Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

Pressefilter

Zurücksetzen
27.01.22
12:43 Uhr
CDU

Tobias Koch: TOP 28 A: Unbequeme Fragen klar beantworten

Ukraine | 27.01.2022 | Nr. 28/22
Tobias Koch: TOP 28 A: Unbequeme Fragen klar beantworten Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren,
seit rund drei Monaten erleben wir einen umfangreichen russischen Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze verbunden mit einer verstärkten Manövertätigkeit der russischen Streitkräfte.
Für Mitte Februar ist eine Ausweitung der Manöver auch auf das Gebiet von Belarus und damit an der EU-Außengrenze angekündigt. In der letzten Woche wurden dazu bereits russische Militäreinheiten nach Belarus verlegt.Zeitlich parallel dazu beabsichtigt Russland groß angelegte Marine-Manöver im Mittelmeer, im Atlantik und in der Nordsee durchzuführen, an denen mehr als 140 Schiffe teilnehmen sollen.
Am Dienstag vorletzter Woche passierten drei russische Panzer-Landungsschiffe die Insel Fehmarn. Als Reaktion auf deren Entsendung von Murmansk in die Ostsee verlegte die schwedische Regierung gepanzerte Einheiten auf die Insel Gotland und erklärte, ein russischer Angriff könne nicht länger ausgeschlossen werden.
Am 13. Januar meldete die Ukraine einen Cyber-Angriff auf Regierungsserver und machte Hacker aus Belarus und Russland dafür verantwortlich.
Meine Damen und Herren, all diese Meldungen können reine Machtdemonstrationen und Muskelspiele sein – bei Truppenverlegungen, verstärkten Manövertätigkeiten und Cyber-Angriffen handelt es sich aber exakt um die Vorbereitungen, die im Vorfeld eines bevorste-henden Angriffskrieges zu erwarten sind.Zum ersten Mal seit über 30 Jahren sind Deutschland und Europa mit einem Kriegsrisiko konfrontiert, wie es seit dem kalten Krieg nicht mehr bestanden hat und von dem wir gehofft hatten, dass wir es für alle Zeiten hinter uns gelassen hätten.
In dieser Situation gilt es umso mehr zu betonen, dass die Unverletzlichkeit der Grenzen die zentrale Grundlage für das friedliche Zusammenleben der Völker in Europa ist.
Allein schon die Androhung von Gewalt, wie sie von den derzeitigen russischen Aktivitäten ausgeht, ist zutiefst verwerflich. Jeder weitere Schritt, der zu einer militärischen Konfrontation führt, überschreitet deshalb eine rote Linie mit schwerwiegendsten Folgen für Frieden und Freiheit in Europa.


Seite 1/3
Kai Pörksen (Pressesprecher) | Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel 0431/988-1440 | info@cdu.ltsh.de | http://www.cdu.ltsh.de „Jetzt ist die Stunde der Diplomatie“, sagt dazu Ralf Stegner und hat damit grundsätzlich Recht. Wir dürfen dabei allerdings auch nicht vergessen, dass bereits seit acht Jahren die Stunde der Diplomatie ist, seitdem Russland nämlich 2014 völkerrechtswidrig die Krim annektiert hat. Alle daraufhin unternommenen diplomatischen Bemühungen und auch die verhängten Sanktionen haben bislang zu keinem russischen Einlenken geführt - ganz im Gegenteil, wie wir jetzt sehen!
„Jede erneute Aggression hätte einen hohen Preis“, sagt dazu Außenministerin Baerbock. Auch dieser Satz ist grundsätzlich richtig. Wir sollten allerdings nicht den Eindruck erwecken, dass wir der Ukraine quasi ein Preisschild umhängen, und Russland bei einem Angriff auf die Ukraine nur mit weiteren Sanktionen zu rechnen hätte.
Meine Damen und Herren, neben diplomatischen Bemühungen und möglichen Sanktionen müssen wir vielmehr auch unsere eigenen Positionen vor dem Hintergrund des neu entstandenen Bedrohungsszenarios grundlegend überprüfen. Ich will dafür drei Punkte nennen:
Erstens North Stream 2. Dass wir im Falle eines russischen Angriffs auf die Ukraine „business as usual“ betreiben und die Pipeline in Betrieb nehmen, halte ich für ausgeschlossen.
Mit der Nicht-Inbetriebnahme zu drohen ist allerdings weit weniger einschüchternd als die russische Drohung, uns anschließend überhaupt kein Gas mehr zu liefern. Als Alternative dazu bereiten die USA bereits jetzt Flüssiggaslieferungen nach Europa vor. Im Ernstfall würden wir allerdings feststellen, dass Deutschland über keinerlei Möglichkeiten verfügt, Flüssiggas überhaupt zu importieren. Und das meine ich mit dem Hinterfragen eigener Positionen.
Über ein LNG-Terminal in Brunsbüttel lässt sich klimapolitisch trefflich streiten. Aber es gibt daneben noch weitere Dimension, nämlich die Versorgungssicherheit. Nur mit Hilfe eines LNG-Importterminals sind wir unabhängig gegenüber einem russischen Lieferstopp und schon allein deshalb ist eine solche Infrastruktur zwingend erforderlich.
Zweitens Waffenlieferungen. Die deutsche Doktrin, keine Waffen in Krisengebiete zu liefern, haben wir ein erstes Mal durchbrochen, als wir die vom IS bedrängten Jesiden im Irak mit Waffenlieferungen unterstützt haben. Das Beispiel zeigt, dass diese Doktrin dann ein Ende findet, wenn ein Volk, wenn ein Land einer Aggression ausgesetzt ist, der wir zum Schutz von Freiheit, von Demokratie und Menschenrechten entgegentreten müssen.
Robert Habeck hat das richtig erkannt. Der Ukraine Defensivwaffen zur Selbstverteidigung zu liefern, ist in dieser Situation die einzig richtige Antwort. Und mit Defensivwaffen meine ich jetzt nicht nur Schutzwesten und Medivacs, sondern mit Defensivwaffen meine ich Panzer- und Luftabwehrraketen, um einem russischen Angriff wirksam entgegentreten zu können bzw. noch besser, ihn durch erhöhte Abschreckung ganz zu verhindern.


Seite 2/3
Kai Pörksen (Pressesprecher) | Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel 0431/988-1440 | info@cdu.ltsh.de | http://www.cdu.ltsh.de Drittens Bundeswehr. Wir müssen dringend dafür sorgen, dass die Fähigkeit der Bundes-wehr zur Landes- und Bündnisverteidigung wieder in vollem Umfang gegeben ist. Wir haben 30 Jahre lang eine Friedensdividende kassiert. Die jetzige Bedrohungslage lässt das nicht mehr länger zu.
Während des Kalten Krieges lagen die deutschen Verteidigungsausgaben bei 3 bis 4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Die Forderung nach einer Erhöhung des Verteidigungsetats auf 2% des BIP ist deshalb keine verrückte Idee von Donald Trump, sondern sie ist die zwingende Notwendigkeit, wenn wir die Souveränität unseres Staates, die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger, unsere Demokratie und unsere Werte gegenüber äußeren Bedrohungen verteidigen wollen – natürlich immer in der Hoffnung, dass diese Waffen nie zum Einsatz kommen müssen.
Und genau deshalb müssen wir auch unbequeme Fragen wie die Beschaffung von bewaffneten Drohnen und die Fähigkeit zur nuklearen Teilhabe innerhalb der NATO- Abschreckungspolitik endlich klar beantworten.
Meine Damen und Herren: „Es gibt eine echte Gefahr für neue militärische Konflikte in Europa“, sagt Nato-Generalsekretär Stoltenberg. Das kommt nicht ganz überraschend und unvorhergesehen, sondern das hat sich in den letzten Jahren mit der Annexion der Krim, dem schwelenden Kriegszustand in der Ostukraine und dem russischen Eingreifen in Syrien immer stärker abgezeichnet. Davor können und dürfen wir nicht länger die Augen verschließen, sondern müssen jetzt handeln!
Herzlichen Dank!



Seite 3/3
Kai Pörksen (Pressesprecher) | Düsternbrooker Weg 70, Landeshaus, 24105 Kiel 0431/988-1440 | info@cdu.ltsh.de | http://www.cdu.ltsh.de