Der sogenannte Diesel-Skandal ist derzeit in aller Munde. Bundesweit hat die Automobilindustrie bei Kraftfahrern, aber auch in der Politik, viel Vertrauen verloren; Selbstverpflichtungserklärungen werden von Argwohn begleitet. Jetzt will der Landtag das Thema debattieren. Es liegen zwei Anträge auf dem Tisch: Die SPD plädiert im Namen betroffener Kfz-Besitzer für eine Musterfeststellungsklage gegen Hersteller oder Händler; die AfD dagegen verteidigt die Autobauer und will Fahrverbote ausschließen.
Laut Kraftfahrt-Bundesamt ist jedes dritte Auto in Deutschland ein Diesel. Seit einigen Monaten sinkt der Diesel-Marktanteil bei Neuzulassungen aber merklich. Wegen Luftverschmutzung drohen Fahrverbote in Städten. Während jüngst das Verwaltungsgericht Stuttgart Fahrverbote für ältere Diesel als das effektivste Mittel ansieht, wollen Bundesregierung und Autoindustrie dies verhindern. Bei einem Diesel-Gipfel Anfang August hatte die Autoindustrie zugesagt, Fahrzeuge mit Software-Updates umweltfreundlicher zu machen. Zudem gibt es Umtauschprämien, um alte Diesel zu ersetzen.
Nach Einschätzung des Bundesumweltministeriums senken diese Maßnahmen die Belastung mit gesundheitsschädlichem Stickoxid um bis zu sechs Prozent. Das reiche aber nur in etwa 20 von derzeit 70 besonders stark betroffenen Städten, um die Stickoxid-Werte unter die Marke von 40 Mikrogramm je Kubikmeter im Jahresmittel zu drücken. Bundesweit zählen Kiel (Platz vier/65 Mikrogramm) und Hamburg (Platz sechs/62 Mikrogramm) zu den am stärksten belasteten Städten.
Thema: Musterfeststellungsklage
Für Käufer der vom Abgas-Skandal betroffenen Fahrzeuge soll es nach einem von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) bereits Ende 2016 vorgelegten Gesetzentwurf eine sogenannte Musterfeststellungsklage gegen Hersteller oder Händler geben. Betroffene sollen sich diesem Verfahren weitgehend kostenlos anschließen können. So sollen etwa Verbraucherverbände stellvertretend für viele Kunden Schadenersatzansprüche geltend machen können. Die SPD-Fraktion fordert jetzt die Landesregierung dazu auf, sich auf Bundesebene entschieden für die Einführung einer solchen Musterfeststellungsklage einzusetzen. Denn der Entwurf von Maas liegt in Berlin auf Halde.
Die Union in Berlin hat dem Justizminister vorgeworfen, dass Musterklagen in frühestens zwei Jahren ab Verabschiedung des Gesetzes möglich sein würden. „Es ist also unredlich, so zu tun, als könne die Initiative die Lage von Verbrauchern im Zusammenhang mit den Abgasskandalen verbessern“, sagte die rechts- und verbraucherpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker, Anfang August. Sie wies darauf hin, dass die Union eigene Entwürfe für ein zügigeres Klageverfahren habe.
Nachdem Ende August auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dem SPD-Verkehrsminister vorgeworfen hatte, der Gesetzentwurf sei noch nicht umsetzungsreif, sie aber grundsätzlich die Möglichkeiten einer „Sammelklage“ befürwortete, eskalierte der Streit in Berlin. Spitzen der Bundes-SPD, darunter deren Kanzlerkandidat Martin Schulz, werfen CDU/CSU eine Blockadepolitik vor.
Verkehrsexperten beklagen seit längerem, dass es infolge des „Diesel-Skandals“ sich unterscheidende Urteile deutscher Gerichte zu möglichen Schadensersatzansprüchen gegen Hersteller oder Händler gibt. Dies habe zu großer Unsicherheit der Verbraucher geführt, zumal es bei Einzelklagen ein hohes Prozesskostenrisiko gebe.
Thema: Fahrverbote
Die AfD zweifelt Studien zur Stickoxydkonzentration an und verweist darauf, dass die Stickoxydkonzentration seit 1990 um 60 Prozent abgenommen habe – „auch deshalb, weil die Dieseltechnologie von deutschen Herstellern ständig verbessert wurde.“ Grundsätzlich seien hierzulande gefertigte Diesel-Pkw besser als ihr Ruf, und Fahrverbote in Städten seien unnötig und zu verhindern. Weiterhin wird die Landesregierung aufgefordert, sich „für eine Garantie für Diesel- und Benzinfahrzeuge bis mindestens zum Jahr 2050 einzusetzen“.
Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne) erteilte unterdessen einem möglichen Fahrverbot für ältere Diesel-Fahrzeuge im Norden eine Absage. Im Umweltausschuss des Landtages sagte er Mitte September: „Niemand will Fahrverbote.“
(Stand: 15.09.2017)