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24.03.22
15:52 Uhr
B 90/Grüne

Burkhard Peters zu TOP 51: PUA-Schlussbericht

Presseinformation

Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Es gilt das gesprochene Wort! Pressesprecherin Claudia Jacob TOP 51 – Erster Parlamentarischer Untersuchungs- Landeshaus ausschuss der 19. Wahlperiode Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Dazu sagt der innen- und rechtspolitische Sprecher der Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53 Burkhard Peters: presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 080.22 / 24.03.2022


PUA: Der Zweck der notwendigen Bekämpfung der or- ganisierten Kriminalität heiligt nicht jedes Mittel Als Grüne begrüßen wir sehr die Einigkeit aller Fraktionen bei der Feststellung der ge- meinsam ermittelten Tatsachen und die weit überwiegende Einigkeit bei den Bewertun- gen und Schlussfolgerungen. Das ist das Ergebnis einer Ausschussarbeit, die 4 Jahre lang von einem gemeinsamen Willen und von großer Kollegialität getragenen war.
Auf Grundlage eines von allen demokratischen Fraktionen getragenen Einsetzungsbe- schlusses haben wir den Ausschuss mehr als eine „Enquete-Kommission“ gesehen, um die Arbeit der Landespolizei, aber auch der Strafverfolgungsbehörden in Schleswig-Hol- stein kritisch zu untersuchen und um teilweise über mehr als eine Dekade schwelende Konflikte aufzuarbeiten. Hierbei hatten und haben wir immer unser Ziel vor Augen, die Strafverfolgungsbehörden und die Landespolizei zu stärken. Dies wird uns aber nur dann gelingen, wenn sich alle Seiten mit der konstruktiven Kritik des Schlussberichts auch kon- struktiv auseinandersetzen werden.
Ausdruck des Charakters als „Enquete-Kommission“ war auch, dass wir durch die Vor- sitzenden seit Sommer 2021 in die Erstellung des Schlussberichts eng eingebunden wur- den, ein Novum für Untersuchungsausschüsse in Schleswig-Holstein. Diese Möglichkeit haben wir intensiv genutzt. Vor allem die Aufnahme vieler Schlüsseldokumente im Origi- nalwortlaut ist für uns im Sinne einer transparenten und damit nachvollziehbaren Darstel- lung der komplexen Sachverhalte unverzichtbar gewesen. Sie ermöglichen den Leser*in- nen des Schlussberichts, sich ein eigenes Bild zu machen und so die Feststellungen und Empfehlungen des Ausschusses nachzuvollziehen und kritisch überprüfen zu können. Denn auch der Mehrheitsteil, den wir gemeinsam mit CDU, SPD und dem SSW tragen, fußt auf Kompromissen. Für uns steht eine seriöse Aufarbeitung über den Interessen ei- nes politischen Meinungsstreits im anlaufenden Wahlkampf.
Ein Hauptanliegen für uns Grüne bei diesem PUA war und ist jedoch der Umgang mit Seite 1 von 3 sogenannten V-Personen, mit menschlichen Quellen. Schon in meiner Rede anlässlich des Einsetzungsbeschlusses im Februar 2018 hatte ich dargelegt, dass von V-Personen und der verdeckten Kooperation mit Personen aus dem kriminellen Milieu eine schwer- wiegende Infektionsgefahr für den Rechtsstaat ausgeht. Sie sind und bleiben ein Übel. Das haben für mich auch die Untersuchungen dieses PUA gezeigt. Sind sie ein notwen- diges Übel? Heiligt der Zweck der notwendigen Bekämpfung der organisierten Kriminali- tät den Einsatz dieses Mittels? Hier kann ich Ihnen die Antwort jetzt liefern. Ja, mensch- liche Quellen aus den Milieus sind zur Bekämpfung der Schwerstkriminalität in sehr en- gen Leitplanken leider ein not-wendiges Übel. Und nein, der Zweck der notwendigen Be- kämpfung der organisierten Kriminalität heiligt auch hier nicht jedes Mittel. Die Grenzen zwischen Führen durch die Polizei und dem Versuch der Vertrauensperson, durch Mani- pulation der Polizei eigene Interessen zu verfolgen, sind fließend. Die Polizei darf sich aber nicht von Kriminellen vor den Karren spannen und selber instrumentalisieren lassen.
Umso bemerkenswerter ist die gemeinsam gewonnene Erkenntnis des Untersuchungs- ausschusses: Der Umgang mit verdeckten Quellen durch das Landeskriminalamt, die Staatsanwaltschaft Kiel und die Polizeiabteilung im Innenministerium hat sich im Unter- suchungszeitraum als höchst problematisch dargestellt. Von zufälligem „Bockmist“ kann hier nicht die Rede sein. Zeug*innenaussagen, Sperrerklärungen, Vertraulichkeitszusa- gen und Verpflichtungserklärungen unterliegen nicht der Beliebigkeit, sondern sie müs- sen rechtsstaatlichen Anforderungen genügen. Noch während des laufenden PUA haben wir in einem ersten Schritt mit unserer Jamaika-Koalition enge Leitplanken zur Regelung des VP-Einsatzes zur Gefahrenabwehr geschaffen. Eine vergleichbare Regelung in der Strafprozessordnung ist längst überfällig. Dies wird aber unter grüner Beteiligung durch die Ampel-Koalition auf Bundesebene erfolgen.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auf drei konkrete, aus meiner Sich sehr prob- lematische Fälle mit menschlichen Quellen eingehen, die im Schlussbericht angespro- chen werden.
Erstens: Im Dezember des vergangenen Jahres berichtete der Norddeutsche Rundfunk über den ehemaligen sogenannten Präsidenten der im April 2010 verbotenen „Bandidos Neumünster“. Dieser sei vom LKA als Vertrauensperson geführt worden, habe aber nach eigenen Angaben keine Vertraulichkeitsvereinbarung unterschrieben oder einen Deal mit dem LKA Schleswig-Holstein geschlossen. Wir konnten diese Behauptung aus Zeitgrün- den nicht mehr aufklären. Sie ist jedoch ungeheuerlich und in einem Rechtsstaat unvor- stellbar. Eine Person soll ohne ihr Wissen zu einer V-Person gemacht worden sein! Daher haben wir dem Landtag empfohlen, die Landesregierung aufzufordern, zu den erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen und dem Parlament darüber noch 2022 zu berichten. Ich bin gespannt auf diesen Bericht.
Dann ist da an zweiter Stelle noch ein sogenannter Präsident. Diesmal der „Präsident“ der ebenfalls verbotenen „Legion 81 Kiel“: Nach Medienberichten eine ehemalige V-Per- son, ein Gewalttäter, Zuhälter, Teil der rechten Szene und Rocker. Mir liegen aufgrund der Antworten auf meinen Abgeordnetenbrief Informationen zu diesem Themenkomplex vor, bekannt als „größte Rocker-Razzia Norddeutschlands“. Zur Erinnerung: Im Zuge der Ermittlungen allein auf Grundlage der unzutreffenden Informationen dieses Menschen wurde im Jahr 2012 hier in Kiel ergebnislos der Betonboden einer Fabrikhalle aufge- stemmt, um eine angeblich dort einbetonierte Leiche zu finden. Schaden für den Landes- haushalt allein hier: über 200.000 €. Es ist für mich bis heute nicht nachvollziehbar, dass die Strafverfolgungsbehörden in Schleswig-Holstein allein aufgrund der Aussagen dieses Zeugen umfangreiche und im Ergebnis weitestgehend erfolglose Ermittlungsmaßnahmen ergriffen haben, obwohl in anderen Bundesländern eindeutige Erkenntnisse darüber
2 vorlagen, dass den Einlassungen dieser Person nicht zu glauben sei. Eine zwingend ge- botene kritische Nachbetrachtung dieser „Operation Wasserschlag“ scheint es bislang bei den Ermittlungsbehörden im Lande nicht gegeben zu haben.
Der dritte Fall, auf den ich eingehen möchte, war ebenfalls Gegenstand einer Berichter- stattung des Norddeutschen Rundfunks aus dem Dezember 2021. Diesmal kein soge- nannter Präsident. Aber eine Person, die nah an der Führungsriege der „Hells Angels Kiel“ dran gewesen sein soll. Dieser habe dem Landeskriminalamt Aufklärungshilfe ge- leistet und dabei auch Einblicke in die Ermittlungsarbeit und weitere polizeitaktische In- formationen erhalten. Eine Verpflichtungserklärung habe er nicht unterschrieben. Diese Aussage hat mir das Innenministerium zwischenzeitlich bestätigt. Eine Verpflichtungser- klärung wurde in diesem Zusammenhang nicht unterzeichnet. Warum nicht? – weiß man im Innenministerium auch nicht. Auch in diesem Fall wurde seinerzeit vom Innenministe- rium eine Sperrerklärung abgegeben, die ich zwischenzeitlich lesen konnte. Ich halte diese für unzulässig. Damit ist die unzulässige Sperrerklärung aus dem „Subway“-Ver- fahren schon kein Einzelfall mehr.
Lassen Sie mich zum Schluss nochmals auf ein Kernproblem, welches sich wie ein roter Faden durch diesen PUA zieht, zurückkommen. Das ist die Fehlerumgangskultur. Fehler werden immer und überall gemacht. Das ist menschlich. Die große Herausforderung ist jedoch, wie mit diesen Fehlern umgegangen wird. Das aktuelle Negieren der Notwendig- keit dieses PUA ohne inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Schlussberichts bereitet mir deswegen Sorgen. Da wird – wenige Stunden nach Veröffentlichung des Ab- schlussberichtes - von interessierter Seite pauschal behauptet, in der Polizei sei bereits im Mai 2017 alles aufgearbeitet gewesen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den über 1100 Seiten des Berichts erfolgte erkennbar nicht. Wie auch, in der Kürze der Zeit! Das ist die Fehlerumgangskultur der Zwanzigerjahre – leider des letzten Jahrhunderts.
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