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23.06.22
10:00 Uhr
Landtag

Tätigkeitsbericht der Beschwerdestelle für Kinder und Jugendliche für 2020 und 2021: Opferschutz, Pflegekinder und Schulpflicht im Fokus

Nr. 16 / 23. Juni 2022

Tätigkeitsbericht der Beschwerdestelle für Kinder und Jugendliche für 2020 und 2021: Opferschutz, Pflegekinder und Schulpflicht im Fokus

Die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten des Landes, Samiah El Samadoni, stellte heute (Donnerstag) ihren dritten Bericht als Ombudsperson in der Kinder- und Jugendhilfe für den Berichtszeitraum 2020/2021 in Kiel vor. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum 577 Petent*innen (278 Eingaben im Jahr 2020 und 299 im Jahr 2021) beraten. „Wir erleben nach wie vor einen sehr hohen Beratungs- und Vermittlungsbedarf insbesondere bei den Hilfen zur Erziehung in stationären Maßnahmen und auch bei ambulanter Hilfe“, so El Samadoni.
Seit der Einrichtung der Beschwerdestelle im Jahr 2016 wurden zum Stichtag 31. Dezember 2021 insgesamt 1.608 Petitionen bearbeitet. Im aktuellen Berichtszeitraum 2020/2021 ging es in 322 Fällen um Hilfen zur Erziehung - davon betrafen 225 Fälle stationäre Maßnahmen – also die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen z.B. in Heimen oder Wohngruppen, während es in 97 Fällen um sog. ambulante Maßnahmen (Erziehungshilfen, die oft auch im Vorfeld einer drohenden stationären Maßnahme oder Inobhutnahme erfolgten) ging.
Ein Schwerpunkt der Beschwerden waren Konflikte mit den Jugendämtern (360). Hier ging es in 36 Fällen um Konflikte mit der Behörde und zugleich auch um Probleme mit der Einrichtung bzw. dem Einrichtungsträger. Diese Konstellationen sind für die Kinder und Jugendlichen besonders belastend, da keine der beteiligten Stellen in ihren Augen als vertrauensvoller Ansprechpartner auftritt.
Bei 27 Beschwerden, die insgesamt 22 verschiedene Einrichtungen betrafen, wurde die Einrichtungsaufsicht eingeschaltet. Diese Beschwerden betrafen u.a. das Verhalten der Erzieher*innen und Betreuer*innen. Häufig ging es um Konflikte, bei denen die Kinder oder Jugendlichen angeschrien wurden, in Einzelfällen ging es um körperliche Übergriffe wie Schlagen, Treten oder Fixieren. Auch Kollektivstrafen wurden thematisiert oder das Aussperren aus der Einrichtung als Strafe. Auch waren Gegenstand von Beschwerden eine mangelnde medizinische Versorgung oder Vernachlässigung in der Einrichtung. Immer wieder ging es auch um die mangelhafte Versorgung mit Essen, um die hygienischen Zustände oder um defekte oder fehlende Möblierung. In einem Fall wurde ein Erzieher beschuldigt, Geld eines Kindes unterschlagen zu 2

haben. Weiterhin ging es um fehlende Beschwerde- und Beteiligungsstrukturen. All diese Probleme wurden aufgrund der Beschwerden bearbeitet und gelöst. Hier half auch die sehr gute und vertrauensvolle Kommunikation und Zusammenarbeit mit dem Landesjugendamt und mit der Einrichtungsaufsicht.
„Als wesentliche Anregung aus der Arbeit nehme ich mit, dass Erziehungsberatungsstellen, die die nach dem SGB VIII vorgesehene Trennungs- und Scheidungsberatung durchführen sollen, in ihrer Bedeutung und Akzeptanz unbedingt gestärkt werden müssen. Dadurch würden sowohl Kinder vor einer Instrumentalisierung in einem Konflikt geschont als auch die Fachkräfte bei den Jugendämtern entlastet werden“, sagte die Bürgerbeauftragte.
Eine weitere Anregung bezieht sich auf den Opferschutz in stationären Jugendhilfeeinrichtungen. „Wir haben hier eine Fallkonstellation, die uns leider immer mal wieder begegnet und Situationen nach Übergriffen in Einrichtungen betrifft – sowohl durch Betreuer*innen als auch durch Einrichtungsbewohner*innen untereinander. Hier erleben wir leider wiederholt, dass die Belange der Opfer nicht angemessen berücksichtigt werden. Auch wenn die Einrichtungsaufsicht bereits präventiv auf die Träger einwirkt, so ist es aus meiner Sicht doch unerlässlich, verbindliche Regelungen zu schaffen, die im Zweifelsfall auch Korrekturen durch Aufsichtsbehörden zulassen“, führte die Bürgerbeauftragte aus. „Vorstellbar wäre zum Beispiel eine verbindliche Regelung in der Landesverordnung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen (KJVO) im Kontext der Schutzkonzepte.“
Die Bürgerbeauftragte regt in ihrem Bericht darüber hinaus auch die Schaffung von einheitlichen, verbindlichen Standards im Pflegekinderwesen an. „Im letzten Berichtszeitraum hatten wir noch relativ wenig Kontakt zu Pflegekindern und Pflegefamilien – in etwa jährlich eine Handvoll. Das hat sich seit dem letzten Bericht geändert: in insgesamt 70 Fällen ging es um Pflegekinder in Pflegefamilien. Deutlich wurde, dass es für die Auswahl, Begleitung und Unterstützung von Pflegefamilien keine verbindlichen Standards gibt“, erklärte El Samadoni. „Ich würde es begrüßen, wenn hierzu das Land in eine aktivere Rolle kommt und eine landesweit einheitliche Vereinbarung getroffen werden könnte.“ In diesem Kontext fiel der Bürgerbeauftragten auch auf, dass Elternrechte und Kindeswohl nicht immer angemessen abgewogen werden, die Elternrechte manchmal zu stark im Mittelpunkt stünden, während die oft noch kleinen Kinder „hin- und hergeschoben“ werden. „Wenn wie in einem Beispielsfall, der hier stellvertretend für unsere Erfahrungen steht, mit dem Kind „Ping- Pong“ gespielt wird und das Kind geradezu willkürlich Beziehungsabbrüchen ausgesetzt ist – und darüber hinaus die leibliche Mutter, die dafür verantwortlich ist, eine Kindeswohlgefährdung durch eine Hochzeit mit dem falschen Partner begründet – dann muss hier auch ein Entzug des Sorgerechts angestrebt werden“, berichtete die Bürgerbeauftragte.
El Samadoni macht auch in diesem Bericht wieder auf einen aus ihrer Sicht großen Missstand aufmerksam: „Wie Sie wissen, gilt in Schleswig-Holstein keine Schulpflicht für Kinder und Jugendliche, die von Jugendämtern aus anderen Bundesländern in Schleswig-Holstein in Einrichtungen untergebracht werden. Dies führt zu eklatanten Problemen für die Kinder, deren Schulbildung hier sträflich vernachlässigt wird und die keiner staatlichen Kontrolle unterliegt“, so El Samadoni. „Das ist dringend zu ändern.“