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24.03.22
16:11 Uhr
SPD

Dr. Kai Dolgner zu TOP 51: Ich empfehle die detaillierte Lektüre des Abschlussberichtes

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 24. März 2022
Dr. Kai Dolgner: Ich empfehle die detaillierte Lektüre des Abschlussberichtes TOP 51: Erster Parlamentarischer Untersuchungsausschuss der 19. WP (19/3684) „Es dürfte bemerkenswert in der Geschichte der Untersuchungsausschüsse sein, dass wir als größte Oppositionspartei auf ein Minderheitenvotum verzichtet und CDU, SPD, GRÜNE und SSW in allen Punkten eine gemeinsame Bewertung gefunden haben sind. Das mag ungewöhnlich sein und entspricht nicht den normalen Erwartungen an die Opposition bei einem PUA. Ich habe aber bereits 2017 angekündigt, dass politisch mit dem PUA "kein Blumentopf" zu gewinnen ist. Ich meinte das auch so, trotz des damaligen Spottes, und fühle mich heute durchaus bestätigt.
Wie ich in der Einbringungsdebatte betont habe, geht es um die verfassungsgemäße Kontrolle des Handelns der Exekutive und was sich daraus für die Zukunft ableiten lässt. Und zudem galt zu klären, "was an den Vorwürfen dran ist, aber auch was an den Vorwürfen nicht dran ist." Der Umfang des Abschlussberichtes lässt allerdings erahnen, dass wir in der heutigen Debatte nur ein paar Schlaglichter werfen können.
Ich wurde am 10. Juli 2017 vom NDR mit den Äußerungen eines Vermerkes zu gelöschten Aufnahmen einer Durchsuchung durch einen Kriminologen konfrontiert, der Beweismittelunterdrückung bzw. -vernichtung annahm. Auch ich hielt damals den Vermerk für unglaubwürdig. In der Beweisaufnahme aber konnte die Polizeibeamtin, für mich überzeugend und nachvollziehbar und mit gutem Erinnerungsvermögen darlegen, wie es zu der Löschung gekommen ist. Solche klaren und konsistenten Aussagen hätten wir uns häufiger gewünscht. Es gehört zu den Merkwürdigkeiten des PUAs, dass ihr Vorgesetzter dagegen behauptet hat, er hätte die Aufnahmen untersagt und bezog sich dabei auf eine, zudem unpassende, Gerichtsentscheidung, die zum Zeitpunkt seiner Entscheidung noch gar nicht ergangen waren.. Eines ist aber klar: Eine bewusste Beweismittelvernichtung hat es nicht gegeben und meine damals öffentlich geäußerte Vermutung hat sich als falsch erwiesen. Der Ausschuss hat zudem einstimmig festgestellt, dass es keine Anhaltspunkte für ein Netzwerk innerhalb der Polizeiführung gab oder dafür, dass gegen die Bestenauslese verstoßen wurde.


1 Sehr problematisch wird es allerdings, wenn es konkret um die Umstände des Subwayverfahrens, der Ablösung der Ermittlungsbeamten und dem Umgang mit verdeckten Quellen ging. Ich möchte Ihnen nun beispielhaft eine der gemeinsamen Bewertungen von CDU, SPD, GRÜNEN und SSW vortragen: "Der Fall stellt einen rechtsstaatlich bedenklichen Umgang mit Quellen und deren Informationen dar und zeigt zudem organisatorische Schwächen, Kompetenzüberschreitungen, Kommunikationsprobleme sowie strukturelle und persönliche Führungsmängel innerhalb des LKA und innerhalb der Staatsanwaltschaft Kiel auf.
Besorgniserregend ist aus Sicht des Ausschusses, dass zur Verdeckung von Rechtsverletzungen bei einigen Beteiligten die Bereitschaft zur Begehung weiterer Verstöße gegen die StPO und rechtsstaatlicher Grundsätze bestand. Dagegen wurden Beamte, die auf eine Einhaltung der Verfahrensregeln bestanden, von ihren Vorgesetzten in rechtswidriger Weise an Zeugenaussagen gehindert, mit Disziplinarmaßnahmen bedroht und im weiteren Verlauf mit für sie nachteiligen dienstlichen Maßnahmen diszipliniert. Des Weiteren erscheint es aufgrund der im Laufe des Verfahrens gewonnenen weiteren Erkenntnisse, einschließlich der Aussagen von Beteiligten an den damaligen Vorgängen fraglich, ob diese im Jahr 2010 festgestellten Probleme in der Zwischenzeit erkannt und beseitigt wurden."
Ein trauriger Höhepunkt war, drei Jahre später, sicher die dienstliche Beurteilung eines der geschassten Ermittlungsbeamten, er "würde zur Durchsetzung seiner Interessen "Leib und Leben" Dritter gefährden. Hierzu führen wir, in gesetzten Worten, aus: "Diese Beurteilung, die dem Beamten überdies nicht zur Kenntnis gegeben wurde, ist aufgrund falscher Sachdarstellung und sachfremder Erwägungen rechtswidrig." Als ehemaliges Personalratsmitglied würden mir auch andere Worte dazu einfallen. Und nein, diese von 10 von 11 Abgeordneten getragenen Bewertungen, entsprechen nicht dem, was im Mai 2017 auf der Dienstversammlung vorgetragen wurde. Im Gegenteil, diese Dienstversammlung bewerten alle Ausschussmitglieder wie folgt: "Der Ausschuss hat vielmehr den Eindruck gewonnen, dass insbesondere durch den Vortrag des damaligen Leiters der Polizeiabteilung des Innenministeriums ein undifferenziertes "Freund-Feind-Bild" dargestellt wurde. Die dort gehaltenen Redebeiträge der Polizeiführung, welche die Berichterstattung in der Presse als eine "Kampagne" gegen die Landespolizei bezeichnete, stellten nach Auffassung des Ausschusses keine Beiträge zur Deeskalation dar. Ebenfalls dienten diese nicht zur Sachaufklärung oder gar als Beispiel für eine Fehlerkultur, die auf eine differenzierte Betrachtung des Vorganges ausgerichtet wäre." Und das obwohl bereits im Mai 2011 waren gemäß eines Gesprächsvermerks der Staatsanwaltschaft Kiel, dem LKA und der Polizeiabteilung die gemachten Fehler bekannt


2 waren und die Staatsanwaltschaft vehement die Meinung vertrat, dass die geschassten Ermittler "richtig gelegen" hätten vertrat. Erkennbare Konsequenzen wurden aber nicht gezogen, ebenso wenig aus dem internen Bericht 2013 der Ermittler aus MV.
Der Abschlussbericht kommt zu der folgenden Bewertung: "Die fehlende Umsetzung der Empfehlungen des Untersuchungsberichtes machen diesen guten Ansatz allerdings im Nachhinein wertlos, obwohl die Feststellungen zu den persönlichen Verantwortlichkeiten von Führungspersonen, deren Führungsstil und der Rechtmäßigkeit der von ihnen angeordneten Maßnahmen hinreichenden Grund zum Einschreiten von Polizeiführung und Innenministerium geboten haben." Auch wenn es viele enttäuschen mag, ein PUA kann keine Mobbingvorwürfe belegen oder widerlegen und das war auch nicht Teil des parlamentarischen Auftrages. Das wäre allerdings die Aufgabe des Dienstherrn gewesen, der dieses, trotz des Insistierens des Arbeitskreises Mobbing und des ehemaligen Landespolizeidirektors Hamm, vereitelt hat. Hier hilft auch nicht die vom PUA eindeutig widerlegte und auch gegenüber dem Parlament mehrfach wiederholte Legende, der Bericht MV hätte die Mobbingvorwürfe entkräftet. Das stimmt schlicht nicht, die Ermittler aus MV hatten gar keinen Auftrag dazu!
Meine Damen und Herren, es ist die traurige Erkenntnis aus dem PUA, dass viele beteiligten Führungskräfte, trotz der intern mehrfach erkannten Fehlentscheidungen, nicht die Einsicht oder die Kraft gefunden haben, endlich die Reißleine zu ziehen und den Konflikt selbst zu beenden oder sich der vorhandenen Möglichkeiten des Konfliktmanagement der Landespolizei zu bedienen.
Meine Damen und Herren, der Unterschied zu staatsanwaltschaftlichen Prüfungen, des internen Berichtes MV oder auch des Bußberichtes ist, und auch das habe ich schon am Anfang betont, dass unser gemeinsamer Bericht öffentlich zugänglich ist. Die einstimmigen Sachverhaltsdarstellungen und die von CDU, SPD, Grüne und SSW gemeinsam getragenen Bewertungen muss man nicht teilen. Bei einigen öffentlichen Äußerungen konnte ich mich allerdings des Eindruckes nicht erwehren, dass das detaillierte Studium, dessen, was im Abschlussbericht tatsächlich drinsteht und was nicht, noch aussteht. Ich hoffe, gerade meine vielfältigen Zitate regen dazu an, genauer in den Abschlussbericht zu schauen.
Der Innenministerin und dem Justizminister empfehle ich, unsere gemeinsamen Schlussfolgerungen und Empfehlungen von CDU, SPD, GRÜNE und SSW, besonders zum Umgang mit Quellen und Vertraulichkeitszusagen und Führungs- und Fehlerkultur, mit dem heutigen Ist-Zustand zu vergleichen und noch nicht gezogene Konsequenzen zu ziehen.



3 Der Richtervorbehalt beim zukünftigen Einsatz von VPs bei der Gefahrenabwehr oder das Herauslösen der internen Ermittlungen aus dem LKA sind ja schon erfolgt. Auch auf strafrechtlicher Ebene ist es kein Zufall, dass der Ampelkoalitionsvertrag endlich gesetzliche Regelungen für den Einsatz verdeckter Quellen vorsieht, auch wenn wir eine richterliche Kontrolle dort für zweckdienlicher halten als eine parlamentarische.
Meine Damen und Herren, die parlamentarische Aufarbeitung findet heute Ihren Abschluss. Ich bedanke mich bei allen Kolleginnen und Kollegen für die insgesamt konstruktive Zusammenarbeit und vor allem bei den unermüdlichen Mitarbeiter*innen der sogenannten "Freitagsrunde".“



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