Am zweiten Sitzungstag steht der erste große Schlagabtausch der neuen Wahlperiode an. Der parlamentarischen Tradition folgend wird der neue Ministerpräsident, voraussichtlich Daniel Günther (CDU), sein politisches Programm in einer Regierungserklärung ausführlich darlegen, und die Opposition hat die Gelegenheit, ihre Kritik am Kurs der neuen Koalition zu formulieren. Für diese Generaldebatte wurde der gesamte Donnerstag-Vormittag reserviert (30 Minuten je Redner / Gesamtdauer 210 Minuten).
Mitte Juni hatten CDU, Grüne und FDP nach mehrwöchigen Verhandlungen den Vertrag für ihr "Jamaika"-Bündnis vorgelegt. 114 Seiten umfasst die Regierungsvereinbarung und beinhaltet die Leitlinien für die zukünftige Politik des Landes.
Kernpunkte des Koalitionsvertrages
(Quelle: dpa)
Haushalt und Finanzen
Geplant ist, die Investitionsquote zu verstetigen und Schulden abzubauen. Das Bündnis will einen Tilgungsplan erarbeiten, Haushaltsüberschüsse grundsätzlich zum Schuldenabbau, für den Versorgungsfonds und zur Sanierung der Infrastruktur nutzen. Geplant ist ein Investitionspaket von zusätzlich 512 Millionen Euro in den kommenden fünf Jahren für die Modernisierung des Landes. Konkret fließt das Geld in das marode Straßennetz (120 Mio. Euro), die Hochschulen (100 Mio.), den Schulbau (50 Mio.), die digitale Infrastruktur (50 Mio.), die Krankenhäuser (50 Mio.) und den öffentlichen Nahverkehr (40 Mio.). Das Geld dafür soll soweit wie möglich aus Haushaltsüberschüssen stammen, ansonsten aus Umschichtungen.
Bildung und Wissenschaft
Die Gymnasien kehren ab dem Schuljahr 2019/20 flächendeckend zum Abitur nach neun Jahren (G9) zurück, beginnend mit den Jahrgängen fünf und sechs. Die Gymnasien haben aber einmalig die Chance, bei ihrem bisherigen G8- oder Y-Modell zu bleiben, wenn die Schulkonferenz dies mit Dreiviertel-Mehrheit beschließt. Bis 2022 soll es an den Schulen 100 Prozent Unterrichtsversorgung geben. Die dafür notwendigen Stellen sollen geschaffen werden. Bei der Inklusion setzt "Jamaika" auf Qualität statt Quantität. Bis 2024 sind jährlich 70 neue Lehrerstellen für Sonderpädagogen geplant. Mehr Geld bekommen die Hochschulen. Insgesamt sind schrittweise weitere 30 Millionen Euro ab 2020 vorgesehen, Fachhochschulen und künstlerische Hochschulen profitieren überproportional.
Soziales und Gesundheit
Es gibt einen Fonds von zehn Millionen Euro für Barrierefreiheit im öffentlichen Raum. Das von der Vorgängerregierung eingeführte Krippengeld von 100 Euro im Monat bleibt zumindest vorerst. Bis 2022 investiert die Regierung schrittweise 170 Millionen Euro in den Kita-Bereich, davon sind mindestens 50 Millionen zur Entlastung der Eltern eingeplant und 50 Millionen für den Betriebskostenzuschuss des Landes an die Kommunen. Die restlichen 70 Millionen Euro sollen zur Verbesserung der Qualität genutzt werden. Mit der Einführung neuer Elternbeiträge soll das Kitageld später entfallen. Zehn Prozent der Medizin-Studienplätze werden für Studenten reserviert, die sich verpflichten, später als Arzt auf dem Land zu arbeiten. Eine gute medizinische und pflegerische Versorgung soll auch auf dem Land sichergestellt werden.
Wirtschaft und Verkehr
Das Bündnis setzt auf einen Ausbau der Infrastruktur, vor allem von Straßen, des öffentlichen Nahverkehrs und der Radwege. Die Planungskapazitäten des Landesbetriebs sollen ausgebaut und dadurch künftig mehr Bundesmittel für den Straßenbau abgerufen werden. Das Bündnis steht hinter wichtigen Verkehrsprojekten wie der Autobahn 20 und dem geplanten Fehmarnbelt-Tunnel. Den Weiterbau der A20 will das Land wie vom Bund vorgesehen zügig umsetzen, die neuen Möglichkeiten durch den Belttunnel nutzen. Auf Bundesebene will sich die Koalition für einen Ausbau der Bundesstraße 5 an der Westküste einsetzen. Kommunen können künftig in eigener Verantwortung auf Straßenbaubeiträge ihrer Bewohner bei der Sanierung von Straßen verzichten.
Umwelt, Agrar und Energie
Bis 2025 sollen die Windräder zwischen Nord- und Ostsee zusammen zehn Gigawatt Leistung haben. Dafür reichen etwa zwei Prozent der Landesfläche aus. Prüfen will die Koalition, ob auch das sogenannte Repowering alter Windanlagen insbesondere an windreichen Standorten an der Westküste möglich ist, die außerhalb der künftig vorgesehenen Gebiete liegen. Ist dies möglich, will die Koalition die Mindestabstände auf 500 Meter zu Einzelhäusern und 1000 Meter zu Siedlungen erhöhen statt bislang 400 beziehungsweise 800 Meter. Künftig gelten zudem neue Kriterien: Von Einzelhäusern muss der Abstand mindestens die dreifache Windradhöhe betragen, zu Siedlungen gilt das Fünffache. In der Agrarpolitik hält die neue Regierung an der Förderung des Ökolandbaus fest.
Innen und Recht
Für die Polizei gibt es 500 neue Stellen. In der Flüchtlingspolitik soll das zuständige Ministerium bei Rückführungen in Staaten mit besonders unübersichtlicher Sicherheitslage (wie derzeit Afghanistan) in jedem einzelnen Fall prüfen, „ob eine Rückkehr nach humanitären Gesichtspunkten zu verantworten ist“. Der Landesmindestlohn läuft aus, das Korruptionsregister wird abgeschafft, weil es bereits entsprechende Regelungen auf Bundesebene gibt.
(Stand: 23. Juni 2017)
Stichwort Regierungserklärung
Der Ministerpräsident und die Mitglieder der Landesregierung haben die Möglichkeit, während einer Plenarsitzung des Landtages eine Regierungserklärung, das heißt, eine Stellungnahme zu einem aktuellen politischen Thema, abzugeben. Traditionell stellt ein frisch gewählter Regierungschef zum Beginn einer Wahlperiode sein Regierungsprogramm in einer ausführlichen Regierungserklärung vor. Die anschließende Aussprache des Landtages wird in der Regel durch den Oppositionsführer eröffnet. In der vergangenen 18. Wahlperiode (2012-2017) hat die Landesregierung insgesamt 17 Regierungserklärungen auf die Tagesordnung gehoben. Inder 17. Wahlperiode (2009-2012) waren es sechs.