Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

Pressefilter

Zurücksetzen
28.09.22
11:16 Uhr
SPD

Thomas Losse-Müller zu TOP 2,15+33: Die Herausforderungen können nur gemeinsam gelöst werden

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 28. September 2022
Thomas Losse-Müller: Die Herausforderungen können nur gemeinsam gelöst werden TOP 2,15+33: 3. Nachtragshaushaltsgesetz 2022 sowie Bericht Ergebnisse des Energie- Spitzengespräches und Antrag Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaft, sowie soziale und kulturelle Einrichtungen müssen dringend entlastet werden (Drs. 20/246, ÄAntr20/299, 20/249, 20/221, 20/245) „Die Energiekrise stellt unser Land vor die größte politische und ökonomische Herausforderung seit der Wiedervereinigung. Unsere Aufgabe - in dieser Zeit - ist es, gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern. Wir müssen uns in all unseren Diskussionen immer wieder klar machen, worum es hier im Kern geht: Die explodierenden Energiepreise sind keine Naturkatastrophe, kein Marktversagen oder Logistikfehler. Energie wird von Wladimir Putin als ein eiskalt kalkuliertes Druckmittel in seinem Krieg gegen die Ukraine eingesetzt. Der Lieferstopp hat nur ein Ziel: Er soll unsere Bereitschaft schwächen, die Ukraine in ihrem Kampf gegen den russischen Imperialismus zu unterstützen. Er soll Unfrieden stiften und unsere Gesellschaft spalten - hier in Schleswig-Holstein, in Deutschland und in Europa. Die Wahlergebnisse in Italien und gerade auch das Wahlergebnis bei unseren nördlichen Nachbarn in Schweden zeigen, dass wir uns nie ausruhen dürfen. Wir dürfen uns nie zu sicher sein, dass Gesellschaft zusammenhält. Jedes Mal, wenn unsere Nachbarn und Freunde, wenn ein Familienvater oder die alleinstehende Dame in ihrem Siedlungshaus, wenn Menschen den Brief mit Gasrechnung öffnen und sich Sorgen machen, wie sie diese Rechnung bezahlen sollen - wenn sie verunsichert sind - dann hat Putin Erfolg gehabt hat. Putins Plan geht jedes Mal auf, wenn am Stammtisch oder Abendbrottisch gefragt wird, ob es wirklich nötig ist, die Ukraine zu unterstützen?
Jedes Mal, wenn eine Bürgermeisterin oder ein Bürgermeister einfach nicht mehr weiter weiß, wenn sie nicht mehr wissen, wie sie das alles hinkriegen sollen: die Unterbringung der Geflüchteten, die Heizkosten für die Kita und Schule, die Bearbeitung der vielen Wohngeldanträge, die notwendigen Investitionen in Wärme- und Mobilitätswende… dann ist Putin seinem Ziel ein Stückchen näher. Und ja, auch wenn Herr Merz von Sozialtourismus ukrainischer Flüchtlinge spricht, ist das ein Erfolg für Putin. Jedes Mal, wenn Menschen das


1 Vertrauen und Zutrauen verlieren, das wir das schaffen, gewinnt Putin. Und das müssen wir aller Kraft verhindern.
Wir alle rechnen damit, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten wieder lautstarke Proteste auf unseren Straßen erleben werden - getrieben von Gruppen, die die Verunsicherung der Menschen ausnutzen wollen. Dem werden wir uns gemeinsam als demokratische Kräfte entgegenstellen. Mir machen diese Proteste aber weniger Sorgen als die Tatsache, dass sich gleichzeitig immer mehr Menschen ganz still und leise von Gesellschaft und Staat verabschieden. Menschen, die das Gefühl haben, dass sie selber nicht mehr Teil der Gesellschaft und unserer demokratischen Gemeinschaft sind. Mir ist ein Gespräch mit einer Kollegin aus der Schuldnerberatung der Diakonie Altholstein im Kopf geblieben, die nochmal deutlich machte: Die Leute suchen sich nicht sofort Hilfe, wenn das Geld knapp wird. Der erste Impuls ist nicht zur Wohngeldstelle zu gehen. Auch nicht zur Tafel. Erst werden Ersparnisse aufgebraucht. Dann werden Rechnungen immer nur abwechselnd bezahlt. Einen Monat die Rechnung, den anderen Monat die andere. Dann wird der Dispo ausgereizt. Schließlich werden Freunde und Familie um Geld gebeten. Erst wenn wirklich nichts mehr geht – melden sich die Menschen bei der Schuldnerberatung. Dann ist es aber zu spät. Wir sprechen viel darüber, dass für viele das böse Erwachen mit der Nachzahlung für Strom, Öl und Gas im Januar oder März kommt. Aber wenn wir dann nicht aktiv auf die Menschen zu gehen und sie finden und ihnen mit den Mitteln, die wir ja haben, helfen - dann passiert es: Sie versuchen es allein, fühlen sich allein gelassen von Staat und Gesellschaft, leiden still und am Ende haben sie nicht nur Schulden, sondern auch ihr Vertrauen in uns verloren.
Putin darf nicht gewinnen. Weder den Krieg in der Ukraine, noch das Ringen mit uns hier im Saal, um das Vertrauen der Menschen in unseren Staat und in unsere Gesellschaft. Wir müssen zeigen, dass wir stark genug sind, den Herausforderungen zu trotzen. Dass wir stark genug sind, um das Land zusammenzuhalten, dass wir Lösungen haben, die so groß sind wie das Problem und die Sicherheit geben, dass niemand in diesen Zeiten allein gelassen wird. Darauf muss sich in diesen Wochen all unsere politische Anstrengung richten.
Wir werden weiterhin konstruktive Vorschläge machen und uns einbringen. Die Herausforderungen können nur gemeinsam gelöst werden. Die letzten Wochen haben doch gezeigt, dass die notwendigen Schritte und Maßnahmen auf der Hand liegen. Sie haben auf ihrem Energiegipfel am Ende viele unserer Forderungen, die wir hier zuvor noch kontrovers diskutiert haben, umgesetzt. Der Härtefallfond, die Unterstützung der Kommunen und Verbände bei der Beratung und im Nachgang dann die Entlastung von Familien bei den Kitagebühren. Vielleicht wären diese Themen schon in der Umsetzung, wenn wir gemeinsam daran gearbeitet hätten. Uns eint auch - so ist zumindest mein Eindruck - die Ablehnung der


2 Gasumlage und die Forderung nach einer Energiepreisbremse. Und jedem hier im Saal ist klar, dass das mit einer schwarzen Null nicht zu erreichen ist. Es geht nicht um Austerität, sondern um Legitimität. Das Vertrauen in unsere Handlungsfähigkeit. Und natürlich eint uns der gemeinsame Antrag, die 300 Euro auch an die pensionierten Beamten auszuzahlen. Wir haben im Detail sehr unterschiedliche Prioritäten in der Ausgestaltung, aber in den großen Linien Konsens.
Uns als SPD sind folgende Punkte wichtig: Erstens: Es reicht nicht immer nur zu fragen, was der Bund für das Land tun kann – sondern wir müssen hier die Frage beantworten, was das Land für Schleswig-Holstein tun kann. Die Bewältigung dieser Krise ist eine gesamtstaatliche Aufgabe und das Land muss seinen Teil dazu beitragen.
Zweitens: Wir müssen die Möglichkeiten des Landes dafür nutzen, die Menschen, die besonders betroffen sind, jetzt, hier und in diesen Wochen und Monaten konkret zu unterstützen. Deshalb haben wir heute auch einen Alternativantrag zu Ihrem Nachtragshaushalt gestellt. Wenn - wie Sie erwarten, Frau Ministerin Heinold - am Ende des Jahres 170 Millionen Euro im Haushalt verfügbar sind, dann müssen die für konkrete Entlastungen genutzt werden, die jetzt bei den Menschen ankommen: Sei es eine Aufstockung der Härtefallfonds oder einen Energiepreiszuschuss an soziale Einrichtungen und Kommunen oder auch direkte Zuschüsse an Stadtwerke und Wohnungswirtschaft, um Kündigungen von Verträgen - wie gerade in Flensburg geschehen - zu verhindern.
So wichtig es ist, aber die Sanierung der Landesliegenschaften ist in diesem Moment - in dem wir Zusammenhalt sichern müssen - wirklich keine Priorität. So entsteht der Eindruck einer Landesregierung, die nur an sich selbst denkt und die Sorgen der Menschen in Schleswig- Holstein nicht sieht. Die Menschen erwarten, dass wir ihnen ihre Existenz absichern und nicht die Bauprojekte der Landesregierung. Das Gleiche gilt für die Förderung von Energiesparmaßnahmen. Es geht jetzt nicht darum, denen, die sich die Solaranlage und die Wärmepumpe leisten können zu helfen, sondern, die ihre Rechnung nicht bezahlen können. Aber darüber werden wir morgen noch sprechen. Der Kompass muss stimmen. Und Sie müssen ihren Kompass justieren.
Drittens: Wir müssen sicherstellen, dass wir unsere Stadtwerke und Wohnungsbaugesellschaften nachhaltig handlungsfähig halten. Das erreichen auch 500 Millionen Bürgschaft nicht. Eins muss uns allen klar sein: Eine Bürgschaft ist keine Entlastung! Irgendwann muss dieses Geld dennoch zurückgezahlt werden. Und das geht dann nur, indem



3 die Kunden des Stadtwerks dafür zahlen. Wir müssen über Zuschüsse, Eigenkapital und andere Instrumente reden. Viertens: Wir müssen ALLE unsere Möglichkeiten nutzen, um eine Spirale steigender Kosten zu verhindern. Dazu gehört auch die Begrenzung von Dispozinsen - dazu diskutieren wir einen Antrag diese Woche - und natürlich die Kappungsgrenzenverordnung UND Mietpreisbremse, um wenigstens die Mieten im Griff zu halten. Beides muss jetzt schnell auf den Weg. Das wäre doch in den ersten 100 Tagen möglich gewesen!
Fünftens: Wir müssen in unsere Unabhängigkeit von russischem Gas und Öl investieren. Deshalb muss der Ausbau der Erneuerbaren vorangetrieben werden und alle Städte und Gemeinden vom Land beim Ausbau der nötigen Infrastrukturen im ÖPNV, der Ladeinfrastruktur und dem Bau von Wärmenetzen mit aller Kraft unterstützt werden. Das Saarland macht uns gerade vor, dass das geht. Es reicht nicht immer nur auf den Bund zu zeigen.
Wir tragen alle zusammen hier im Land die Verantwortung. Lassen Sie uns endlich zeigen, dass wir den Ernst der Lange erkannt haben und entsprechend handeln.“



4