100 Tage nach der Amtsübernahme von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) haben Koalitionsfraktion und Opposition über die erste Zwischenbilanz von Jamaika gestritten. Während Günther den Start der neuen Regierung als gelungen bezeichnete – „Unsere 100-Tage-Bilanz kann sich sehen lassen, wir machen seriöse Politik“ –, setzte es vom Oppositionsführer harsche Kritik. SPD-Fraktionschef Ralf Stegner warf dem Regierungschef vor, große Wahlversprechen über Bord geworfen zu haben.
Für Günther ist das Binnenklima des Dreierbündnisses aus CDU, Grüne und FDP ausgezeichnet. „Jamaika ist die Koalition der Brückenbauer“, konstatierte er. Das Bündnis habe die Kraft, „Konflikte auch aufzulösen“, statt „Konservative und Progressive gegeneinander auszuspielen“. Er hoffe, dass „dasselbe möglichst schnell auch auf Bundesebene kommt“.
Gleichwohl sei Jamaika ein „Bündnis aus drei Parteien und kein eineiiger Drilling. Es gibt in dieser Regierung tatsächlich auch mal Unterschiede in den Auffassungen“, so Günther. Dies werde auch in Zukunft so sein. Schließlich hätten alle drei Parteien „unterschiedliche Ideen“. Dem Oppositionsführer, der Jamaika im Vorfeld der Debatte für die ersten 100 Tage eine 6 gegeben hatte, warf er süffisant vor, in diesem Zusammenhang ein „schlechter Pädagoge“ zu sein.
Stegner: Wahlversprechen nicht umgesetzt
Stegner konterte und bezeichnete Günther als „einen wahren Verpackungskünstler“. Es sei erstaunlich, was in seiner Rede „alles verpackt und verschönert wurde“. Nur die angekündigte Bilanz habe „keinen großen Raum“ eingenommen. Stattdessen präsentiere er sich als „Brückenbauer“ und demonstriere nach außen „Best Practice“ von Jamaika.
„Was diskreditiert Politik mehr als Wahlversprechen, die wider besseres Wissen gemacht werden?“, fragte Stegner. Entgegen der Ankündigungen gebe es weder mehr Polizisten, noch eine Unterrichtsgarantie an den Schulen oder einen besonderen Schub für die A20. Der Ministerpräsident habe die „Selbstlob-Trompete mit bemerkenswerter Lautstärke geblasen“.
CDU-Fraktionschef Tobias Koch…
nahm die SPD hart in die Kritik. Sie igele sich ein und verwechsle konstruktive Arbeit „mit lautem Geschrei und billiger Polemik“. Rumschnacken sei charakteristisch für die Sozialdemokraten. Die Jamaika-Koalition hingegen habe in 100 Tagen viel erreicht, so Koch: „Das Feedback, das ich erhalten habe, war durchweg positiv.“ Es gebe eine positive Symbiose, das Bündnis biete tolle Chancen. „Die gemeinsame Arbeit mit FDP und Grünen macht Spaß und ist vertrauensvoll“, sagte der Unionspolitker.
Die Schulnote 6, die SPD-Fraktionschef Stegner in Interviews der Regierung für die ersten 100 Tage gegeben hatte, wies er konsequent zurück. Das sei unqualifiziert und disqualifiziere den Oppositionsführer selbst. Koch warnte: „Wer alles ablehnt und schlechtredet, der schadet der politischen Kultur in diesem Land.“
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Eka von Kalben…
bescheinigt der Jamaika-Koalition einen guten Start und lobt Ministerpräsident Günther für seinen Mut und sein „Gespür dafür, vor welchen Herausforderungen wir stehen in unserer Gesellschaft“. Die ersten 100 Tage seien „genau richtig genutzt worden“ und würden beweisen, „es kann auch mit der CDU gehen“, so von Kalben.
Im Rückblick auf die Vorgängerregierung aus SPD, Grünen und SSW sagte die Grünen-Fraktionschefin, anders als die CDU sei sie der Meinung, „auch vorher in einer guten Regierung“ gewesen zu sein. Wichtig sei, dass jeder Koalitionspartner „seinen Tanzbereich bekommt, seine Luft zum Atmen“. Sie betonte, dass sich die bisher positive Bilanz der schwarz-grün-gelben Regierungskoalition in Schleswig-Holstein nicht einfach auf den Bund übertragen lasse – auch wenn sie „durchaus eine Vorbildfunktion“ habe.
FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki…
verwies auf die überregionale Bedeutung der Jamaika-Koalition. Ganz Europa schaue auf Schleswig-Holstein und frage sich, ob dieses Modell auch in Berlin gelingen könne. Falls nicht, so Kubicki, würde sich die Politikverdrossenheit verschlimmern und der Rechtspopulismus weiter an Zulauf gewinnen: Man sei schlicht und einfach „zum Erfolg verdammt“. Vorhandene Differenzen beinhalteten die Chance, „neu zu denken“, sagte der Fraktionsvorsitzende der Liberalen.
Für Schleswig-Holstein könne er nach 100 Tagen sagen: „Es ruckelt sich zurecht“. Der Kritik, dass einiges langsamer von statten gehe als gewünscht, entgegnete Kubicki: „Rom wurde auch nicht an einem Tag gebaut“.
Der AfD Fraktionsvorsitzende Jörg Nobis…
meint, die Jamaika-Koalition habe noch nicht viel erreicht. Der große Wurf sei ausgeblieben. Er führte dies auf den „grünen Klotz am Bein“ zurück. CDU und FDP hätten sich „in ein enges grünes Korsett schnüren“ lassen, so Nobis weiter. Grundsätzlich werde in dem Bündnis nur versucht, an kleinsten Stellschrauben zu drehen.
Dem Ministerpräsidenten hielt der AfD-Mann vor, sein „PR-Aktionismus“ gehe an den großen Problemen des Landes vorbei. Günther trage beim Thema Zuwanderung zu einem „fortgesetzten und instrumentalen Gesetzbruch“ bei und sei „für die wachsende Islamismus-Gefahr in Schleswig-Holstein“ mitverantwortlich, so Nobis.
Der Vorsitzende des SSW im Landtag, Lars Harms…
stellte klar, dass seine Partei „konstruktive Oppositionsarbeit“ betreiben wolle. Der Jamaika-Regierung hielt er zugute, dass in der Kürze der Zeit „noch nicht viel passieren konnte“.
In Sachen Rader Hochbrücke sei es die alte rot-grün-blaue Koalition gewesen, die gut vorgearbeitet habe. „Erfreulicherweise“, so Harms, knüpfe die neue Regierung daran an. Insgesamt sei die 100-Tage-Bilanz der schwarz-grün-gelben Regierung „durchwachsen“ – es gebe „noch Luft nach oben“, sagte der SSW-Mann. Seine Note für die Effektivität der Koalition: die 4. Im „Ausdruck“ sehe er eine 2.