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30.09.22
13:00 Uhr
B 90/Grüne

Jasper Balke zum Mehrwertsteuersatz für Arzneimittel

Presseinformation

Landtagsfraktion Es gilt das gesprochene Wort! Schleswig-Holstein TOP 20 – Ermäßigter Mehrwertsteuersatz für Arzneimittel Pressesprecherin Claudia Jacob
Dazu sagt der gesundheitspolitische Sprecher Landeshaus der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Jasper Balke: Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 222.22 / 30.09.2022

Mit einer Mehrwertsteuersenkung für Arzneimittel werden wir langfristig nicht weit kommen
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleg*innen,
viele von Ihnen werden die Debatten der letzten Monate und letzten Woche im Bundestag verfolgt haben: Schätzungsweise 17 Milliarden Euro fehlen den gesetzlichen Kranken- kassen. Ein so großes Loch, bei dem es meiner Meinung nach auch noch massive Schwierigkeiten gibt, was das Thema Transparenz und Nachvollziehbarkeit angeht, wird nicht einfach zu stopfen sein.
Die Bundesregierung hat deshalb das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz auf den Weg ge- bracht. Geplant sind darin neben vielem anderen eine Verlängerung des Preismoratori- ums bei Arzneimitteln bis Ende 2026 und eine Reform des Arzneimittelgesetzes zur Dämpfung des Ausgabenanstiegs.
Die FDP schlägt nun darüber hinaus vor, die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel auf den ermäßigten Satz von 7 Prozent zu senken. Das Problem einer Mehrwertsteuersenkung ist allerdings, dass sie mit Sicherheit teuer ist, aber große Unsicherheit besteht, bei wem sie ankommt: Ob sie zu einer Entlastung der Krankenkassen führt, lässt sich kaum vor- hersagen. Mindestens genauso wahrscheinlich ist, dass beispielsweise die Pharmaun- ternehmen die Differenz für sich vereinnahmen.
Mit unserem Alternativantrag setzen wir deshalb einen anderen Fokus. Auch Patient*in- nen, insbesondere solche mit hohem Medikamentenbedarf wie chronisch Kranke und äl- tere Menschen, werden nun infolge von Inflation und Energiepreiskrise umso härter ge- troffen. Denn diese müssen für die sogenannte Rezeptgebühr teilweise hohe Zuzahlun- gen leisten. Seite 1 von 2 Wir wollen diese Zuzahlungen senken und die Belastungsgrenze, ab der sich Versicherte von Zuzahlungen befreien lassen können, halbieren auf 1 Prozent des jährlichen Brutto- einkommens, beziehungsweise 0,5 Prozent für chronisch Kranke. Das entlastet zielge- richtet jene, die es besonders nötig haben.
Um Mehrbelastungen der Krankenkassen wiederum langfristig zu reduzieren, wären ne- ben den ohnehin schon geplanten Maßnahmen im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz noch andere Wege denkbar.
Einer wäre aus meiner Sicht, die Beitragsbemessungsgrenze nach oben zu verschieben oder ganz aufzuheben. Wer außergewöhnlich gut verdient, der kann auch auf sein gan- zes oder zumindest auf einen höheren Teil seines Einkommens Beiträge zur Kranken- versicherung zahlen.
Angesichts der aktuellen Situation sollte dieser Mechanismus auf den Prüfstand gestellt werden. Solidaritätsprinzip bedeutet, starke Schultern tragen mehr, damit schwache we- niger tragen müssen - das sollte auch für sehr hohe Einkommen gelten.
Ich komme langsam zum Schluss und möchte nochmal auf einen Umstand hinweisen, der beim Thema Arzneimittel die Nachhaltigkeit einer Mehrwertsteuersenkung auch grundsätzlich infrage stellt. Denn das Grundproblem, dass steigende Arzneimittelpreise und Lieferengpässe letztlich zu einer immer höheren Belastung von Krankenkassen und Patient*innen führen, können wir mit solchen Maßnahmen nicht beheben.
Schleswig-Holstein, Deutschland, eigentlich die gesamte EU befindet sich nämlich – und das ist mir bisher viel zu wenig Gegenstand der politischen Debatte - bei Arzneimitteln in einer enormen internationalen Abhängigkeit. 80 Prozent der gesamten Arzneimittelwirk- stoffe und 40 Prozent der in Europa verkauften Fertigarzneistoffe kommen aus China und Indien.
Ebenfalls allein aus China und Indien kommen 60 Prozent der weltweiten Produktion von Paracetamol, 50 Prozent von Ibuprofen und bei den Antibiotika wie Penicillin sind es ganze 90 Prozent. Ich könnte jetzt noch weiter solche Zahlen hier vortragen oder die internationalen Spannungen und daraus auch geopolitischen Folgen um China, Taiwan und so weiter erwähnen, aber der Punkt ist, denke ich, klar.
Mit einer Mehrwertsteuersenkung werden wir langfristig nicht weit kommen, nur mit einer nachhaltigen, europäischen Arzneimittelstrategie und dem Aufbau eigener Kapazitäten für die Arzneimittelproduktion können wir in dem Bereich soziale und finanzielle Sicher- heit schaffen und obendrein auch noch unseren Wirtschaftsstandort stärken und interna- tionale Abhängigkeiten abbauen. Wie wichtig das ist, spüren wir ja aktuell jeden Tag.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!
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