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27.10.21
16:23 Uhr
SPD

Kirsten Eickhoff-Weber zu TOP 18: Jamaikas Uneinigkeit schadet dem Land

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 27. Oktober 2021
Kirsten Eickhoff-Weber: Jamaikas Uneinigkeit schadet dem Land TOP 18: Entwurf einer Landesverordnung über den Landesentwicklungsplan Schleswig -Holstein – Fortschreibung 2021 (Drs. 19/3311) „Die Landesregierung legt uns den Entwurf der Fortschreibung des Landesentwicklungsplans vor. Allen Beteiligten, die an der Aufstellung gearbeitet haben, möchte ich danken. Und bei aller inhaltlichen Kritik, die wir an dem vorliegenden LEP haben, soll das die Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht schmälern. Der LEP legt für 10 – 15 Jahre die Ziele und Grundsätze fest, nach denen die räumliche Entwicklung des Landes erfolgen soll. Öffentliche Stellen – auch die Kommunen – sind verpflichtet, die festgelegten Ziele der Raumordnung zu beachten und in Abwägung s- und Ermessensentscheidungen zu berücksichtigen. Damit hat das Land über den LEP und die daraus abzuleitenden Regionalpläne erheblichen Einfluss auf die Entwicklungen im Land – von der Siedlungs- und Wirtschaftsentwicklung über den Rohstoffabbau, den Ausbau erneuerbarer Energien, den Klima- und Naturschutz, den Küsten- und Hochwasserschutz bis hin zu Verkehrswegen und -strömen. Sie glauben allen Ernstes, dass den Abgeordneten des Schleswig-Holsteinischen Landtags eine Handvoll Werktage reichen, um diesen Entwurf tatsächlich zu prüfen? Die Auswirkungen bis in jeden Wahlkreis kritisch nachzufragen? So findet sich die Hauptkarte, die ganze raumordnerische Zukunft Schleswig-Holsteins, in der Drucksache auf einem DIN A3 Blatt. Was denken Sie sich eigentlich dabei? Und dann kommt der Hinweis: alles online. Ja, aber dann sehe ich je nach Gerät nur einen verdammt kleinen Teil des Landes. Der Landtag aber soll die Geschicke des gesamten Landes im Blick haben. Wie soll das gehen, wenn wir immer unseren Horizont an den Möglichkeiten unserer Technik orientieren? So wie Sie mit der Änderung des LandesplanungsG die Bürger*innenbeteiligung kastriert haben, beschneiden Sie jetzt die Möglichkeiten der Abgeordneten. Möglichkeiten der Technik, ein wichtiges Stichwort. Wie hat sich Jamaika gefeiert hat für die Änderungen im LaPlaG, die Auslegung von Planunterlagen nur noch auf das absolute Minimum zu beschränken. Digital hieß Ihre Antwort. In der Stellungnahme der Stadt Neumünster haben selbst die Profis aus der Stadtplanung dies deutlich kritisiert. Sie grenzen nicht nur Menschen mit Behinderung aus, sondern auch alle nicht so Technikaffinen, alle mit unzureichender

1 technischer Ausstattung und alle die nicht ausreichend verkabelt sind. Das wurde in der Anhörung mehr als deutlich. Aber das haben Sie alles weggewischt. Und jetzt dieser unglaubliche Umgang mit dem Parlament. Warum meine Kritik am Verfahren? Der LEP ist eigentlich das Instrument, mit dem das Land die vielen großen strategischen Zielkonflikte, die wir sowohl wirtschaftlich als auch beim Klimaschutz, bei der Konkurrenz um die Flächen und in der Frage, wie wir SH für die Zukunft aufstellen wollen lösen müssen. Wenn Sie nicht den Mut haben, diese Konflikte auf Landesebene zu lösen, gefährden Sie den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie springen zu kurz, wenn Sie die schwierigen Fragen entweder auf die Kommunen verschieben oder in unzusammenhängenden Diskussionen und einzelnen Fachplanungen begraben. Es geht um strategische Planung in einer Zeit voller Veränderungen, es geht um zuverlässige Zielsetzung, um unser Miteinander, um die Ordnung des Raums, um den Schutz der Lebensgrundlagen und die wirtschaftliche Basis. Es geht um nicht weniger als mit Klarheit und Entschlossenheit, die langen Linien gesellschaftlicher Entwicklung darzustellen. Mit dem vorgelegten Raumordnungsplan ist die Landesregierung in der Verantwortung, Konflikte zu identifizieren und Lösungen zum Wohle des Landes aufzuzeigen. Das ist der Anspruch. Dieser LEP hat seinen Ausgangpunkt in der Diskussion um eine Landesentwicklungsstrategie in der Küstenkoalition. Sie wurde mit einem breiten Beteiligungsverfahren unter Einbindung vieler gesellschaftlicher Akteure, mit den Bürgerinnen und Bürgern auf den Weg gebracht. Landesentwicklung braucht nämlich eine Bünd elung der Kräfte und deren Ausrichtung auf gemeinsame Ziele. Eigentlich, so steht es im Koalitionsvertrag sollte die Landesentwicklungsstrategie finalisiert werden, um dann daraus den Landesentwicklungsplan zu entwickeln. Dieses Vorhaben hat Jamaika über Bord geworfen. Ja, Teile der LES wurden übernommen, aber was haben Sie daraus gemacht? Offensichtlich verfolgen die Koalitionspartner in den wesentlichen Zukunftsfragen keine gemeinsame Linie und können nur Minimalkompromisse erzielen. Frei nach dem Motto „Mittelmäßigkeit verhindert jeden Streit“ werden Konflikte umschifft, aber nicht aufgelöst. Diese Landesregierung ist nicht bereit, eine zentrale Steuerungsfunktion bei der Landesentwicklung wahrzunehmen. Nur als ein Beispiel: Die Ergebnisse der OECD-Studie zur Metropolregion Hamburg wurden ebenfalls nicht aufgegriffen. Hieran zeigt sich, dass übergeordnete strategische Planungen keine Rolle gespielt haben. Beispiel: Bis 2030 will Schleswig-Holstein das flächenpolitische Ziel der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2016 umsetzen –1,3 ha Flächenverbrauch pro Tag. Wenn man aber die Ausführungen zur Siedlungsentwicklung im Hamburger Rand liest, zu all den Ausnahmen und Möglichkeiten, die noch eröffnet werden sollen, dann kann das übrige Land einpacken. Denn irgendwo muss ja auf Flächenverbrauch verzichtet werden, wenn im Speckgürtel eigentlich fast alles möglich sein soll. Stattdessen aber werden die bisherigen Wohnbaukontingente unabhängig vom tatsächlichen Bedarf pauschaliert fortgeschrieben. Ob


2 Ihre Windenergieplanung der gerichtlichen Überprüfung standhält, wird die Zeit zeigen. Aber mit dem Thema Photovoltaik gehen Sie im LEP auch nicht klüger um. Was wir brauchen sind landesweit einheitliche Kriterien für die Errichtung von Freiflächen-PV-Anlagen, die sich am Bedarf orientieren und helfen, diesen zu decken. Die dafür sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger verstehen können, was geht. Wir haben jetzt schon mehr als 1.500 ha Freiflächenanlagen in der Beantragung. Die Formulierungen im LEP dagegen dienen eher der Verhinderung als der zielgerichteten Steuerung. Die Beschränkung auf „vorbelastete“ Flächen erhöht die Belastungen für die betroffenen Anwohner*innen und Gemeinden weiter und verfestigt bestehende Schneisenwirkungen an Hauptverkehrsachsen zusätzlich. Eine landesweit bedeutende Frage ist die nach Deponiekapazitäten. Deponien, meine Damen und Herren, sind raumwirksam. Wir haben aber keine Planung für Deponien. Wenn es Verfahren gibt, dann nur, weil einzelne Unternehmen darum bitten. Aber nicht, weil wir strategisch planen. Konflikte werden auch hier in die Zukunft verschoben und vorhandene Bedarfe ignoriert. Aber die Experimentierklausel ist als Ausweg für ihre unlösbaren Konflikte enthalten, sie soll die eigentlich im Gesetz vorgesehenen Zielabweichungsverfahren umschiffen. Wir erinnern uns an Ihren Vorgänger, Frau Ministerin, der sich in seiner Begeisterung für die Experimentierklausel in Hochform reden konnte. Wir erinnern uns aber auch an die Anhörung im Ausschuss: Die Experimentierklausel kann zum trojanischen Pferd der Abgeordneten für Wahlkreisprojekte werden und die Planungshoheit der Gemeinden unterwandern. Das ist nun der LEP, die Fortschreibung des LEP für Schleswig-Holstein? Um es noch mal deutlich zu sagen: Der Anspruch des LEP muss es sein, die vielen Zielkonflikte dieser Zeit zu lösen. Dafür braucht es eine Landesregierung mit dem Mut, das auch zu tun. Und dafür braucht es eine Landesplanung, die technisch und personell dazu in der Lage ist – gemeinsam mit den Betroffenen und Beteiligten. Dabei geht es um Zusammenhalt in der Gesellschaft. Der LEP ist kein abstraktes Gebilde in den Hinterzimmern, sondern ein Instrument für die Lösung von Zukunftsherausforderungen. Ich hoffe für Sie und für Jamaika, dass Sie die Regionalpläne nicht mehr gemeinsam zum Abschluss bringen müssen. Ihre Uneinigkeit schadet dem Land. Zukunft wird erst beginnen, wenn regierungstragende Fraktion einig auf einen gemeinsamen Weg gehen. Wenn eine Regierung bereit ist Verantwortung zu übernehmen. Und wenn wieder Bürgerinnen und Bürger zuverlässig in transparente Verfahren eingebunden werden.“



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