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27.10.21
17:50 Uhr
B 90/Grüne

Marlies Fritzen zum Gänsemanagement

Presseinformation

Landtagsfraktion Es gilt das gesprochene Wort! Schleswig-Holstein TOP 20 – Weiterentwicklung des Gänsemanagements Pressesprecherin in Schleswig-Holstein Claudia Jacob Landeshaus Dazu sagt die umweltpolitische Sprecherin der Düsternbrooker Weg 70 Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, 24105 Kiel
Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Marlies Fritzen: Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 324.21 / 27.10.2021

Wir müssen dafür sorgen, dass wir mit den Gänsen leben können
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Ringelganstage locken alljährlich viele Tourist*innen auf die Halligen, der Kranichzug im Herbst ist ein spektakuläres Schauspiel, das man zunehmend auch bei uns beobach- ten kann und wenn die Gänse sich zu ihrem Flug in den Süden formieren und laut schnat- ternd über unser Haus fliegen, schaue ich gern zum Himmel, wünsche insgeheim eine gute Reise und ein Wiedersehen im nächsten Jahr. Naturschauspiele, die wir hautnah selbst miterleben und die von großer Schönheit und spektakulärem Reiz sind, wenn wir sie noch dazu in großer Zahl genießen können.
Doch nicht alle empfinden diese Freude und ich verstehe, dass Menschen die Vögel vor allem als Fressfeinde erleben. Landwirt*innen, die ihre Flächen nach dem massenhaften Mahl der Gänse verkotet vorfinden und mit der Saat von vorn beginnen müssen, weil alles leer gefressen wurde. Aus dieser Perspektive ergibt das Wort „Reiz“ einen gänzlich anderen Sinn. Mir wird von emotionalem Stress berichtet, der sowohl Landwirt*innen als auch Naturschützer*innen befällt, wenn die Gänse kommen. Und manche sagen, dass sie sich davon erst erholen können, wenn die Gänse wieder außer Sichtweite sind.
Deshalb ist es gut, dass wir heute wiederholt zu diesem Thema auch im Landtag debat- tieren. Es ist aber zugleich auch wichtig, dass wir hier eben nicht emotional diskutieren, sondern sachlich und pragmatisch nach Lösungen dieses Konflikts suchen. Die Landes- regierung tut dies seit langem und in unserem gemeinsamen Jamaika-Antrag begrüßen wir die verschiedenen Ansätze den Gänsemanagements ausdrücklich.
Zu den Fakten: Die Gänsebestände sind seit Jahren auf hohem Niveau stabil. Durch den Klimawandel verlängerte sich das Zug- und Rastverhalten, was zu einer um etwa vier
Seite 1 von 2 Wochen verlängerten Aufenthaltsdauer führt.
Das Land unterstützt die betroffenen Landwirt*innen auf verschiedenen Wegen: es ge- währt Pachtnachlässe auf landeseigenen Flächen und es stellt Ausweichflächen zur Ver- fügung, auf die die Gänse durch entsprechendes Nahrungsangebot gelockt werden. Im Rahmen der bestehenden Vertragsnaturschutzprogramme wurden 2019 etwa 3,25 Milli- onen Euro für Verträge mit Gänseduldung an Landwirt*innen ausgezahlt. Die Bejagung von Gänsen wurde erleichtert, indem der jagdrechtliche Rahmen bei den Gänsen voll ausgeschöpft und zum Teil über die Vorgaben des Bundesjagdgesetzes hinaus ausge- dehnt wurde. Modellhaft werden mit Landwirt*innen auf den Inseln Pilotprojekte gestartet, mit dem Ziel, den Gänsen zum Beispiel durch sogenannte Sommerung keinen „gedeck- ten Tisch“ mit Wintergetreide mehr zu bieten. Ein runder Tisch „Gänsemanagement“ ar- beitet unter Leitung des Landesnaturschutzbeauftragten ständig an weiteren Verbesse- rungen der Situation für die landwirtschaftlichen Betriebe.
Eines ist ziemlich klar: wir werden die Gänse nicht wieder los. Und wir wollen sie auch nicht wieder loswerden. Der Ruf nach mehr Bejagung verhallt bei den Jäger*innen unge- hört. Die Zahl der beantragten Abschüsse ist in den letzten Jahren deutlich rückläufig (zum Vergleich: 2017 wurden 70 Anträge für die Nonnengans gestellt, 2021 nur noch 10). Der Jagderfolg ist ja auch relativ: man trifft mit Glück eine Gans, hunderte andere fliegen auf und landen umso hungriger wieder auf der gleichen Stelle. Auch das haben wir hier schon mehrfach diskutiert.
Die Statistik für die Eierentnahme sieht ähnlich aus. Wobei mich schon verwundert, dass es im letzten Jahr keine entsprechenden Anträge gab, aber durchaus Eierentnahmen beobachtet wurden.
Nein! Ich glaube wir müssen dafür sorgen, dass wir mit den Gänsen leben können: wir brauchen Ausweichflächen, die der Naturschutz stellen muss, wir brauchen eine verän- derte Bewirtschaftung, die den Gänsen weniger Anreize bietet, und wir könnten auch darüber nachdenken, wie man das erfolgreiche Konzept der Ringelganstage übernimmt.
Warum nicht auf den Inseln die intensive Milchwirtschaft zugunsten extensiver Bewei- dung mit weniger hochenergetischem Weidelgras umstellen und damit Tourist*innen eine attraktive und vielfältige Agrarlandschaft und den Landwirt*innen neue wirtschaftliche Perspektiven zu bieten?
Ich weiß, dass das manche von Ihnen als ketzerisch empfinden, aber wir können auf Dauer nicht gegen die Natur arbeiten, sondern nur mit ihr erfolgreich sein. Die Debatte und die Zahlen um die Gänsejagd belegen das eindrücklich.
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