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23.02.23
16:31 Uhr
SPD

Martin Habersaat zu TOP 14: Gute Arbeitsbedingungen für gute Lehrkräfte

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 23. Februar 2023
Martin Habersaat: Gute Arbeitsbedingungen für gute Lehrkräfte TOP 14: Gute Arbeitsbedingungen für gute Lehrkräfte (Drs. 20/678) „Wenn ich als Klassenlehrer eine neue Klasse übernommen habe, habe ich am letzten Tag der Sommerferien in der Schule den Klassenraum hergerichtet und auf die erste Schulwoche vorbereitet. Bei einer neu zusammengesetzten Klasse ist es wichtig, gleich am Anfang sicherzustellen, dass die Schülerinnen und Schüler sich schnell mit Namen ansprechen können, einander kennenlernen und zu einer guten Klassengemeinschaft zusammenfinden. Wenn nun in der neuen Klasse 24 Schülerinnen und Schüler sitzen, aber nur 22 erscheinen, ist es zunächst die Aufgabe der Klassenlehrkraft, den Verbleib der fehlenden zwei zu erforschen. Im günstigen Fall liegen nur kurzfristige Erkrankungen vor, dann ist zu klären, wie Unterrichtsmaterial, Informationen und Aufgaben die Fehlenden erreichen. Ein digitales Klassenzimmer hilft.
Die Erarbeitung und Durchsetzung von Klassenregeln zählt ebenfalls zu den Aufgaben einer Klassenlehrkraft in den ersten Wochen - natürlich in Absprache mit den anderen Kolleg*innen in der Klasse. In dieser Zeit werden auch die ersten pädagogischen Herausforderungen deutlich: zwei Schüler*innen haben vielleicht ein Problem mit dem pünktlichen Erscheinen zum Unterrichtsbeginn, was zwei Einzelgespräche erforderlich macht. Ein Schüler kommt offenbar immer ohne Frühstück in die Schule, hat in der Folge Kreislaufprobleme und es muss vorsichtig geklärt werden, woran das liegt. Wie sind die Strukturen im Elternhaus? Gibt es finanzielle Probleme? Oder liegt vielleicht eine Essstörung vor? Gibt es Lösungsansätze und an wen müssen Schüler und Eltern gegebenenfalls weitervermittelt werden? Oder als Lehrkraft einfach fortan selbst doppelte Frühstücksration mitnehmen und eine heimlich weitergeben? Zwei Schüler*innen bitten um eine neue Sitzordnung, weil ein anderer immer ungeduscht in den Unterricht komme. Was tun? Den Wunsch akzeptieren? Darüber hinweggehen? Toleranz einfordern? Oder doch lieber das nächste Gespräch ansetzen, um vorsichtig über Körperhygiene zu sprechen? Inzwischen steht der erste Elternabend an. Einladung schreiben, Elternabend vorbereiten und durchführen. Jetzt gibt es je nach Lage der Schule zwei Extremmöglichkeiten: Die Eltern sind sehr engagiert, erscheinen nahezu vollzählig und wünschen sich einen monatlichen Stammtisch, um über die Situation der Klasse zu sprechen,

1 am liebsten immer mit der Klassenlehrkraft. Oder die Eltern kommen nur sehr spärlich, vielen muss in den nächsten Wochen hinterhertelefoniert werden.
Auch Ausflüge und Klassenfahrten werden thematisiert. In höheren Jahrgängen lassen sich Teile der Planung an freiwillige Schüler*innen delegieren, aber letztendlich liegt die Verantwortung für Organisation, Durchführung und Abrechnung bei der Klassenlehrkraft. Natürlich kann bei einem Anbieter pauschal gebucht werden - aber das macht alles viel teurer. Ach ja, das Sozialamt braucht in fünf Fällen die entsprechenden Unterlagen zur Kostenerstattung und in zwei anderen Fällen kann vielleicht der Schulverein helfen. Am letzten Tag der Herbstferien ruft ein Schüler aus dem Ausland an. Sein Vater war mit ihm in der Heimat der Großeltern und will nun nicht wieder zurückfliegen. Er selbst wolle aber lieber wieder zur Mutter und weiter in die Schule kommen. Und nun?
Das war nur ein kleiner Auszug aus den ersten Wochen. Klassenlehrkräfte sind auch für die Zeugniserstellung zuständig, für die Klassenkonferenzen und so weiter. All‘ das gehört selbstverständlich zu ihren Aufgaben und ich kann für mich sagen: gerade die pädagogischen Aspekte der Aufgaben waren es, die mir am meisten Spaß am Lehrerberuf gemacht haben. Aber: All‘ das kostet Zeit. All‘ das kann auch belasten. Und wer erfolgreich über Lehrkräftegewinnung reden will, wird sich auch die Arbeitsbedingungen von Lehrkräften ansehen müssen. Wer daran denkt, den SWK-Vorschlägen von größeren Klassen und Einschränkungen von Teilzeitmöglichkeiten näherzutreten, muss auf der anderen Seite auch die Belastung von Lehrkräften ansehen und ihnen etwas anbieten.
Frau Prien, wir wollen, dass Sie nicht nur mit Yoga-Angeboten vor die Personalräte und Gewerkschaften treten. Dazu gehört auch unser Vorschlag, den Schulleitungen ein größeres Kontingent an Stunden zu geben, um die „üblichen Verdächtigen“ zu entlasten, an denen zusätzliche Aufgaben meistens hängen bleiben. Und dazu gehört, jungen Aushilfslehrkräften, die gerade am Anfang ihres Lehramtsstudiums stehen, erfahrene Unterstützung an die Seite zu stellen. Niemand soll wegen Überlastung in dieser Phase die Lust auf das Lehramt verlieren und sein Studium abbrechen. Dafür brauchen die Schulen Ressourcen, die sie bisher nicht haben.
Wie wir hören, stellt die Ministerin ihr erstes Paket gegen den Lehrkräftemangel in der nächsten Woche in einer Pressekonferenz vor. Vielleicht ist es eine gute Gelegenheit, dieses Paket, den Antrag der FDP zu einer Reform der Bezahlung von Lehrkräften und unseren Antrag zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen gemeinsam in eine Anhörung zu geben. Wir bitten deshalb um Ausschussüberweisung.“



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