillig,
Ich bin immer wieder überrascht, wenn ich höre, wie viele Menschen noch nicht geimpft sind – auch in Schleswig-Holstein. In meiner „Bubble“ gibt es so wenig Menschen, die eine Impfung ablehnen. Deshalb finde ich es immer wieder sehr spannend, wenn ich Menschen begegne, die anderer Meinung sind.

2 Letzte Woche hatte ich einen Austausch mit einer Altenpflegerin. Sie präsentierte mir ihre Quellen, über Impftote. Sie hatte gelesen, dass man in der Schweiz nicht an die Medien gehen dürfe, wenn man trotz Impfung erkrankt sei. Sie machte sich Sorgen und will sich nicht impfen lassen. Ich halte dagegen, dass das Fake-News sind und es genügend se- riöse Quellen gäbe, die das Gegenteil sagten. Denen glaube sie nicht… Solche Ausei- nandersetzungen kennen sicher viele von Ihnen.
In der Regel gibt es zwei Möglichkeiten: die Menschen glauben, dass ich wegen einer Weltverschwörung fehlinformiert sei. Da breche ich das Gespräch so höflich wie möglich ab. Oder die Menschen glauben, dass die Politik nur kurzfristig auf die Coronafälle schaue und zu wenig die Langzeitfolgen der Impfung im Blick habe.
Meine Damen und Herren, liebe Zuhörende, es gibt nie die absolute Sicherheit. Aber die überwiegende Mehrzahl der Menschen, die sich wissenschaftlich mit dem Thema befassen, geht davon aus, dass die Wahrschein- lichkeit einer schwerwiegenden Impfschädigung deutlich geringer ist als die Wahrschein- lichkeit eines schweren Coronaverlaufs.
Und ja, es ist auch eine Frage der Solidarität. Nämlich mit denjenigen, die die Wahl nicht haben. Den Kindern, den Menschen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können, sie können nur durch eine geimpfte Gesellschaft geschützt werden.
Die Entscheidung der Bundesregierung, die Lohnfortzahlung für Ungeimpfte bei Quaran- täne nicht fortzusetzen, werden auch wir im Land umsetzen. Für viele Menschen ist es nicht mehr nachvollziehbar, dass die öffentliche Hand bei Quarantänefällen, die vermeid- bar wären, Zahlungen leistet.
Aber ich sehe diese Entscheidung der Gesundheitsminister*innen auch mit einer gewis- sen Sorge. Wenn wir Pech haben, werden Menschen sich weniger testen lassen. Sie werden die Quarantäne umgehen und damit die Ausbreitung der Pandemie beschleuni- gen.
Und gerade für Menschen mit geringem Einkommen und hoher Wahrscheinlichkeit in Quarantäne zu gehen, wie zum Beispiel Erzieher*innen, kommt diese Entscheidung einer Impfpflicht gleich. Weil Menschen es sich schlicht nicht leisten können, sich nicht impfen zu lassen.
Wir können über Impfpflichten in bestimmten Berufen diskutieren, aber dann sollte das nicht über die Lohnzahlung gehen.
Was ich aber besonders problematisch finde ist, dass wir nach wie vor keine verpflichten- den Testungen am Arbeitsplatz haben. In Schulen werden die Kinder regelmäßig getes- tet, am Arbeitsplatz gibt es nur das Angebot. Das heißt, ich weiß am Arbeitsplatz nie, ob ich von Menschen umgeben bin, die geimpft, getestet oder genesen sind.
Das gilt übrigens auch für die Situation hier im Landeshaus.
Sehr geehrte Damen und Herren, unabhängig von der Tatsache, ob wir eine neue Welle erwarten müssen oder nicht, gilt es nun auch den Blick nach vorne zu richten.
Wir müssen:

3 * natürlich über das Impfen aufklären, wo es noch nicht geschehen ist und auch bei den Angeboten nicht nachlassen; * Impfstoffe, die woanders gebraucht werden, weitergeben. Und den Ländern bei der Verimpfung helfen. * die Forschung zur Vermeidung und Heilung von Corona voranbringen. Und die For- schung muss gefördert werden, gerade auch um endlich Kenntnisse zu Long Covid zu bekommen.
Und wir müssen uns auf weitere Pandemien einstellen, damit wir nicht wieder so über- rascht zu werden: Unser Gesundheitssystem muss sturmsicher ausgebaut werden und Schulen dürfen auf keinen Fall wieder so lange geschlossen werden müssen.
Wir wollen aus Corona lernen. Wir wollen denjenigen, die in dieser Zeit so viel geleistet haben, nachhaltig helfen. Deshalb müssen unsere Worte mehr als Festtagsreden sein. Wir müssen uns schon heute auf morgen vorbereiten.
Vielen Dank.
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